Pan(n)a cotta als Vorspeise, Berliner als Hauptgang?

Üüüüberraschung!!! Totgesagte leben länger…

Nein, das sind jetzt keine selbstreferentiellen Wiederauferstehungslobhuldigungen der abgetauchten Bloggercrew, sondern nur der schriftlich gezogene virtuelle Hut gegenüber den Brose Baskets aus Bamberg. Allerdings bedurfte es tatsächlich eines – die Basketballwelt durchrüttelnden – Anlasses, um mich hinter dem sportlichen Kachelofen hervorzulocken.

Broses Herzkurve auf dem EL-Monitor hatte bis gestern Abend 20:45 Uhr de facto nur noch einige rudimentäre Restzuckungen in Bezug auf das Erreichen der nächsten Runde. Bamberg stand nämlich nach 4 Wochen Euroleague nur mit einem mächtig matten 1-3 in Gruppe B da. Nach dem hohen Auftaktsieg in der heimischen Stechert-Arena gegen KK Zagreb folgten nicht nur die erwartete, einkalkulierte Schlappe bei CSKA Moskau (dem 2. Überteam der Brosegruppe) sondern auch eine – ebenso vermeidbare, wie unbröselig blutleere – Heimniederlage gegen Malaga sowie gar noch eine auch in der Höhe dumme Auswärtsniederlage in Kaunas.

Keine guten Voraussetzungen also für den einzigen deutschen Vertreter in der 24er-Euroleague, der faktisch zur Zeit besten Liga der Welt, ausgerechnet gegen Panathinaikos Athen, den 6fachen Euroleaguesieger und Titelverteidiger. Sicher nicht wenige unter den Zuschauern hatten im Vorfeld ihre Karte wegen PAO geordet – einmal nur ein Äuglein auf das grüne Legendenteam mit seinen Stars werfen. Denn wann bekommt man so etwas schon live zu sehen, quasi direkt vor der Haustür? An einen Sieg des eigenen Teams aber glaubte so richtig wohl kein Bamberger Fan, auch wenn es einige im Vorfeld trotzig bis fatalistisch einfach mal prognostizierten. Realistisch war das nicht gegen Spitzenleute wie Maric, Diamantidis, Calathes oder Sato.

Doch irgendwie lief schon seit Mittwoch alles klammheimlich für die Bamberger, man hätte es also ahnen können. Erst besiegt das sieglose Zagreb völlig überraschend Kaunas und bringt so die Brose Baskets schon einen großen Schritt heran, an den so herbeigesehnten Platz 4 in der Gruppe, dann wird dieses Heimspiel der Bamberger auch noch als Spiel der Woche in der EL auserkoren und somit in mehr als 150 Staaten live oder leicht zeitversetzt ausgestrahlt.

Aktuelle Aufnahmen aus dem typischen November im Fränkischen sind dies wohl kaum, aber das Video zeigt einmal mit anderen Augen das in Deutschland geliebhaßte Basketballstädtchen. Und so schaut der BBL-unverstellte Blick an die Regnitz also in der großen weiten Welt aus:

Die Halle ausverkauft – natürlich. Die Freakfans zeigten wie immer Devotion und Devotionalien und die Stimmung war erst begeistert, dann grandios. 200 Grüne aus Athen und in Deutschland lebende Griechen hielten anfangs noch dagegen. Die berühmte Gruppierung „Gate13″ war (ebenfalls natürlich), samt magischem Garten im Sangesrepertoire, angereist. Und auch natürlich gab es auch – ganz heißblütig wie es sich gehört – manche Mittelfinger der Gäste, freigelegte (Bier)alabasterkörper und deftige Schmähgesänge. Das muss einfach so sein ;-) und gehört dazu – ebenso wie die Heimfans, die sich furchtbar darüber aufregen.

Aber etwas war anders, die Brosespieler blühten geradezu auf unter der EL-Sonne. Nach dem Motto: Keine Angst vor großen Namen, wir haben nichts zu verlieren“, legten sie los wie die Feuerwehr und blieben in der 1. Hälfte immer auch dran, wenn „Pana“ sich etwas absetzte. Am deutlichsten wurde dieses „No Fear“ gleich zu Beginn bei Tibor Pleiß, der zwar immer noch schlaksig in seinen Bewegungen aussieht, was aber völlig egal ist, wenn er so mit Mut vorne aufpostet und hinten verteidigt, wie er das gestern tat. Aller Ehren wert.

Suput hatte mächtig Spaß und schnell seinen Rhythmus gefunden – bei ihm immer eine tödliche Kombination für den Gegner. Gavel ackerte wie ein Pferd in der Defense, mittlerweile ein erwarteter Normalzustand bei „Tono“ – es gehört aber einfach gesondert erwähnt, weil es keineswegs normal ist über diese enorme Anzahl Minuten pro Spiel seinen Gegner auf dem Niveau zur Weißglut zu treiben und noch gleichzeitig vorne den schwierigen Aufbaujob in der Abwesenheit von Goldsberry zu erledigen. Gavel ist für Brose Gold(i) wert. Allererste Obersahne sein Alley-ooop-Pass zu Beginn der 2. Halbzeit auf den bis dahin blassen Marcus Slaughter, der im Anschluß geradezu zu explodieren schien. Überhaupt erfüllte jeder Spieler seine Rolle nahezu perfekt für Bamberg. Jeder trug etwas in der Offense bei, aber keiner überdrehte (Tucker!) und in der Defense wurde als Team sensationell gefightet. Die Fans sahen es begeistert, warteten aber insgesamt noch deutlich auf ein Aufdrehen des Champions oder auf ein Einbrechen der eigenen Mannschaft – oder im worst case auf eine Kombination aus beidem. Erst spät dämmerte der Großhirnrinde, dass dieses Ding tatsächlich gewonnen werden kann. Und dann liefs einfach nur noch für die Brösels. Es flutschte. Wieder Suput, Gavel mit 3er, Jacobsen zum Korb, Tucker mit Defense und zum Schluß noch ein erleichtert lächelnder Julius Jenkins, der zwar einen leichten Linkskorbleger vergab, dafür aber 2 schwierige Schüße und die letzten beiden Freiwürfe traf (Spielbericht und Scouting). Die Spannung war in den letzten Minuten kaum zu überbieten, es gab teilweise blankes Chaos auf dem Feld, aber dieses eine Mal fiel eben alles in Richtung der Bamberger, wo es zuvor (zB auch letztes Jahr) mit geradezu unheimlicher Konstanz in der Euroleague gegen sie lief. Der letzte missglückte Pass zum Dreierwurfversuch des griechischen Meisters ging im Siegestaumel und Geschrei der Stechert-Arena unter, ebenso wie die Schlusssirene. Brose siegt sensationell mit 79:76 (37:40) gegen PAO.

Der Rest war unbändiger, ungläubiger Jubel – der übermächtige Gegner, der EL-Champ, Panathinaikos tatsächlich besiegt. Freakige Party in der Halle. Die selbsterklärten „Bauern“ haben doch tatsächlich den griechischen „Horto Magiko“ niedergetrampelt. Gibts denn so was? Glückliche Gesichter und viele getauschte Fanschals mit den Griechen, Kopfschütteln, Umarmen und Grinsen. Viel wichtiger aber noch als dieser beinah historisch zu nennende Sieg ist die Tatsache, dass Bamberg nun bei „Halbzeit“ in der EL doch mit immerhin 2-3 Siegen dasteht und ein Weiterkommen, ein Einzug endlich, endlich in die Top16, immer noch möglich ist. Hier die Highlights des Spiels:

Und noch ein Video mit KurzOT von Gavel hier.

Nach dem Siegesdelirium gestern gehts nun ganz schnell ab für Bamberg in die Niederungen der BBL, dorthin in den Sporthades, wo die Gegner manchmal so schlecht sind, dass es gar als Training nicht taugt, das Ligaspiel. Am Sonntag könnte das anders sein. ALBA Berlin erwartet zum Hauptstadtknüller den Lieblingsfeind und Deutschen Meister Brose Bamberg. Was für ein Timing. Bis zum unsäglichen 51-Punktespiel war dieses Duell mal „die Mutter aller Spiele“ in der BBL und konnte die ganze Nacht LKWs auf DSF ziehen. Reicht es jetzt aber nach dem Totalumbruch noch für ALBA um von Bamberg wenigstens den Stempel „würdiger Trainingspartner“ aufgedrückt zu bekommen? Schließlich mussten sich die Berliner in Giessen von den Fans noch „In Europa kennt euch keine Sau“ anhören. Oder ist gar Bamberg noch zu geflasht vom Euroleaguesieg und unterschätzt ALBA? Stories ohne Ende werfen ihre Schatten voraus: Der ehemalige Vorzeigealbaner kommt mit seinem neuen Klub – Julis Jenkins ausgerechnet in Bamberg. Heiko trifft seinen alten Kumpel aus Gießentagen Anton Gavel. Da wird erst umarmt, hinterher wieder, aber zwischendrin fliegen die Fetzen, das es nicht mehr feierlich ist. So wie es sein sollte. Genug Zoff gibts auch immer zwischen Waldorf und Statler…ähhhh Baldi und Heyder, um massig interessantes Material im Vorfeld zu generieren.

Mal schauen, ob sich mit demselben Trick auch der Bloggerchef von diesem Match anziehen bzw. von der Mutti mit `m Laster hinterm Schreibtisch vorziehen lässt. Meist ist es ja wie bei den Clubmanagern in Berlin und Bamberg: bißchen kalkuliertes Dissen meinerseits funktioniert immer und die Contenance reicht nie und nimmer dies zu ignorieren. Wetten?!?

*wenn einer fragt: Ich bin Statler in der Loge der Gruebelei.

9 Gedanken zu „Pan(n)a cotta als Vorspeise, Berliner als Hauptgang?

  1. Endlich wieder hier etwas zu lesen. Eure Sicht auf die Dinge hat mir gefehlt! Hoffe, bald wieder regelmäßiger von Euch zu hören. Denn kalter Entzug ist grausam. Man fängt ja schon an sich sorgen zu machen. Nicht das es Euch so ergeht wie dem Block „Zwei Minuten Alba“. Bitte weiter so machen.

  2. Schön, dass du dich doch vom hoffentlichen BBL-Topspiel hast locken lassen!

    Ich wollte meinen täglichen gruebelei – Aufruf schon langsam einstellen wg Sinnlosigkeit…

    Kleine Anmerkung zum Text:
    Du erwähnst den verlegten leichten Korbleger von Jenkins – relativ kurz vor Ende.
    Ich erinnere mich an das Ding gut, weil mich ärgerte, dass ein seltener FB dann doch keine Punkte bringt. Ganz so easy war der Abschluß aber auch nicht – immerhin aus vollem Tempo mit Gegner im Nacken.
    Wie kann JJ dann aber 4/4 in der Statistik stehen haben (auf selbige du hier extra ausdrücklich verweist)?

    Das ganze künstliche Ballyhoo geht mir eigentlich ziemlich auf den Zeiger.
    Am schönsten wär doch null (!) öffentliche Äußerung zu Bbg, Spiel gewinnen – egal wie, am besten natürlich einigermaßen überzeugend, meinetwegen auch so ähnlich wie Bbg- PanAth – und nachher außer PK auch kein weiteres Statement, sondern einfach weitermachen, als wär nix gewesen! ;-))

    Wofür steht „PAO“? (vor allem O?)

  3. Pingback: Bauernomelette statt Nachtisch | gruebelei.de

  4. Pingback: Europa: 50 Punkte eines NBA-Stars und wo Jovo noch auf Ense trifft | gruebelei.de

Hinterlasse eine Antwort zu Breizh Antwort abbrechen