gruebler bloggt: Das Recht am eigenen Text

Aus gegebenem Anlass mal was ohne Sport. Heute bekamen wir mal wieder eine Mail von einem Contentaggregator. Das sind Webseiten/Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, fremde Blogposts zu sammeln und auf der eigenen Webseite gespickt mit Werbung zu veröffentlichen. Diesmal war es paperblog.com. Wer die Mail von „Johanna“ lesen will, kann das z.B. hier tun. Seit der Beta-Phase hat sich die Textvorlage allenfalls geringfügig verändert. Unsere Anwort war klar: Nein, wir wollen nicht ins Paperblog und auch nicht bei anderen Newsaggregatoren gesammelt werden.

Und dies eben nicht nur, weil doppelter Content für Google ein No-Go ist, sondern weil wir durchaus gerne die Kontrolle über unsere Texte behalten wollen. Denn Paperblog schreibt in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

2.2 Die Rechteübertragung umfasst insbesondere das nicht ausschließliche, weltweite, zeitlich unbeschränkte Recht, die Inhalte vollständig oder teilweise, zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen sowie das Bearbeitungsrecht, insbesondere für Übersetzungen und Kürzungen der Inhalte. Dies gilt für alle technischen Formate und für sämtliche Datenträger und Übertragungswege.

Auch wenn Paperblog in der SpamWerbe-E-Mail einen Link zum Blog verspricht, sieht es in der Praxis – und den AGB anders aus. Dort ist dann nämlich nur noch von einem Link zum Paperblog-Profil des Bloggers die Rede.

2.5 Die PaperBlog verpflichtet sich unter jedem Inhalt einen Link zum Profil des Bloggers zur Verfügung zu stellen, um den Blogger identifizieren zu können sowie spätestens im Profil des Bloggers einen Link bereitzuhalten, mittels dessen man auf den Blog direkt zugreifen kann.

In der Praxis gibt’s nen Button „Original-Artikel zeigen.“

Kontrolle über die eigenen Artikel ist durchaus wichtig, wenn man dann doch mal was richtigstellen muss, oder sachlich falsches korrigieren. Fehler passieren, aber wenn sich ein Newssammler deinen Text per RSS gesaugt hat und selbst veröffentlicht, wird das schwer. Und da lauern noch ein paar fiese Fußangeln bei Paperblog.

Erstens könnte ich eine Zustimmung nur mit einem Monat Vorlauf und nur für die Zukunft widerrufen, zweitens wäre ich in dem Fall schadensersatzpflichtig (sic!):

2.6 Gemäß Artikel L 121–4 des französischen Gesetzes zum Geistigen Eigentum kann der Blogger der PaperBlog das Recht entziehen, seine Inhalte zukünftig zu nutzen. Der Rückruf der Rechte wird einen (1) Monat nach Bekunden dieses Wunsches seitens des Bloggers wirksam und kann zur Folge haben, dass die PaperBlog Schadensersatz vom Blogger für den ihr durch den Rückruf des Inhalts entstandenen Schaden einfordert.

Ergo: Ich verliere die Kontrolle über meine Texte, soll aber für jede Abmahnung vollumfänglich haften:

3.3 Der Blogger wird PaperBlog von sämtlichen Ansprüchen Dritter (einschließlich angemessener Kosten der Rechtsverteidigung), aus welchem Rechtsgrund auch immer, wegen Rechtsverletzungen im Rahmen der Inhalte auf erstes Anfordern freistellen.

Ach so, was will mir Paperblog dafür bieten? Nichts außer der Aufnahme in ihr Verzeichnis…

Insofern, liebe Johanna: Danke, nein. Das sehe nicht nur ich so. Eine Auswahl der umfangreichen Kritik:

Es gibt natürlich auch einzelne Blogger, die es positiver sehen:

Einige Links davon habe ich gefunden habe ich bei Windwellenwörter.

Wie, du willst nicht verlinkt und zitiert werden?

Doch, natürlich freuen wir uns, wenn jemand einen Text von uns so toll findet, dass er ihn bewerben will. Nur auf die Form kommt es an.

Links sind immer klasse. Ein knappes Zitat im eigenen Blogpost plus Link zu unserem Blogpost ist fast noch besser, dann gibt’s auch Trackbacks und man spielt sich gekonnt die Bälle zu. Für Zitate und Links in Foren gilt das gleiche. Über Zitat und Nennung im Print freuen wir uns übrigens auch… Credit where credit is due ist ein Grundsatz, den die professionell schreibende Zunft im Umgang mit Bloggern auch gerne häufiger beherzigen kann. WordPress-Kollegen dürfen auch gerne rebloggen. Nach Absprache freuen wir uns auch, wenn uns mal ne befreundete Seite anteasert und für den ganzen Text dann aufs Blog verweist, nur eben nach Absprache. Die BBL Fanzone hat das letztens mit einem schon sehr langen Teaser gemacht.

Nachtrag

Eines muss man Paperblog aber lassen. Sie reagieren auf Mails und haben zugesagt, meiner Bitte, zukünftig keine Mails mehr von ihnen zu bekommen, zu entsprechen.

12 Gedanken zu „gruebler bloggt: Das Recht am eigenen Text

  1. Interessant wäre sicherlich auch die Detailfrage, welchen Blog ein Blogger denen eigentlich übereignet. Ist der Blog auch dann noch übereignet, wenn gruebelei.de auf einmal grübelei.de wäre, oder handelt es sich um einen anderen, nicht abgetretenen Blog? Schon in diesem Punkt sehe ich – als juristischer Laie – ein großes Angriffspotential.

    Zu befürchten ist, dass die sehr restriktiven und einseitig den Anbieter bevorteilenden AGBs mit ebensolcher Dreistigkeit verteidigt werden. Beispiele gibt es ja reichlich dafür, dass die Firmen, die die unausgewogensten Geschäftsmodelle praktizieren, auch die rigorosesten Methoden der Durchsetzung ihrer Bedingungen exerzieren.

    Allerdings bin ich auch kein Freund der pauschalen These der vielen armen „Unwissenden, die drauf reinfallen“. Wer einen Vertrag abschließt, sollte die IMO nur tun, wenn er ihn auch versteht und die Konsequenzen zumindest größtenteils abschätzen kann. Andernfalls sollte er es eben lassen. Die judikative „Vollkasko gegen Ahnungslosigkeit“, die etliche Bereiche des Verbraucherrechts in Deutschland zu Minenstreifen für Unternehmer/n gemacht hat, erzieht zumindest nicht zu verantwortlichem Umgang beim Vertragsschluss, sondern fördert die Ahnungslosigkeit eher.

    • Naja, man muss schon in Rechnung stellen, dass paperblog bei der Rekrutierung mindestens auf die Naivität der Blogger, wenn nicht gar auf deren Unwissenheit spekuliert. Wenn man sich die Anschreiben, die im Netz so kursieren und oben verlinkt sind, anschaut, dann fällt auf, dass seitens paperblog nur so schwammige Formulierungen wie „schau dich doch mal bei uns um“ verwendet werden, um evtl. auf die rechtlichen Bedingungen hinzuweisen. Da kann man doch gar nicht zu einem anderen Schluss kommen, als den, dass mit dieser Unwissenheit/Naivität/Fahrlässigkeit verdient werden möchte.

      Dennoch ist es bedauerlich, wie sorglos einige mit ihren Autritten im Netz umgehen.

    • @Enno bringt es auf den Punkt. Im Anschreiben von Paperblog fehlt a) jeder Hinweis auf den Betreiber und b) jeder Hinweis auf die AGB. Letztlich ist es „nur“ eine Aufforderung zur „Registrierung“ auf der Webseite, d.h. dem Vertragsschluss unter Zugrundelegung der zitierten AGB. Ob man die Essentialia des Vertages so in den AGBs verstecken kann, darüber kann man sicherlich vortrefflich streiten.

  2. @Enno:

    Dass die sich im Auftreten beim Kundensammeln lieb, nett und harmlos geben, bestreite ich gar nicht. Es ist doch aber generell in der Werbung der Fall, dass Emotionen geweckt werden (müssen), die ein Produkt übernatürlich strahlen lassen. Da wäscht ein Waschmittel noch weißer, kann man gesunde Vitamine naschen oder eine Versicherung macht das Leben sorgenfrei.

    Aber das kann doch nicht die Verantwortung vom Kunden nehmen, die Verträge, die er schließt zu kapieren. Das ist doch die absolute Basis dafür, sie überhaupt zu schließen.

    Dass ein Unternehmen, dass höchst fragwürdige Geschäftsbedingungen vereinbaren möchte, ausgerechnet auf besonders freundlich, nett und uneigennützig „macht“, ist definitiv kritikwürdig.* Das will ich nicht in Abrede stellen. Allerdings sollte der Kunde genau bei „uneingeschränkt positiver“ Werbung besonders argwöhnisch sein, da kaum noch Altruisten geboren oder besser aufgezogen werden. Wer das noch nicht verstanden hat, hat die vielen Jahre Übung, die wir alle im umgang mit Werbung haben, nicht wirklich gut genutzt. ;-)

    * Das ist aber hauptsächlich eine moralische Frage, finde ich.

    • Ja, da stimme ich dir uneingeschränkt zu. So und nicht anders sei meine Aussage, dass es leider viele Unwissende gibt, die darauf hereinfallen, zu verstehen. Es ist bedauerlich, dass es genug Dumme gibt, sodass sich solch ein Geschäftsgebahren auch noch lohnt.

  3. Ein vergleichbares Spiel findet statt, wenn man eine Firma im Handelsregister einträgt. Man wird vielfach angeschrieben, sich in irgend ein nutzloses Register eintragen zu lassen. Die Schreiben sehen offiziell aus, es ist aber pure Abzocke und kann bis zu mehreren hundert Euro kosten.

    Es ist sehr wichtig, bei solchen „Angeboten“ genau hinzuschauen. Kudos an @gruebler für die gesteigerte Aufmerksamkeit!

  4. Hallo, das Projekt hört sich sehr nach „Huffington Post“ an.

    Ein Blog hatte über den Kauf von Huffington Post geschrieben:
    „[l] AOL kauf Huffinton Post. Also ich finde, da waechst zusammen, was zusammengehoert. Dei Huffpost war ja in der letzten Zeit nicht mehr auszuhalten. Ein community-driven Tabloid quasi. Apropos community driven: Wieder zeigt sich, was fuer eine Abzocke „User Generated Content“ ist. Die Autoren bei der Huffpost waren ja alles freiwillige Helfer und haben zum Erfolg beigetragen. Dennoch kriegen sie nichts von den $300 mio ab. „If you are not paying for it, you’re not the customer; you’re the product being sold.“

  5. Von der Rechteeinräumung und Haftung her sehe ich da keine großen Probleme, das ist so üblich und geht auch nicht anders, sonst müsste der Betreiber ja jedes Fitzelchen auf Urheberrechtsverstöße überprüfen, das ist unmöglich.

    Es ist einfach nur ein sehr schlechtes Angebot, weil man keine wirkliche Gegenleistung bekommt.

  6. Pingback: Henning Uhle | Paperblog – Spam und Unfug

  7. Yeah! Auch ich habe heute so eine „tolle“ Anfrage einer gewissen „Julia“ bekommen. Die glauben doch tatsächlich, dass ich so minderbemittelt bin, bei dem Sch… mitzumachen. Tu ich aber nicht. Ätsch!

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