Leiden für Deutschland – Deel twee

Nach „Holland“ fahren ist ja so ne Sache. Politisch korrekt muß man ja in „die Niederlande“ fahren. Ein Plural, damit tut man sich bei Aufenthaltsorten naturgemäß irgendwie schwer, so als langweiliger Durchschnittsmensch mit nur einer Persönlichkeit. Auch der DBB hatte Mühe, die vielen Gegner in der PM unterzubringen, verhakt sich im Gestrüpp der Mehrzahl und meinte der nächste Kontrahent „ist die Niederlande“. Ist ja auch irgendwie unfair gleich gegen so Viele antreten zu müssen.

Gießengedächtnisfreiplatz Haarlem

Gießengedächtnisfreiplatz Haarlem

Kein Wunder, dass so viele Deutsche auf das bequeme „Holland“ ausweichen. Was die Holländer gerade von Deutschen gar nicht mögen, selbst aber gleichzeitig völlig seelig „Hup, Holland, Hup“ intonieren, während sie gleichzeitig inbrünstig in ihrer Nationalhymne – und nicht zu Unrecht – bekunden, sie seien „von deutschem Blut“. Das alles ist verwirrend und eigentlich nur mit viel altem Gouda (Kaas vor Kerels) oder ähnlichem Stoff auszuhalten. Die Niederländer sind da auch recht schmerzfrei, nicht nur haben sie kurzerhand Artikel und Fälle abgeschafft, sondern auch das „Koninkrijk der Nederlanden“ der Einfachheit halber in „Nederland“ umgetextet, Singular also. Wie gesagt, das alles erfordert für die Deutsche Reisegruppe größere Portionen Calvé Erdnußbutter oder ähnliche psychotrope Substanzen. Diese gibt es dort genug, man muß nur an den unfassbar guten „vers geperst“ denken. Einen direktgepressten Naturfruchtsaft der Supermarktkette ah, dessen verheißungsvoll dunkelrot glitzernde Variante „appel, peer, framboos“ so nichtbeschreibbar, sinnenvernebelnd lekkerrrr ist, dass ich auf der Hinfahrt zur Überraschung aller Mitfahrer bereit war, aus Platzgründen so ungefähr alles daheim zu lassen, außer der leeren Kühlbox. Diese war selbstverständlich zum Ex- und Import größerer Mengen versgeperst gedacht. Auf der Rückfahrt hat niemand mehr über mich gelacht, der blanke Neid regierte.

In den Niederlanden ist alles putzig. Das einzige was dort nicht putzig ist sind die Niederländer selbst. Diese Weisheit stammt aus dem ironisch-bösartigen Sternartikel über unsere Nachbarn, der solch ätzenden Spitzen setzt, wie sie eben nur die größte Zuneigung kreieren kann.  Putzig ist dort auch der Baketball. Das ganze Turnier in Leiden ist in seiner charmanten Unprofessionalität K-u-l-t. Keine Cheerleader, keine pausenlose Musikbedröhnung, kein Popcorn, keine ständige Werbung. Eine stickige Alu-Halle ohne Fenster, sans Sauerstoff, quietschende Turnschuhe, brüllende Trainer, vor Schweiß triefende Spieler ca. 5 cm vor dir, gut hörbare Flüche in allen Sprachen, nur 1 Toilette, keine Parkplätze, keine Anbindung an ÖPNV, kaputte Kartenscanner, dafür eine Namensliste (!) am Eingang und jeder Zuschauer wurde de facto namentlich und per Handschlag begrüßt. Der Ansager verkündet nicht nur die Spielernamen, brav und möglichst nah am Original, übers Mikro, sondern auch, dass er die nun zu verlesende Sponsorenliste leider verlegt habe. Bei 25°C Außentemperatur sinds innen und oben in der Metallschachtel an die 40°C usw. Dazu eine der schönsten Städte der Welt und die leckersten Kartoffeln überhaupt. Kurz: es ist perfekt.

Nicht nur die Grachten, Museen und das tolle Universitätsviertel müßen unbedingt durchschlendert werden, ein Besuch bei unseren neuen coolen Freunden von www.jacketz.nl ist unbedingte Pflicht. Dort gibt es bewußtseinsspaltend gute backed potatos mit gesunden Zutaten und kostenloses WiFi.

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Nach ausreichender Stärkung und lohnenswerter Stadtbesichtigung gehts zurück in die Halle. Am ersten Tag traf Deutschland auf die extrem robust und körperbetont spielenden Belgier und hielt sehr gut dagegen. Lucca Staiger, Steffen Hamann, Tibor Pleiß und Jan Jagla waren sehr gut drauf, gegen die Zone gab es Schwierigkeiten, aber letztendlich wurde recht souverän gewonnen. Der nächste Abend gegen die gastgebenden Niederlande sollte etwas anders verlaufen. Der Beginn war bei unserer Nationalmannschaft, wie so oft dieses Jahr, vielversprechend und die Halle zum einzigen Mal richtig voll und laut. Lucca Staiger erzielte 11 Punkte ohner Fehlschuß im ersten Viertel und Deutschland hatte alles im Griff. Als Oranje aber die Verteidigungsart wechselte und auch aggressiver wurde, war es wie abgeschnitten. Dazu kamen noch häufige eigene Spielerwechsel, der Rhythmus war futsch. Die Niederländer spielten sich ohne ihren anwesenden NBA-Star Francisco Elson, aber angeführt von einem sehr starken Henk Norel (Joventut Badalona), Kees Akerbom und Robin Smeulders in eine Art Rausch und als der Neuoldenburger Deutsche im Niederländischen Nationaltrikot kurz vor Schluß den entscheidenden Offensivrebound abgriff, war die deutsche Niederlage zum Jubel der Hollandhüpper besiegelt. Smeulders hat sich bei uns durch beherztes und intelligentes Spiel viel Respekt erarbeitet. Falls Krunic ihn spielen läßt, werden die EWE Baskets dieses Jahr viel Spaß an ihm haben. Gute Wahl, sehr sympathischer Typ.
Der Abschlußtag brachte ein Aufeinandertreffen mit Schweden (mit Ex-Frankfurter Rudy Mbemba und als Cotrainer Ex-Gießener Torbjörn Gehrke) und die Chance, trotz der arg bescheidenen Vortagspartie gegen die Gastgeber, doch noch Turniersieger zu werden, weil NL zuvor gegen die noch ungeschlagenen Schweden mit NBAler Jonas Jerebko verloren hatte. Auch ohne die aussetzenden Jagla und Musketierbärtchenträger Hamann (Jubilar mit 100. Länderspiel) gelang dies sehr souverän mit einer geschlossenen Teamleistung. Nach dem Turniersieg im Nationscup von Leiden hatte man das Gefühl, dass die Teamchemie sehr stimmt, alle waren gut und locker drauf, aber konzentriert auf dem Feld. Größtes Problem der Mannschaft schien die Reaktion auf die Gegenmaßnahmen des anderen Teams zu sein. Man startete fast immer sehr gut, wenn dann aber der andere Coach reagierte, bekam man selbst keine adäquate Reaktion mehr aufs Parkett. Wenn zusätzlich noch eigene häufige Wechsel damit parallel liefen, schaute das Team gar nicht mehr souverän aus. Erfreulich auf jeden Fall die Form und das Auftreten von Lucca Staiger. Raus aus der Kabine sah man schon beim ersten Dribbling, wie gut er gelaunt und in Form war – ein ganz anderer Bewegungsablauf als direkt nach seiner Ankunft aus den USA. Auch Robin Benzing hat deutlich sichtbar an seiner Fußstellung bei der Landung aus der Bewegung zum Schuß und dem „Follow-through“ gearbeitet. Vorbildlich, wie sein MJ-1998-Gedächtnishandgelenk da in der stickigen niederländischen Hallenluft stand. Hat Spaß gemacht, die Fort-Schritte im wahrsten Sinne des Wortes live zu sehen. Macht Lust auf mehr auf dem Weg in die Türkei.

Sieger Nations Cup Leiden, NL

Sieger Nations Cup Leiden, NL

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