Bericht aus Treviso – Reebok Eurocamp 2009

Vor gut 10 Tagen fand das bereits traditionelle Reebok Eurocamp 2009 in Treviso statt. Die besten U22 Spieler Europas liefen auf. Aus Deutschland durfte sich Johannes Lischka der internationalen Basketballcommunity und den NBA-Scouts präsentieren.

Christophe von europeanprospects.com und ballineurope.com war vor Ort und hat für gruebelei.de – und ausnahmsweise auf Deutsch – einen ausführlichen Bericht geschrieben, den es hier als Gastbeitrag zu lesen gibt. Es ist eine bemerkenswerte Analyse des deutschen Umgangs mit Talenten aus der Sicht von Außen. Vielen Dank dafür!

Nach jahrelangem Schreiben in Englisch werde ich mich heute mal auf Deutsch äußern. Bei nachhaltigem Interesse ist dies ja vielleicht auch eine Idee die man in Zukunft noch das ein oder andere Mal wiederholen kann.

Vor gut 10 Tagen fand das bereits traditionelle Reebok Eurocamp in Treviso statt. Bei dieser alljährlichen, mehrtägigen Veranstaltung im Trainingszentrum von Benetton Treviso treffen sich auf Einladung des Hauptsponsors und in Zusammenarbeit mit dem International Scout der Minnesota Timberwolves Pete Philo die besten U22 Spieler Europas.

Wer beim Camp aufläuft

Eingeladen werden gewöhnlich die Spieler, die in dem jeweiligen Jahr automatisch im NBA Draft Spieler Pool sind (dieses Jahr die 1987 geboren Spieler), eine Reihe von Spielern die sich als Early-Entrants für den NBA Draft angemeldet haben sowie eine Reihe Spieler die als „Next Generation“ bezeichnet werden und als zukünftige NBA Draft Kandidaten für die kommenden Jahre gehandelt werden. Im Ganzen macht das jedes Jahr um die 50 Spieler insgesamt die in Treviso vorbeischauen, einige sind nur an einem Tag präsent wohingegen die meisten jedoch das gesamte Camp durchziehen. Das Camp besteht aus zwei Parts: Morgens werden in Anleitung von einer ganzen Armee von Coaches einfachste Drills durchlaufen, Systeme eingeübt und Shooting Competitions durchgeführt; am Nachmittag wird dann 5-gegen-5 gespielt und jeweils kommt dann noch ein All-Star Spiel unter Camp Teilnehmern oder gegen externe Gegner (diese Jahr das U18 Team von FMP Belgrad, letztes Jahr die U20 aus Frankreich oder die A2 aus der Ukraine) dazu.

Das Camp war dieses Jahr DAS grosse Event vor dem NBA Draft. Alle 30 NBA Teams waren in Treviso vertreten entweder durch ihre respektiven Scouts, GMs oder Headcoaches. Dazu kamen eine grosse Anzahl von Agenten, Spielerberatern, Coaches, Journalisten und natürlich die Vertreter von europäischen Profiteams. Wenn man sich so umschaute sah man eine massive Präsenz aus Italien (nicht verwunderlich), aus Spanien und aus Moskau. Andere Länder waren da eher weniger präsent was insbesondere auch auf Deutschland zutraf.

Die gesamte deutsche Präsenz liess sich auf jeden Fall an den Fingern einer Hand abzählen und man könnte sie, wenn man auch die mit Deutschland in irgendeinerweise verbunden dazuzählt als Ex-Skyliners Fraktion bezeichnen. Nicht weniger als 3 Ex-Frankfurter waren in Treviso dabei, Simon Cote (ex- Assistant Coach der Skyliners und Ex-Head Coach der Giessen 46ers) als Camp Coach, Steven Clauss (ex-Assistant Coach der Skyliners und Ex-Leiter der Rhein-Main Basketball Academy) als DBB Sportdirektor und Camp Veteran sowie Charles Barton (ex-Head Coach der Skyliners) als interessierter Beobachter. Dazu kamen als einzige aktuelle Bundesliga Repräsentanten nur John Patrick aus Göttingen und Gerald Wasshuber aus Giessen sowie ein paar weitere in Deutschland bekannte Gesichter wie Geert Hamminck oder Pat King (beide Agenten) oder Narcisse Ewodo. Soviel zur Tribünenseite. Auf dem Spielfeld war die deutsche Präsenz noch geringer da mit Johannes Lischka nur ein einziger Deutscher sich im Teilnehmerfeld befand. Eventuell könnte man ja noch den in Deutschland aufgewachsenen Fernando Raposo dazuzählen, aber zu ihm später noch etwas mehr.

Auch die vorherigen Jahre waren deutsche Spieler in Treviso eher Mangelware. Alex King, Peter Fehse, Anton Kazanowski und Philipp Schwethelm sind die einzigen deutschen Spieler die die Jahre vorher dabei waren.

Johannes Lischka

Dieses Jahr war also Johannes Lischka der einziger Vertreter und man kann sagen dass er im grossen und ganzen einen positiven Eindruck hinterlassen hat. Von den Stats her war zwar vielleicht nur das dritte und letzte Spiel überzeugend aber in diesem Umfeld wo viele Spieler sehr das Einzelspiel bevorzugen um zu zeigen was sie drauf haben ist es schwer als Innenspieler. Ja, Johannes Lischka war in Treviso als PF/C gelistet was ihn selbst auch zu einem breitem Grinsen veranlasste. So kam es dass er das ganze Turnier auf der 4 spielen musste, und das gegen Spieler die im Durchschnitt wohl eher an die 2m10 rankamen als an die 2m. Im letzten Spiel dann konnte Jo richtig überzeugen da er endlich auch mal im Angriff den Ball bekam da die grossen „Ballfresser“ nicht mehr beim Camp waren. Da kamen dann auch tolle Zahlen heraus: 18 Punkte, 9 Rebounds und 3 Steals bei durchlaufenden 40 Minuten standen am Ende zu Buche. Dies reichte jedoch nicht um das Interesse eines ausländischen Clubs auf sich zu ziehen. Jo wird wohl nächstes Jahr in Giessen spielen und falls die 46ers in die ProA absteigen, dann wird es den Forward höchstwahrscheinlich nach Braunschweig oder Köln ziehen.

Fernando Raposo

Ein weiterer Spieler, der zwar momentan nicht als Deutscher gilt, aber dennoch mit der Bundesrepublik in Verbindung steht, ist Fernando Raposo. Der Power Forward hat letzte Saison in Frankreich bei Pau-Orthez gespielt und dort auch den Durchbruch bezüglich Spielzeit in der ersten Liga geschafft. Leider waren die sportlichen Resultate des Teams nicht so toll, der Traditionsverein muss nächstes Jahr in der ProB antreten.

Raposo hingegen wird den Verein wohl verlassen, zwar nicht in Richtung NBA da er seine Early-Entrance zurückgezogen hat. Seinen doch immer noch etwas undurchsichtigen Nationalitätsstatus (Raposo war in Treviso als Portugiese gelistet, er ist jedoch dabei die französiche Staatsanghörigkeit zu bekommen und der DBB hat auch noch nicht eine deutsche Einbürgerung abgeschrieben) mal beseite gelegt, wäre Raposo sicherlich für Bundesliga-Vereine eine interessante Alternative. Das Kölner „Team Germany“ wäre sicherlich eine interessante Option, da es ja in Deutschland an talentierten BigMen mangelt, und mit der Hintergrundhilfe von Dirk Bauermann wäre bestimmt auch ein Platz als Deutscher Spieler mittelfristig für Raposo in der Bundesliga möglich. Die athletischen und körperlichen Voraussetzungen bringt der gebürtige Stuttgarter auf jeden Fall mit, den nötigen spielerische Schliff könnte ein Coach wie Zoran Kukic ihm sicherlich beibringen. Man wird sehen, wie es mit Raposo nächstes Jahr weitergeht.

Die Frage, die jedoch offen bleibt, ist, ob es überhaupt deutsche Teams gibt, die an Raposo interessiert sind. Auf jeden Fall hatte sich kein Bundesligist neben den Obengenannten nach Treviso bemüht, um sich über Raposo zu informieren. Dazu kann man sich insgesamt fragen, wieso so wenige deutsche Teams oder Trainer in Treviso präsent waren. Wenn man die Liste der Leute mit Bundesligabezug, die in Treviso waren, durchgeht, fällt einem auf, dass darunter genau Null Deutsche waren. King, Clauss, Cote und Patrick stammen aus den USA, Hamminck ist Niederländer, Ewodo aus Kamerun und Wasshuber aus Österreich. Zum Zeitpunkt des Camps waren nur noch 4 Bundesligisten in den Playoffs aktiv, wieso haben die anderen sich nicht für das Camp interessiert? Es geht ja nicht nur darum dort Spieler zu sichten, die eventuell interessant wären für das eigene Team, es geht auch darum Kontakte zu pflegen und vor allem um den aktuellen Leistungsstand des europäischen Jugendbasketballs zu verfolgen. Dazu gibts auch noch gratis Coaching Clinics von europäischen Top Coaches wie Spahija oder Messina. Der Kostenpunkt ist auf jeden Fall kein Faktor, da Treviso sehr einfach per Billigflieger zu erreichen ist und die Stadt selbst auch nicht gerade für überteuerte Hotels beakannt ist. Aber es scheint wohl in Deutschland niemand an jungen talentieren Spielern wie David Huertas, Terrence Oglesby, Adam Hanga oder eben Fernando Raposo interessiert zu sein, die sicherlich auch für einen Bundesligahaushalt zu finanzieren sind.

Warum waren nicht mehr Deutsche in Treviso?

Dann komme ich auch schon zu meinem letzten Punkt und das ist die Frage wieso neben Jo Lischka sonst keine Deutschen Spieler in Treviso dabei waren. Letztes Jahr hat es ja noch Philipp Schwethelm geschafft einen Campplatz zu ergattern. Doch dieses Jahr war neben dem Giessener Forward keiner, der die Schwarz-Rot-Goldene Flagge hochhielt. Wieso sind talentierte Spieler, die auch eine Profikarriere dem College-Traum vorziehen, wie zum Beispiel ein Robin Benzing oder ein Maurice Stuckey nicht in Treviso dabei?

Neben dem vielleicht zu großen Talentpool aus Europa gibt es meiner Meinung nach noch einen anderen Grund für diese Tatasche. Schwethelm und Lischka werden bei von der Agentur Courtside vertreten, sie haben also einen Agenten der sich um deren Zukunft kümmert und weiss welchen Wert dieses Camp für seine Spieler hat. Die beiden jungen Spieler haben also jemanden, der die nötige Hintergrundarbeit macht, um für die Spieler auch eine finanzielle Zukunft aufbieten zu können. Agenten werden generell jedoch in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, als „schwarze Schafe“ im Basketball Business verstanden. Und man hört immer wieder, dass Spieler von ihren jeweiligen Trainern „versteckt“ und zurückgehalten werden, damit die „boösen“ Agenten nur ja nicht an die Spieler rankommen. Dabei kann ein Agent auch Gutes für einen Spieler tun, wie zum Beispiel neben dem rechtlichen Beistand in Vertragsverhandlungen auch interessante Chancen wie eine Teilnahme beim Reebok Eurocamp ermöglichen.

Dies ist neben anderen auch einer der Punkte, wo es in Deutschland noch einiges an Nachholbedarf gibt und wo die weitere Professionalisierung vorangetrieben werden sollte. Europäisches Scouting lohnt sich momentan nicht wirklich für Bundesligateams mit der aktuellen 8+4 Regelung. Es gibt Teams, die dort auch mal etwas anderes probieren und einen EU-Spieler holen, aber diese sind allgemein noch in der Minderheit. Ich plädiere daher für eine europaweit einheitliche Regelung was Ausländerpositionen im Profibasketball angeht. Dies würde dann bestimmt auch die deutsche Präsenz in Treviso oder bei anderen Jugendbasketballevents verstärken.

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11 Gedanken zu „Bericht aus Treviso – Reebok Eurocamp 2009

  1. @af4e
    zu den verschiedenen Camps und Summer Leagues in Las Vegas werden mindestens 8-10 deutsche Headcoaches oder sonstige BBL Vertreter reisen

  2. Danke für den ausführlichen Bericht!

    Man kann nur hoffen das die ganzen deutschen Vereine irgendwann aufwachen und sich mehr um den Nachwuchs kümmern.

    • Dann verlinkt mal fleissig, damit ich Christophe ganz tolle Zahlen präsentieren kann ;-) Oder noch besser: Der eine oder andere Profi aus der Trainer- und Funktionärsriege ins Grübeln kommt.

  3. was für ein bullshit. warum sollte ein bbl trainer ausländische jugendspieler anschauen? jungs, die jetzt schon mehr als die meisten bbl spieler verdienen. dazu ausländer, bei denen quotenliebhaber das kalte grauen über den rücken läuft. agenten sind da um mit den jungs geld zu verdienen. nba teams sind da um die talente zu kaufen. deutsche trainer könnten sich dort nur entspannt basketballspiele anschauen, damit christophe sich freut jemanden aus der bbl zu sehen.

  4. sehr informativ geschrieben. danke. auch die FIVE hat es dieses jahr nicht nach treviso geschafft. vergangenes jahr war jan hieronimi noch für uns da. und das jahr davor (oder war es vor drei jahren?) jan und ich.

    deshalb auch die kurze anmerkung, dass drei deutsche talente fehlen in der aufzählung derer, die in den letzten jahren in treviso waren: nico simon, lucca staiger und tim ohlbrecht. die habe ich beim letzten besuch in terviso nämlich alle drei beobachten können.

  5. also wenn man sämtliche rosters und boxscores auf der offiziellen webseite des camps durchforstet, dann tauchen hier von 2003-2009 nur folgende deutsche auf:

    2003: Peter Fehse, Alex King
    2004: Alex King
    2005: keiner
    2006: Alex King
    2007: keiner
    2008: Johannes Lischka, Philipp Schwethelm
    2009: Johannes Lischka

  6. Hyeres-Toulon aus Frankreich hat den Kasachen Anton Ponomarev verpflichtet, für 4 Jahre. Der Spieler war in Treviso auf dem Camp und hat dort eine ordentliche Leistung abgeliefert. Ponomarev wäre sicherlich auch für deutsche Teams interessant und finanzierbar gewesen

  7. Sven erinnert sich richtig, aber auch wieder falsch:

    Wir waren zwar gemeinsam in Treviso, jedoch damals nicht für das Reebok EuroCamp, sondern für das von Nike gesponserte Basketball Without Borders. Darum waren auch so viele NBA-Spieler vor Ort, von Dirk bis AK47. Damals liefen in der Tat Nico Simon, Lucca und Tim auf und lieferten auch eine sehr solide Leistung ab.

    2007 waren Martynas Mazeikas und Rudy Mbemba (Schreibweise?) die einzigen aus der BBL oder DE bekannten Gesichter – keine Deutschen.

    2008 räumte Philipp Schwethelm mal so richtig mit dem Vorurteil auf, dass DE keine Athleten produzieren könnte … Und Johannes Lischka war 2008 und 2009 dabei.

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