Blogauskas #9 – Vilnius, Villarriba und Villabajo

Cheerleader im Anmarsch

Cheerleader im Anmarsch

Vilnius empfing uns mit kaltem Dauerregen, Megastau und einer Strasse, von der man weder links noch rechts abbiegen konnte, bis man endlich ganz unten angekommen war – nicht nur bildlich gesprochen. Toll. Hier läuft also ein Weltrekord in gegenläufigen Einbahnstrassen – und wir sind mittendrin. Als alles ganz mies läuft und die plötzlich einsetzende Unterzuckerung droht einige jahrelange Freundschaften frühzeitig zu beenden, schlägt unerwartet das Glück zu und wir finden einen kostenlosen Parkplatz in der Altstadt in einem abgeschlossenen, eisentorgesicherten Hinterhof. Weniger schön ist es dann, alle Klamotten,

Spanien

angefangene Reispackungen, Tütensuppen, dreckige Socken, 2 rohe Eier (lose), eine angefangene Milchpackung und ca. 800 andere Kleinteile, die wir einfach ins Auto gefeuert hatten, durch eine knöchelhohe Pfütze und die 5 Stockwerke in unsere Altbauwohnung hochzuschleppen. Ganz umweltfreundlich und aufzugfrei versteht sich. Gut, betrachten wir es einfach als Ausgleich dafür, dass unsere eilfertig und pflichschuldigst mitgeführten Sportutensilien bisher noch keinen einen Tropfen Schweiß abbekommen haben. Zweifelhaft, dass sich das noch groß ändern wird, aber wir haben es immerhin gewissensberuhigend versucht, denn so als mitteleuropäischer Bildungsbürger, mitten im stressigen Beruf Marke „sitzende Tätigkeit“ stehend, „macht man ja Sport“(selbstmurmelnd auch im Urlaub) . Natürlich, was denn auch sonst. Es sei denn unsere Fan-Bemühungen in der Siemens-Arena zu Vilnius würden endlich anerkannt werden, denn das ist wirklich fast schon `ne eigene Sportart, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht, dass sie noch olympisch wird.

Duell: Heiko Ricky

Duell: Heiko Ricky

U-Bahn oder Strassenbahn gibt es hier nicht. Nur Stau. Und Busse. Und Trolleybusse. Und Busse und Trolleybusse, die im Stau stehen. Der ganze Verkehr hier in der Hauptstadt (so 515.000 Einwohner), und mit ihm der ÖPNV, sind `ne einzige Katastrophe und wir wünschen uns zurück ins kuschelige, gemütliche Siauliai, dass seinem schlechten Ruf in keinster Weise gerecht wurde. Es war einfach richtig schön da, ein Platz an dem man es sehr gut aushalten kann – auch wenn einem mal die ein oder andere Militärmaschine auf den Kopf fällt und die Behörden behaupten, das Gebiet sei unbewohnt. Vilnius ist störrischer, dreckiger, größer, lauter, unbequemer. Mit Mühe und viel Zeit schaffen wir es in die riesige Arena, das deutsche Team wärmt sich bereits auf. Wir feuern an, leiden und schreien, doch am Ende hilft es nichts. Das Spiel geht verloren und sogar knapper als es das Endergebnis von 68-77 (33-36) aussagt. Es waren wieder einmal nur Kleinigkeiten, die im Spülwettbewerb Villabajo (Deutschland) vom Sieg gegen Villarriba (Spanien) trennen. Die einen feiern am Schluß, die anderen sind geknickt. Man hat in Villarriba einfach die bessere Fettlöseformel (Gasol²).

Einkaufszentrum

Einkaufszentrum

Generell sehen die Punkte von Spanien leichter aus, die unsrigen sind hart erkämpft und schwer erarbeitet. Ein paar Turnover zuviel, einige unkluge Fouls, ein paar schlechte Schüße vorn, etwas zu wenig gute Defense gegen Pau (0 Punkte 1.Hz, 19 in der 2.) und Marc – und das war dann das. Sicher man kann stolz sein, man hat den Spaniern fast alles abverlangt, klar unser Team hat endlich gefightet, so nah dran Spanien zu schlagen war man seit Jahren nicht mehr und umso frustrierender ist es, dass schlußendlich nichts dabei herausspringt – wie so oft. Das letzte Bisschen Killerinstinkt fehlt einfach, die Cleverness, die Abgezockheit. Im Laden zu kaufen gibts das nicht („Ich nehme 3 Kilo Abgebrühtheit, gut abgehangen.“ „Darfs auch etwas mehr sein?“). Und auch nach diesem Spieltag bleiben wir siegloser Gruppenletzter. Alles spitzt sich nun auf morgen zu. Morgen. Deutschland-Türkei. Freitag also, Tag der Entscheidung und ein absolutes must-win-game gegen die Türkei. Dummerweise auch umgekehrt. Wir haben die aber in der Vorbereitung schon 2 Mal geschlagen. Einmal beim Turnier in Izmir und einmal beim Supercup in Bamberg. Wie letztes Jahr vor der WM spielte die Türkei in der Vorbereitung grottig, aber jetzt kommen sie langsam in Schwung. Haben Spanien geschlagen und Frankreich in Bedrängnis gebracht. Verschwerte Obacht ist angesagt gegen die Dreierschützen, aber so unmenschlich ist da nichts wirklich im türkischen Backcourt. Aber unterm Korb wirds finster, da wartet eine echte Langarmarmada mit dickem Reboundvorteil.So groß ihre Center sind, so lahm ist ihr Spiel – Korrelation erwünscht. Sie sind anfällig im Fastbreak, leider nicht gerade unsere Stärke. Hinten spielen sie oft Zone, leider ist die Offense dagegen auch nicht unsere Stärke. Knacken kann man die Türkei mit Leidenschaft, Schnelligkeit, Härte und Kampf. Die einen sind sich zu fein dafür, die anderen schlicht zu langsam. 40 Minuten absolutes Vollgas und mit allem was man hat drauf gehen, muss die Devise sein.

Aber selbst bei einem Sieg ist die Chance immer noch klein weiterzukommen, aber was solls denn?!? Einfach wie beim Poker. All in, please. Alle Mann aufstehen. Und dann mal sehen was der „river“ , der hier Neris heißt, bringt.

Litauenfans

Litauenfans

Wir haben derweil das erste Spiel der Gruppe F heute gecancelt, zu anstrengend waren gestern Abend die 2 1/2 Stunden im Flugzeugmotorentestwerk (ab 105 Dezibel aufwärts) aka Siemensarena. Was da in der Halle abgeht, wenn Litauen spielt, kann man mit Worten nur schwer transportieren. Mehrmals schiessen einem Tränen in die Augen – sei es vor Rühung über die litauische Basketballinbrunst oder vor Schmerzen ob der Lautstärke des unglaublichen Pfeiffkonzerts gegen Serbien. Da war noch eine Rechnung offen. Einer hält ein Schild hoch: „02.07.1995 We still remember that day“. Ich auch. Ein Skandal und Litauen rächt sich mit nem irrsinnigem 3er Gewitter. Justice is being served und ganz Litauen feiert. Handküsse und Autocorso. Ein „Mein Schatz“ vom Busfahrer. Läuft. Die Nacht wird feucht und lang.

Wir haben heute früh angefangen Wäsche zu waschen, verschwert rumgegammelt und dem Regen beim Hardcoreregnen zugesehen. Mit unserem neuen litauischen Ohrwurm („Earworm. I have an earworm. Do you know earworm?“) „Geltona. Zalia. Raudona.“ im Gehörgang und laut mitsingend geht es jetzt kurz in die fantastische Altstadt und dann zur Halle. Bis morgen.

Do or die, liebe Leute. Get ready to rumble.

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4 Gedanken zu „Blogauskas #9 – Vilnius, Villarriba und Villabajo

  1. Schreibe schon keine Kommentare mehr, weil es einfach nichts hinzuzufügen gibt (Lob!).
    Danke und bitte weiter, es ist nicht umsonst!

    Ich sehe nicht, wie man gg diese Halle das letzte (!) Hauptrundenspiel gewinnen will, erst recht, falls es für Lit. auch noch überlebenswichtig sein sollte.

    D.B.: „We are satisfied with our performance.“ Wer auch immer in der Basketballwelt das liest, muß sich ja totlachen! Drei hintereinander verlorene Spiele und der dt. Coach ist immer noch zufrieden?!?
    Kein Wunder, dass die Germans nix gewinnen…

  2. so, spiel im büro auf zattoo geguckt, nebenbei unwichtigen müll so sortiert dass ich morgen sicher nix mehr finde… und dann doch noch diverse pils drauf genommen… gute nacht und schicke grüsse an die verwegenen literaten in vilnius!

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