Weihnachtszeit – Zeit für Rückblicke. Als nach zwei großartigen Jahren die Euro-Veilchen vor 10 Tagen sang und klanglos in der Euro-Vorrunde ausschieden, bat ich Hardyn um einen Gastbeitrag zur Lage der Göttinger.
Es ist nicht lange her, dass ALBA gegen Göttingen verlor. Kaum 18 Monate, dass die Göttinger einen europäischen Titel erlangten. Die Veilchen waren einige Jahre leuchtendes Beispiel dafür, wie mit wenig Geld und tollen Fans viel möglich ist. Nun zeigen sie, wie schnell man in der BBL in der Durchreiche ankommen kann… Hardyn schreibt einen Gastbeitrag über das Fanleiden auf dem Weg vom Eurochallenge-Sieger zum Abstiegsfavoriten.
In der Durchreiche ……
….. durchgereicht, das war knapp zusammen gefaßt das Ergebnis des diesjährigen Europa-Ausflugs der BG Göttingen. Der Euro-Challenge-Champion von 2010, im vergangenen Jahr nur äußerst knapp am Einzug ins Top 4 des Eurocup gescheitert, schied am Ende sang- und klanglos mit null Siegen aus. Um das Maß des Verdrusses voll zu machen stand am traurigen Ende eine 59:96 Klatsche gegen Besiktas Istanbul, ein Team, dass man in der vergangenen Saison nach drei denkwürdigen Vergleichen noch ausgeschaltet hatte. Um das Maß des Verdrusses übervoll zu machen ereignete sich dieses Debakel ausgerechnet an der Stelle des bisher größten Erfolges der Vereinsgeschichte, dem Eurochallenge-Sieg vom Mai 2010. Von Ausnahmen abgesehen hatten die meisten Göttinger wenig Spaß an den diesjährigen Auftritten in Europa. Die ansonsten äußerst reiselustigen Veilchen-Fans waren am Ende nicht einmal so leidensfähig, ihr Team beim Auswärtsspiel im relativ nahe gelegenen Leiden zu begleiten.
Das Veilchen-Leben ist eine Baustelle
Dass es für die Veilchen eine ausgesprochen schwierige Saison werden würde, war seit dem Abgang von Erfolgstrainer John Patrick klar. Falls jemand von den Verantwortlichen die Absicht hatte nachzuweisen, dass in Göttingen Bundesliga-Basketball ohne Patrick fest etabliert werden kann, so ist dieser Nachweis bisher ausgeblieben. Die Zahl der Baustellen ist zahlreich, fast das gesamte BBL-Projekt gleicht mittlerweile einer einzigen Baustelle. Sicher, es soll nicht unterschlagen werden, das sich zu den schwierigen Rahmenbedingungen auch noch echte Tragödien wie die Ereignisse auf der Rückfahrt vom Auswärtsspiel in Gießen und auch ausgeprägtes Verletzungspech (Adamczak, Dale) hinzu gesellten. Mittlerweile ist jedoch überdeutlich, dass das Team falsch zusammengestellt war, von den ursprünglich verpflichteten Spielern wurden Slater, Saunders und Ahelegbe ausgetauscht zugunsten von Bailey, Bauscher und Allen, eine weitere Position ist vakant, kann aber nur bei ausreichenden Finanzen neu besetzt werden. Auch die ursprünglich geplante Rollenverteilung ist nur bedingt tragfähig. Trotz der Erfahrungen des vergangenen Jahres hatte man Louis Dale als Spielgestalter etabliert, was erst nach 11 Ligaspielen durch die Verpflichtung von Bauscher korrigiert wurde. Die Position unter den Körben bleibt eine Schwachstelle trotz überdurchschnittlicher Leistungen von Sykes.
Der M …… hat seine Schuldigkeit getan, der M ……. kann gehen
Wie so oft wurde in dieser desaströsen Lage als Verantwortlicher der Trainer ausgemacht und ausgetauscht. Die Rookie-Saison des in Göttingen durchaus beliebten Stefan Mienack wurde so sehr kurz. Obwohl er fraglos nicht allein das Team zusammengestellt hat, verheißt der Trainerwechsel von allen denkbaren Maßnahmen die schnellste Wirkung. Und soviel ist sicher: nach einem katastrophalen ersten Drittel der Saison war schnelle Reaktion geboten. Zumindest bei den bisherigen Ligaspielen unter der Leitung von Michael Meeks zeichnet sich eine leichte Besserung der Lage ab.
Was die Göttinger Fans und Zuschauer besonders verunsicherte: diesem Team fehlte (bis auf wenige Ausnahmen) in fast allen Spielen der „spirit“, etwas, was Patrick-Teams immer stark gemacht hatte. Sicher, auch die hatten „bad shooting days“ und brillierten nicht immer mit Spielfreude, aber sie kämpften aufopferungsvoll und hatten, zumindest bei der Defense meist einen Plan. Und wenn nicht, konnte der Meister sehr unangenehm werden. Dieses Gefühl hatte man zuletzt bei Mienack überhaupt nicht mehr, fraglich, ob die Spieler seine Anweisungen am Ende überhaupt noch Ernst genommen haben.
Das ist vielleicht bei Meeks, allein wegen seiner schieren Länge, vielleicht aber auch aufgrund seiner Reputation als erfahrener Spieler anders. Es hat im Besonderen aber auch mit Meeks „Mitgift“ zu tun, der hinter den Kulissen bisher wichtige Arbeit beim Neuaufbau des Teams geleistet hat: Daniel Jusup, renommierter kroatischer Spieler und später Trainer, der zwar auch nicht nur Erfolge in seiner Karriere vorzuweisen hat, aber wohl von allen Göttinger Verantwortlichen die meiste basketballerische Kompetenz vorweisen kann, was ja für sich genommen schon einiges aussagt. Allerdings wartet Jusup, gegenwärtig ohne Anstellung, selbst dringend auf neue Angebote und so wird die für Götingen maßgeschneiderte Konstellation (kein Geld, gute Performance) wohl nicht mehr sehr lange andauern.
Der Kopf vom Fisch …….
Die sportliche Situation läßt sich auch kaum erklären ohne die Organisation (auch wenn dieser Begriff angesichts mancher Erscheinungen kaum anwendbar erscheint) im Hintergrund. Auch die stand seit dem Ende der vergangenen Saison vor denkbar größten Herausforderungen. Es mußten verkraftet werden: Weggang des bisherigen Erfogsgaranten, vollständiger Personalwechsel, Umzug in ein neues Geschäftslokal (Lokhalle → S-Arena), verkleinerter Etat. Um eine solche Situation zu meistern, muß man natürlich viel richtig machen, auf bescheidenem Niveau, versteht sich. Das war leider nicht der Fall. Der Umzug und die Bedingungen in der neuen Halle sind noch heute fast täglich Thema in den Leserbriefen an die Lokalpresse. Selbstredend wird die Kritik von den momentan ärmlichen sportlichen Leistungen noch befeuert, dennoch ist dabei etliches schief gelaufen, man hat im wahrsten Sinne des Wortes Viele nicht mitgenommen und das drückt erheblich auf Kalkulation und Finanzen.
Die Probleme bei der Zusammenstellung des coaching staffs wurden schon angesprochen. Dass bei Pannen solchen Ausmaßes nicht noch weitere Umbesetzungen durchgeführt werden, kann nur der Tatsache geschuldet sein, dass die klammen Finanzen mehr nicht hergeben. Im Nachhinein muß festgestellt werden, dass auch die Orientierung auf einen europäischen Wettbewerb fragwürdig war und zu einem Team wie Göttingen in dieser Saison nicht paßte! Für Abstiegskampf pur braucht man keine „NBA borderline-Diven“ wie Saunders, der bei harter Arbeit die Flinte ins Korn wirft oder Horne. Die hätten wohl die Göttinger Erfolge der letzten Jahre gern mitgemacht, in die Situation gestellt, dass die Voraussetzungen sich gründlich geändert haben, enttäuschten sie jedoch gnadenlos! Jedenfalls muß es zu denken geben, wenn einzelne Spieler und auch M. Meeks zu Protokoll geben, dass man nun nach Ende des Europa-Abenteuers „endlich wieder mehr dazu komme an den Basics zu arbeiten.“ Angesichts des Tabellenstands scheint das auch dringendst nötig zu sein.
Der Fahrstuhl nach unten ist leider nicht besetzt ……
Das Göttinger Finanzloch ist chronisch und bekannt. Von den Schulden der s5-GmbH müssen in diesem Jahr gemäß Beko BBL-Auflagen € 150.000 abgebaut werden, was die Möglichkeiten der Geschäftsführung der sportlichen Talfahrt entgegenzusteuern weiter einschränkt. Wer allerdings nicht in der Lage ist Erfolge, wie die überragende Aufmerksamkeit für die BG Göttingen der vergangenen drei Jahre – gekrönt durch den Sieg in der EuroChallenge entsprechend zu vermarkten, muß sich nicht wundern, wenn in sportlich schwierigen Zeiten der Zuspruch ausbleibt. Es besteht die reale Gefahr einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale: Einsparungen und Entlassungen in der Geschäftsstelle ziehen eine weitere Einschränkung des Angebots für Fans und Sponsoren nach sich, notwendige Werbemaßnahmen müssen wegfallen – all das macht es schwieriger den notwendigen Zuspruch zu Spielen und dem Team insgesamt zu organisieren.
Dabei waren im vergangenen Sommer – neben den erwähnten Pannen – auch wichtige positive Maßnahmen für den Göttinger Basketball beschlossen worden. Durch den Anschluß des ASC Göttingen an die Trägergesellschaft des Bundesliga-Basketballs konnte die Basis verbreitert werden. Die Jugendprogramme von BG 74 und ASC wurden vereinheitlicht und laufen bei Jungen und Mädchen recht erfolgreich. Doch – bis diese Saat aufgeht, braucht es Zeit, und die lassen weder Spielplan noch Tabelle!
Weihnachten wird vielleicht mancher Braten in Göttingen ungegessen geblieben sein, auch das Kellerduell gegen die Skylines ging mit 65:78 klar verloren. Wer hätte das vor einigen Monaten gedacht: die Veilchen gegen die Skyliners als absolutes, unbestrittenes Kellerduell. Mit nur zwei Siegen aus 14 Spielen sind die Veilchen nun klar Tabellenletzter.
Dann geht es noch nach Hagen, ein Blick auf das Programm des Januar zeigt, dass man auch hier versuchen sollte zu punkten, wenn man nicht schon zur Saison-Halbzeit in eine hoffnungslose Lage geraten möchte. Abgewandelt möchte man sagen: „Basketball in Göttingen is not dead, it smells funny“. „Funny“ ist schon, wenn der bisherige Schrecken in vielen BBL-Hallen auf einmal nur noch als besserer Trainingspartner auftritt. Das Mitleid, was uns bei etlichen Auftritten der letzten Wochen von den Fans anderer Mannschaften entgegen gebracht wurde, verbunden mit dem Wunsch, dass wir es denn doch noch schaffen möchten, ehrt nicht wirklich! Da hab ich mich in den letzten Jahren als „Klopper“ doch besser gefühlt und anstatt Mitleid Respekt und öfters auch die Punkte mitgenommen.
Aber – die Mitgliedschaft in der „Bel etage“ des deutschen Basketballs muß man sich verdienen, geschenkt wird nichts, und von den vergangenen Erfolgen kann niemand zehren. Noch besteht die Chance, wenn der Umbau im Team sich umgehend niederschlägt, eine weitere Verstärkung kommt und Fans und Sponsoren bei ihrer Unterstützung trotz der sportlichen Talfahrt nicht nachlassen. Es ist ja jetzt die Zeit „wo das Wünschen wieder hilft“. Ich wünsch mir mal, dass wir drinbleiben!
Kein Feedback bislang, das demoralisiert ja jeden Schreiber.
Danke für den kurzen und prägnanten Überblick über die Lage und Entwicklung in Göttingen. Es zeigt sich, wie fatal zwei oder drei bedeutende negative Faktoren in der Summe wirken können – zumal wohl einige Auswirkungen (Eurocup) absehbar waren.
Zweifellos waren die europäischen Erfolge Leistungsbestätigung und Motivation, gleichermaßen für Fans und „Verein“ (GmbH). Auch wurde dies allgemein anerkannt.
In der aktuellen Lage, also im Sommer, nach Weggang des etablierten Trainers (wieso eigentlich, nur wg „Kohle“?), sowie weiteren Unsicherheiten, wäre ein Europaverzicht durchaus angeraten gewesen; dieses „Totalausscheiden“ war doch ehrlich gesagt mit Ansagen.
Sehe allerdings ein, dass dies – gerade wegen der vorhergehenden Erfolge – dem Publikum nicht so leicht zu vermitteln gewesen wäre.
Insgesamt war man wohl zu abhängig von dem (Erfolgs-) Trainer; hatte man je über alternative Zukunftsoptionen nachgedacht? Aus der Ferne wirkt es nicht so.
Es ist illusorisch, mit einem Zweitligakader und unerfahrenem Coach die Klasse halten zu können, gerade in DIESER ausgeglichen starken Saison, wo bis auf 3-4 Teams alles in die Playoffs drängt.
Vernünftig wär’s, sich JETZT zu überlegen, auf welche Weise und mit welchem Coach (das kann auch Meeks sein) man 2013 oder 14 wieder aufsteigen kann.
Und das meine ich im besten Sinne – PRO Göttingen.
Wenn ASC und BG74 zukünftig an EINEM Strang ziehen, sehe ich da schon mal solide Grundlagen, die in die richtige Richtung weisen.
<>
Das haben damals viele geglaubt, und dann hat es sich herausgestellt, daß die Starting Five GmbH einen Schuldenstand zwischen 580.000 und 785.000 €uro hat, lt. Insolvenzverwalter.