Wat fott es es fott

Artikel 4 des kölschen Grundgesetzes. Weine den Dingen nicht nach. Was fort ist, ist fort. Der Versuch eines Nekrologs über einen Club, der mehr war als ein Karnevalsverein, auch wenn wir ihn mehr als einmal so besangen.

Das zweite Kapitel des Bundesligabasketballs in Köln ist heute nach acht Jahren zu Ende gegangen. 1999 als Cologne 99ers gegründet, 2001 per Wildcard in die Basketball-Bundesliga aufgenommen, haben nun die Köln 99ers Insolvenz angemeldet und es ist seit heute offiziell, dass der Spielbetrieb in den Profiligen beendet ist. Die Lizenz der Köln 99ers ist seit heute weg. Die ProA und ProB werden sie nicht aufnehmen.

Der schnelle Erfolg

Welch ein Jubel und welch eine Aufmerksamkeit schlug dem mit der Rhöndorfer Lizenz 2001 in die Bundesliga gekommenen Team entgegen. Bis auf Bonn hatten alle Clubs (auch Gießen) der Lizenzübertragung zugestimmt. Trainiert von ALBAs Meistermachen Svetislav Pesic, ein Kader dessen Namen auch heute Basketballfans noch kennen: Sasa Obradovic, Zoran Kukic, Vladi Bogojevic, Steven Arigbabu, Johannes Strasser und viele mehr…

Mit viel Geld und unter verschiedenen Namen (RheinEnergy Cologne, RheinEnergie Cologne, RheinEnergie Köln, Köln 99ers) wurden beachtliche Leistungen erbracht. Drei Pokalsiege 2004, 2005, 2007. Die deutsche Meisterschaft in einem packenden Finale gegen ALBA Berlin 2006. Coach Obradovic holte den Titel in seiner Rookie-Saison. Was habe ich gelitten, es war die erste Saison die ich als ALBA-Fan ganz verfolgt hatte. Aber so richtig böse konnten viele Berliner auch beim Public Viewing nicht sein, denn irgendwie war Köln ja immer auch „unsere Filiale“ und unser Sasa. Und was haben die Kölner gefeiert:

Auch wenn anfangs von einer vollen KölnArena (heute heißt sie irgendwie anders) geträumt wurde, blieb doch eines: Der EnergyDome, gerne auch verspottet als „das Zirkuszelt“. Bauprojekte in Hürth oder zuletzt auch dort am Girlitzweg wurden diskutiert, doch acht Jahre reichten nicht, um Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Unter dem blauen Dach sah man trotzdem so manchen Star aufgehen. Am spektakulärsten vielleicht the Polish Sledge Hammer Marcin Gortat,  nach Ansicht von Fachleuten der wichtigste NBA-Big-Man-Free-Agent-2009.

Ja, richtig gesehen, europäisch haben die Kölner die BBL auch gut vertreten. Eine solide Euroleaguesaison 2007 (in Düsseldorf!), ein ziemlich weiter Ritt 2006 im damaligen FIBA EuroCup (heute EuroChallenge).

ALBA und Köln

Zwischen ALBA und Köln war es irgendwie ein Geben und Nehmen. Erst gingen die Spieler nach Köln und nach der Kölner Insolvenz 2008, als der Mäzen Zimmer seine Zahlungen einstellte, kamen sie zu uns. Aleksandar „Pista“ Nadjfeji und Immanuel McElroy, der MVP der Finalserie gegen Berlin waren fortan eine wichtige Bereicherung für das Berliner Meisterteam 2008.

Von Insolvenzen und mobilen Fristen

Die Zäsur war die Insolvenz im Januar 2008, danach ging es bergab. Der vielleicht längste Thread auf schoenen-dunk.de mit über 3000 Postings beleuchtet alle Facetten und dokumentiert Leid, Missgunst, Freude und viele andere Gefühle der Fans.

Dabei sah es nach der Rettung 2008 so aus, als könne Köln noch einmal von der Schippe springen. Der Hamburger Investor Jürgen Wollny sprang in letzter Minute ein, dabei hatten die Kölner schon erklärt, dass sie den Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung einstellen würden (17:21@SD).  Der Lizenzverzicht war auf den Weg gebracht, nur von der BBL noch nicht angenommen. Die berühmte „mobile Frist“, die Jan Pommer wohl ewig nachhängen wird. „@Drama“ schrieb damals als erster auf schoenen-dunk.de (18:44), dass Köln doch spielen würde. Drei Stunden nach dem Rückzug (20:21@SD) wurde gemeldet: Die Zukunft ist gesichert. Überglückliche Fans fuhren zur Halle und Bejubelten ihr Restteam. Khimki Moskau wartete da längst in der Halle. Auch so ein Club, mit dem Köln irgendwie verbunden war. Schließlich mussten sie dorthin Ademola Okulaja ziehen lassen, der in Köln eine Verletzung auskuriert hatte und nur wenige Spiele für die Kölner bestritt.

Eine verblüffende Erfahrung machten die Kölner nach dem insolvenzbedingten Abschied von Mac, Pista und Toby: Der Nachwuchs, der kann ja richtig spielen. Jungs wie Philipp Schwethelm und Yassin Idbihi standen plötzlich in allererster Reihe und brachten die Saison 2007/2008 zu einem glücklichen Ende.

Eine Nummer kleiner

Nach dem Abschied von Coach Obradovic nach Kiev sollte die Mannschaft unter Flüsterer Prodanovic an diesen Erfolg mit der Jugend anknüpfen. Junge Talente vom Balkan wurden geholt. Guido Grünheid und Yassin Idbihi spielten einige Spiele für Köln. Doch irgendwie war es am Ende wieder ein Team, das geprägt war durch die US Boys, namentlich Hunt, Terrell und Turner. Highlight der Saison war sicherlich die Rückkehr von Michael Jordan, mit dem Hakim zwischen Vor- und Nachnamen. Gerüchteweise mit Teilfinanzierung durch Bamberg kam „ich wäre sonst Pornostar geworden“ MJ zurück. The star was back in town. Dazu – dank guter NBA Connections – die Draftees Edin Bavcic und Stevan Milosevic im Frontcourt. Im direkten Vergleich mit Gießen konnte der Abstieg verhindet werden.

Die Osterkrise 2009…

Nur eines, das ließ die Kölner auch in diesem Jahr nicht los: Die Geldsorgen. Die Hilfeschreie kamen im April. In den Foren erst leise und in Andeutungen und dann deutlich auf Spiegel Online. Doch ein Rettungskonzept wurde präsentiert. Die Gesellschafter legten Geld nach und die Sponsorengelder von RheinEnergie für die nächste Saison wurden angeknabbert.

…und das Team Germany

Doch ein neues Marketingkonzept lag bereit: Die 99ers wollten es anders und besser machen als die meisten anderen Clubs. 2009/2010 sollte der Beginn des „Team Germany“ werden. Der große Wurf: Köln als das Ausbildungsteam für den Basketballnachwuchs. Gerüchteweise sollte es ähnlich dem Zurich Team beim Volleyball werden. 8 Deutsche statt 8 Amerikaner. Viele junge U20 und A2-Nationalspieler standen bei den Kölnern auf dem Zettel. Die nunmehr A-Nationalspieler Tibor Pleiss und Philipp Schwethelm sollten die Gesichter der Mannschaft werden. Die Werbevideos sind längst online:

Doch die Verpflichtungsmeldungen ließen auf sich warten. Von Widerständen in der Liga wurde gemunkelt. Auf den letzten Drücker reichten die Kölner ihre Lizenzunterlagen bei der BBL ein. Vorsichtige Töne in der Pressemitteilung. Währenddessen verpflichteten andere Clubs die guten deutschen Nachwuchsspieler. Gerade auch die Clubs mit wenig Geld. Und die cleveren Ulmer boten Benzing, den die Kölner wohl eingeplant hatten, eine gute Perspektive.

Ein Vermächtnis und Dank

Will nun doch auch jeder mit schmalem Geldbeutel ein bißchen „Team Germany“ sein? Ist dieses Umdenken das Vermächtnis der Kölner? Team Germany ist tot, es leben die Teams Germany? Es könnte ein trügerischer Schluss sein. Ich glaube es erst, wenn ich die Jungs außerhalb von Köln auch auf dem Feld sehe.

Der Kölner Fanclub, die flying flönz trauern in ihrem Forum und sagen Dank:

Danke für sechs aufregende Jahre mit vier Titeln und zwei beschwerliche Saisons.

Danke für leidenschaftliches Engagement all der Menschen, die den Kölner Basketball ermöglicht haben. Danke dafür, dass ihr mit eurem Anspruch und euren Ideen Basketball in Deutschland ein kleines Stück weiter gebracht hat, Fans zuletzt für wirtschaftliche Probleme und Clubs für die Attraktivität eines Team Germany sensibilisiert habt.

Auch per Videoclip nehmen die Fans noch einmal Abschied:

Der Rückzug ist klug, auch wenn es erst einmal das Ende Kölner Bundesligabasketballs ist. Es ist das Ende des freien Falls. Es verdient Respekt, ein junges Team nicht zu verschließen und sich dem weiteren Schlittern von Krise zu Krise zu verwehren.

Es ist nicht das erste Kölner Basketballprojekt, das zu Grabe getragen wird. 1989 erlitt bereits Saturn Köln dieses Schicksal. Zwanzig Jahre später ist es wieder so weit. Ganz totzukriegen ist Basketball in Köln dann wohl doch nicht, was werden wir 2029 sehen? Es bleibt nur zu schließen mit den Worten: Et es wie et es und et kütt wie et kütt.

Nicht fehlen darf der unsterbliche Sound von BAP für die Zwecke der Trauerarbeit. Ein Lied über schwierige Beziehungen – z.B. zwischen dem Kölschen Sponsoren-Klüngel und dem Basketball – und darüber, dass es irgendwann einfach zu spät ist, miteinander zu reden, weil einer fort ist…

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11 Gedanken zu „Wat fott es es fott

  1. Auch geiler Schrittfehler von McElroy (?) im Best-of-Video (ca. Min 2:00). ;) Aber im ernst schöner Artikel, der schlicht und nüchtern die Geschichte zusammenfasst.

  2. Die KölnArena heißt im Übrigen inzwischen Lanxess arena (sic!)…

    Im Frühjahr habe ich (im Einklang mit den Gießener Sprechchören) immer gedacht: „Keine Kohle, Jordan auf’m Feld“, dennoch tut es mir sehr leid für die Kölner Fans. Ich hätte die 99er(s) gerne nächste Saison wieder gesehen…

    Aber Gießen und Köln haben ja so einiges gemeinsam, so z.B. kein Spiel in Liga 2 ;-)

  3. Danke für den Artikel und die klasse Zusammenfassung. Die Videos sind echt super, das Best Of hat was, die Musik dazu (für Rheinländer) sehr passend und bringt einem wirklich fast die Tränen in die Augen! :(

    Das von dem Meisterjahr 2006 ist natürlich auch immer wieder ein Highlight, auch wenns jetzt umso bitterer ist.

    Köln kommt wieder!

    • Das best-of ist ja auch von irgendwelchen Kölner Fans gebastelt. Ich weiß gar nicht mehr, wer es war, aber irgendjemand hatte es ganz ganz schnell auf SD verlinkt. Ging dann in den „Debatten“ unter.

  4. das wurde ja auch zeit! (bitte nicht falsch verstehen: ich bedaure den rueckzug koelns aus der bbl sehr.) nachdem das mit den koeln99ers endlich raus ist, kann alba ja die neuverpflichtungen bekannt geben. philipp schwethelm und tibor pleiss kommen doch wie gerufen! denn mit ex-koelnern hat man an der spree bisher die besten erfahrungen gemacht. oder?

    beste gruesse,
    mrx.

  5. Danke für deinen Beitrag. Aber wieso 2029? Wir kommen doch schon 2019 zurück, 2029 werden wir dann wieder untergehen.

    Und Danke für die Verlinkung auf SD, auch wenn jetzt einige User meinen, daraus ein Politikum machen zu müssen ;)

  6. Ja ja, irgendwie schafft man es in Köln trotz guter Leistungen nicht Basketball heimisch zu machen. Zu übermächtig die Konkurrenz des Fußballs — doch halt, das kann es angesichts der dürftigen Leistungen des FC´s doch nicht sein.
    Die Crux ist, dass in Köln das Wohl des Basketballs von den einzelnen Mäzenen abhängig zu sein scheint. Ich erinnere da ungern die Geschichte in den achtziger Jahren, damals noch Saturn Köln (mit Spielern wie Mike Jaeckel, Michael Pappert und nicht zuletzt Klaus Zander, Stefan Baeck war auch dabei), als Waffenschmidt sein Mäzenentum beendete und Galatasaray den Klub übernahm: Mit der Folge, dass ein Jahr kein Gehalt gezahlt wurde, und der Verein zwei Jahre nach der Meisterschaft in der Versenkung verschwand.
    Damals habe ich drei Jahre lang jedes Heimspiel gesehen. Und dann? Alles weg!
    Aber um ein weiteres Kölsches Gesetz zu zitieren:
    Et Kütt, wie et kütt (Es kommt so wie es kommt).

    Mit Träne im Knopfloch, weil ich wegen Saturn angefangen habe zu spielen,

    Bonifatius.

    P.S. Die Arena heißt jetzt nach einer Schweizer Pharma(?)-Firma:

    Lanxess-Arena

    Mit schönem Jrooß, Bonifatius

  7. Pingback: Was zählt ist unterm Strich « Grübelei – Ansichten eines Basketballfans

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