Gastbeitrag: ALBA reloaded – eine Analyse der neuen Mannschaft 2011

Wie schon im letzten Jahr, konnten wir zum Blick auf den Kader von ALBA Berlin einen Gastautor gewinnen. Ron-Revolution, auf schoenen-dunk eine Quelle mutmaßlicher Hintergründe, analysiert für uns das Steineumdrehen 2011, die Stärken und Schwächen des Teams und den Abschied der beiden Franchiseplayer: 

Weaver also. Am Donnerstagabend hat Kyle Weaver einen Vertrag mit ALBA unterschrieben. Er ist unser neuer Jenkins und der vorerst letzte Zugang des Teams.

Weaver, 25 Jahre, einst bei den Oaklahoma Thunder unter Vertrag, ein smarter Typ, keiner dieser NBA-Zocker, steht für einen erneuten Umbruch bei ALBA. Neuer Trainer, neuer Pointguard, Weaver statt Jenkins. Zeit für eine kleine Einschätzung, wo wir in dieser Offseason 2011 stehen.

Fangen wir von vorne an. DaShaun Wood ist unser neuer Pointguard und aus meiner Sicht die wichtigste Personalie dieser Offseason (nach dem Trainer). Was ich ihm hoch anrechne: Wood wollte unter Herbert spielen, er hätte an anderer Stelle viel mehr verdienen können, aber er hat sich für ALBA entschieden. Die Chancen stehen gut, dass wir den besten Pointguard seit mindestens Hollis Price, Durchgang 1, erleben werden. Oder, wenn es noch etwas besser läuft, seit Wassili Karassev. Wood kann fast alles: das Spiel schnell machen, zum Korb ziehen, die Center und Power Forwards in Szene setzen, den Ball nach draußen zu den Dreierschützen bringen. Ich habe lange auf einen Kopf des Spiels gewartet. Ich mochte bekanntlich Pavicevic’ Systembasketball, habe aber nie nachvollziehen können, warum der ehemalige Spielmacher Pavicevic es nicht verstanden hat, einen emanzipierten, erwachsenen Pointguard an die Spitze seines Teams zu setzen.
Wood ist der Hahn im Korb, er weiß das, aber das, was ich bislang von ihm gesehen habe, macht nicht nur ihn, sondern auch das Team besser. Als Schwächen sehe ich nur zwei Dinge: seine Defense ist eher mittelmäßig. Und ein Team, in dem er der Kopf ist, braucht einen Plan B, wenn es dem Gegner gelingt, ihn zu isolieren. Das wird eine der Hauptaufgaben von Herbert sein. Eine schwere Verletzung, wieder im Knie zum Beispiel, wäre der GAU, aber think positive, gehen wir mal nicht vom Schlimmsten aus. Dazu hat sich „Little Tony“, wie sie ihn in Frankfurt genannt haben, für zwei Jahre verpflichtet. Alleine das widerlegt all diejenigen, die ihm eine Ego-Söldner-Mentalität vorwerfen. Ich behaupte, dass er jene Art von Steal ist, wie es ein Chuck Eidson oder ein D’Or Fisher waren: Spieler, die eigentlich zu gut für die BBL sind. Fan-Herz, was willst Du mehr?

Der Mann neben ihm wird Kyle Weaver. Vielleicht hat Frank Zappa recht, der behauptet, Weaver sei auch ohne Lockout zu schlecht für die NBA. Weaver ist jene Art Borderline-NBA’ler, auf die ALBA bestenfalls hoffen darf. Aber reden wir erst über Julius Jenkins, bevor wir über seinen Nachfolger sprechen. JJ wollte bleiben, das stimmt. Er (sprich: sein Agent Patrick King) hat allerdings auch völlig legitimerweise den Markt sondiert. Jenkins ist ein Name in Europa, er hat einen Marktwert, den er sich erspielt hat. Er war ALBAs Topverdiener (mit Ausnahme der Center) und wusste das. JJ hatte Angebote aus Treviso, Donezk, Bamberg und Oldenburg. Hätte ALBA anständig mitgeboten, wäre er wohl bei uns geblieben. Hat ALBA aber nicht.

Die Betrachtung von Jenkins im Verein hat sich über die Jahre geändert. Vor der letzen Saison gab es viele Gespräche im Verein über Jenkins zwischen Pavicevic und dem Management. Pavicevic’ Bild von JJ hatte sich gewandelt. Er sah Jenkins nicht mehr als den Go-to-guy des Teams und wollte die Rollen verschieben, Jenkins sollte eine von zwei, drei Stützen sein, nicht mehr. Das hat aber nicht wirklich geklappt, auch deshalb, weil Julius intern manchmal ganz gerne divenhaftes Verhalten gezeigt hat. Julius hat sich immer korrekt verhalten und ist ein super Typ. Aber die Zweifel, wie weit er das ALBA-Team tragen kann, haben sich gemehrt. Am Ende gab es im Verein zwei Fraktionen: die, die auf Julius als wichtigsten Baustein gesetzt haben. Und die, die erst andere Schwerpunkte setzen wollten, auf die Gefahr hin, dass JJ eine andere Option wählt. Baldi war der Protagonist dieser Sichtweise. Es kam, wie es in der Marktwirtschaft oft kommt: Julius’ Agent Patrick King holte allseits Angebote ein und wollte vergleichen, was ALBA mitzubieten bereit war. ALBA war aber nicht bereit und wollte erst die anderen tragenden Säulen fixieren. King erhöhte den Druck, ALBA zog nicht mit – und weg war JJ. Jetzt verdient er viel Geld in Bamberg. So ist das Geschäft.

Ach ja, das Geschäft. Wer auch immer die Namen Will Solomon und Yotam Halperin aufgebracht hat: ich halte das für Agentenschnurren, die wir immer mal wieder in der Offseason hören und die fernab der Realität sind. Wie oft sind in der BBL Typen wie Solomon und Halperin gelandet, die russische und griechische Angebote haben und bei Olympiacos oder Maccabi gespielt haben? Genau.

Da ist Weaver schon realistischer, und ein bisschen wundert mich, warum die Begeisterung nicht größer ist. Der Typ ist mit 25 in bestem Alter, hat zwei Jahre in der NBA gespielt und wirkt trotzdem bodenständig, sympathisch und bereit für die kleinen, unangenehmen Dinge wie harte Verteidigung und Rebounden. Im Vergleich zu Julius ist er größer, aber auch weniger explosiv. In der Defense glaube ich, dass er eher ein Upgrade ist, weil er den Laden zusammenhalten und Lücken, die Woods Verteidigung reist, potenziell schließen kann. In der Offense wird er den Gegner auch zu Größe zwingen, aber nicht ganz so tödlich verwandeln wie JJ und wahrscheinlich etwas schlechter die Center über das Pick and Roll in Szene setzen können. Er wirkt aber wie jemand, der sich in ein Team einpasst und von dem ich glaube, dass er an der Seite von Wood gut funktionieren kann. Lassen wir ihm etwas Zeit, dann wird er. Auf die durchwachsenen Statistiken bei Charleroi gebe ich nichts; fast jeder Ami hat erstmal einen basketballerischen Kulturschock, wenn er nach Europa kommt.

Marko Simonovic soll unser neuer IMac sein. IMac ist ein großartiger Spieler, aber er hat viel Substanz in den vergangenen Jahren gelassen. Spielerisch, weil der hohe Einsatz Tribut zollt und er oft verletzt war. Dazu kommen persönliche Probleme, die ebenfalls gezehrt haben. ALBA wollte ihm einfach nicht die Sicherheit eines schnellen, mehrjährigen Vertrages bieten, die er sucht. Simonovic ist etwas größer, weniger athletisch, aber ein guter Rebounder und wohl ein mindestens ebenso sicherer Schütze wie IMac. Wenn die Berichte über ihn stimmen, stellt er sich wie Mac leidenschaftlich in den Dienst der Mannschaft. Die Position des Small Forwards wird diese Saison eher unspektakulär daherkommen, aber nichtsdestotrotz für das gesamte Bild wichtig sein. Wir werden bestimmt eine flexible Rotation sehen: mal Weaver auf der 3 und Heiko auf der 2 neben Wood.

Worauf ich mich schon freue, sind die Center-Duelle der kommenden Saison. Francis und Idbihi werden sich mit der exzellenten Bamberger Besetzung Pleiß und Slaughter beharken, mit Ford, Hall und Nadjfeji in München und Chubb und Burrell in Oldenburg. Das verspricht großartige Spiele auf hohem Niveau. Wie Francis sich da schlagen wird, ist für mich schwer abzusehen. Zumindest sollten wir dieses Jahr deutlich besser im Rebound-Ranking abschneiden.

Wenn dieses Team eine Schwäche hat, dann auf der Position des Power Forwards. Nichts gegen Allen, aber er verteidigt lausig, hat gegen kreative Vierer wie Suput regelmäßig das Nachsehen und einen miesen Wurf von jenseits der Drei-Punkte-Linie. Wir haben es Dragicevic zu verdanken, dass Suput in den Finals limitiert blieb. Dragicevic war eine gute Ergänzung zu Allen, sicher von außen, defensiv gut, Jugo-Schule statt Ami-Stil. Für mich bleibt eine solche kongeniale Ergänzung mit guter Defense und gutem Distanzwurf zu Allen nötig. Wie soll Derrick gegen die Suputs, Slaughters, Burrells und Jaglas über 30 Minuten und mehr bestehen?

Die X-Faktoren dieser Mannschaft sind für mich Wood, Weaver und Francis. Die drei müssen funktionieren, sonst wird es eine grausame Saison. Funktionieren sie aber gut, kann es ganz wunderbar werden. Das Team ist dieses Jahr etwas größer, zumindest auf den drei Guard-Positionen. Das wird uns mindestens in Europa gut tun, wahrscheinlich auch in der BBL. Die Mannschaft wird amerikanischer spielen, wir werden mehr Situationen im eins gegen eins sehen, die Wood eröffnet und die Weaver, Allen oder die Center vollenden. Herbert wird die Truppe einschwören und auf Verteidigung wert legen, und er kann bei ALBA beweisen, dass er auch auf internationalem Level herausragend coachen kann. Es wird leidenschaftlicher, wir brauchen diesen Mehrwert. Dann können wir aus der Position des Herausforderers zusammen mit den Bayern den Meister aus Bamberg ärgern.

[Ein Text von Ron-Revolution]

15 Gedanken zu „Gastbeitrag: ALBA reloaded – eine Analyse der neuen Mannschaft 2011

  1. Toller Bericht, man mag mir nachsehen dass ich als Bamberger Alba keinen weiteren Powerforward hinter/vor Allen wünsche.
    Die Neuverpflichtungen sind gut, das grösste Plus (und für uns Bamberger am gefährlichsten) ist der Headcoach Herbert.

    Auf eine spannende Saison – poldibaer

  2. besonders gut finde ich den beitrag nicht..

    1. wood´s defense ist nicht überragend, das stimmt .. aber grade durch seine schnelligkeit hat er bewiesen steals zu bekommen..
    2. die position des smallforward ist alles anderes als „unspektakulär weil:
    3. er vergisst komplett Bryce Taylor, welcher bestimmt wieder ne wichtige stütze spielen wird.. (denke mal starting 5 wird wood,bryce,weaver,allen und francis.. ja alle schwarz und amis .. so what wir haben ne starke bank..)
    4. allen verteidigt mittelmäßig nicht lausig.. er ist zwar kein überragender 1on1 defender aber er versucht immer sehr aktiv seine defizite wieder wett zu machen und die beste defense ist immer noch eine komplette team defense und keine 1on1 defense.. grade in dieser saison mit bryce,weaver und francis wirds ne starke weakside help geben für ihn ;)
    5. und am wichtigsten!! wie kann man über ein team schreiben, das noch nicht fertig ist?? wir haben noch 2 plätze frei .. er hat recht es fehlt ein powerforward aber es ist keine schwachstelle bei uns, da simonvic auch die 4 spielen kann (und soll) und für paar 10 minuten harte defense haben wir noch unseren sven.. desweiteren brauch alba noch einen flügelspieler ..

    • ach und ganz vergessen.. allen nimmtzwar keine dreieraber grade am ende der saison hatte er viele lange zweier genommen und hochprozentig getroffen!
      und in der saison 2009/2010 hatteman schon chubb neben sekulic spielen lassen.. grade durch die schnelligkeit und beweglichkeit francis´s kann man francis und idbihi für paar minuten nebeneinander spielen lassen a la lakers style..

  3. rons analyse zu meinem geburtstag, das nenn‘ ich doch mal timing! :-)
    die frage, die ich mir nun wie einige andere allerdings noch mehr stelle, ist:
    ist die schwache position 4 bewusst einkalkuliert, um eher zügig dort nachzubessern, wenn im spätsommer nochmal ne spielerschwämme einsetzen sollte, ist überhaupt kein geld für ein upgrade auf der 4 da, oder macht uns schweitzer doch noch den dirk klar?

  4. Zwei Fragen würden mich interessieren: 1. Heißt die Zusammenstellung dieses Kaders wirklich, dass Staiger eine größere Rolle spielt?
    2. Ist schon bekannt wer die Plätze 11-12 vorerst besetzen soll?

  5. „Julius intern manchmal ganz gerne divenhaftes Verhalten gezeigt hat“

    Ich frage mich ganz im ernst, wie man zu solchen Aussagen kommen kann!
    Ein konkretes Beispiel wäre hilfreich. Julius ist der letzte Mensch auf Erden, der divenhaftes Verhalten an den Tag legt. Ich finde solche Äusserungen untragbar und unverschämt.

    • Man könnte zu solchen Aussagen beispielsweise kommen, indem man ihn vielleicht im Gegensatz zu Dir mal intern erlebt hat. Oder jemanden kennt, der ihn intern erlebt hat.

    • Dazu kommt man genau so, wie es Guwac treffend beschrieben hat. Warum soll das untragbar und unverschämt sein, wenn es solche Beobachtungen gibt? Ganz im Ernst.

  6. Schöne Zusammenfassung des aktuellen Standes, die auch schön die Problemfelder aufzeigt: passen die Teile zueinander? wird die Besetzung auf der vier reichen um sowohl in Europa als auch in der BBL die Ziele zu erreichen?
    Genau diesen beiden Aspekte sind wohl auch verantwortlich für die bisher nur verhaltene Euphorie der meisten Fans. Dazu kommt sicher noch der Faktor, dass der wirklich „große“ Name erneut fehlt – natürlich auch keine Garantie, aber von vielen sicher erwartet/erhofft;
    Ist Wood gefühlt für viele doch eher ein ligainternes upgrade, haben die übrigen Puzzleteile Potential aber keine gefühlte eingebaute Garantie für EL Teilnahme und Meisterschaft.
    Über die mittlerweile erfolgte Verpflichtung von Ney kann man sich nur freuen, wenn die Entwicklung denn auch entsprechend verläuft.
    Wenn Ron schreibt, dass die Planungen nun abgeschlossen sind, warte ich zumindest noch auf eine Pressemitteilung zum Verbleib von Patrick Femerling, entweder man ist sich also doch noch nicht ganz einig, oder aber die Trennung ist beschlossen, aber noch kein neuer Club nach seinen Vorstellungen gefunden. Wie schon bei SD geschrieben könnte ich ihn mir immer noch für ein paar Minuten vorstellen mit einem gleitenden Übergang in eine neue Funktion.

    • Ich glaube mittlerweile wirklich, dass Femerling den Verein verlässt…der nützt doch nix mehr…

  7. Schade, dass es hier nur um die Starting Five geht. Auch wenn sich auf der Bank wenig ändert, fänd ich es spannend zu hören wie sich Weaver und Staiger ergänzen oder auch bei Heiko, Yassin oder Taylor, der schon im Gespräch war.

    Ansonsten sieht das Team doch ganz gut aus. Auf der 4, wo man bei ALBA ne Schwäche sehen kann, haben Bamberg und München ja auch nicht so die beste Position. Und Allen ist ja nun auch kein echter Problemfall. Mit Herbert kommt ja auch ein passender Trainer dazu ;)

  8. @zugvogel1846

    Einspruch – Brose ist auf der 4 mit Suput schon besser dran als Alba mit Allen. Gut beide sind keine Verteidigungsminister, doch auch hier ist Suput etwas besser.

    Mit unserer heutigen Verpflichtung P.J. Tucker (sind wir aus meiner Sicht) klar besser wie Alba.

    • Etwas besser schon. Aber ihr habt ja nun auch gar keinen Back-Up auf der 4 (bisher)?
      Auch wenn man den Bamberger ALBAtross auf der 4 nicht mehr Basketballspieler nennen kann (Schultze), so finde ich, dass sich Allen nicht so weit hinter Suput verstecken muss. Man kann zumindest beide ausschalten. Das muss Bamberg gegen Herberts ALBA erstmal schaffen ihn in Szene zu setzen… ;)

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