(OSB schreibt) Es ist auf jeden Fall eine Überraschung, wenn man von Gdansk nach Bydgoszcz fährt. Als erstes kommt man unverhofft auf ein funkelnagelneues Stück Autobahn. So echte richtige Autobahn, die auf der Karte noch als Projekt eingestrichelt ist (aber leider Maut kostet), und dann kommt man nach 2 Stunden Fahrt durchs Nichts und noch 60 km Landstraße in Bydgoszcz an und erschrickt sich. Ein endloses Konglomerat von Wohnhochhäusern und Industrieansiedlungen.
Eben noch in Gdansk, der „Königin der Ostsee“, gewesen und traumhafte Backsteingotik genossen, grüßt nun schon von weitem ein Hügel oberhalb der Stadt. In anderen Orten wäre da ein Schloß oder eine Kirche, ein Dom oder sonstwas. Hier haben ruhmreiche Stadtväter irgendwann einmal beschlossen an prominentester Stelle ein unnachahmliches Plattenbauwalhalla hinzuzimmern, das wahrhaft seinesgleichen sucht. Respekt und Willkommen in Bydgoszcz! Die Umstellung fällt wirklich schwer. Dreck, Lärm, Hitze, Abgase, Staus ohne Ende. Auch die deutsche Mannschaft macht abends gegen die Griechen den Eindruck, als wäre sie mental noch nicht am neuen Spielort angekommen. Aber dazu später mehr.
Doch es gibt auch positive Unterschiede. Hier weiß Jeder, daß Basketball-EM ist. Überall kleine Veranstaltungen und die ganze Stadt ist gepflastert mit Plakaten. Beim zweiten Blick wird klar warum. Man hat eine dermaßen ohrwurmige url für die Webseite gefunden, dass man sich das eben erst beim Plakat #3768 merken kann: www.eurobasketbydgoszcz2009.pl
Vor der Abfahrt in Deutschland haben wir uns natürlich mit allem möglichen Material eingedeckt. Sprachführer, Reiseführer, Landkarten. Beim Landkartenschauen während der Fahrt fällt vor allem Eines auf. Die Karten sind neuesten Datums, einmal Shell, einmal Tessa. Trotzdem ist von jedem noch so kleinen Ort immer auch ein deutscher Name angegeben. Das fand auch ich gleich merkwürdig, die Polen mögen es jedoch gar nicht. Verständlicherweise. Das mag einmal vor knapp 70 Jahren noch „Deutsch Krone“ geheißen haben, heißt jetzt aber nun mal Walcz. Warum werden die Karten noch so gedruckt? Aus zweisprachigen Gebieten kennt man das. Die „deutschen“ Orte in Südtirol (Italien) tragen eben beide Namen, auch auf den Ortsschildern. Hier gibt es das aber nicht. Da sind keine zweisprachigen Ortsschilder. Wozu dann hat meine Karte all diese alten Ortsnamen? Fühlt sich irgendwie diffus unwohl an, soll aber hier nur ein Nachdenkstupser sein.
Zweimal allerdings war ich mehr als dankbar für diese (Un?)Sitte. Nördlich von Gdansk entdeckten wir den schönen kleinen Ort „Puck“ eigentlich nur, weil er auf der Karte mit „Putzig“ bezeichnet war. Einfach märchenhaft schön. Und wie nannte sich damals eigentlich eine Einheimische? Putzige? Genial! Dialog: Sie: „Guten Tag, ich bin Putzige.“ Er: „Und ich bin Putziger.“
Das andere Mal war auf der Herfahrt. Wir kommen auf der E28 an der Abfahrt nach Darlowo vorbei. Auf meiner Karte steht „Rügenwalde“. Doch nicht etwas DAS Rügenwalde? Wo glückliche Menschen in ethnisch-amorphen Trachten rötliche Streichwurst verpicknicken? Doch, eben genau dies. Eine Werbung, die seit Jahren in meinem Hirn mit zwei anderen Reklamemonstern, einen imaginären Kampf um den schlechtesten Streifen ausficht. Es kämpfen im Kopfkino die munterbehosten Streichwurstgesellen gegen die hanutastechenden Musketiere und den pausbäckigen, wurstkauenden Jungen aus der Deutschländerwerbung („Das Beste aus deutschen Landen. Wiener….“). Meine Damen und Herren, was für ein Actionstreifen, würde Buschi sagen.
Außerdem würd ich gerne wissen, was er gestern Abend zum Spiel gegen die Griechen sagte. Das war ja mal nichts. Man kann immer gegen die Griechen verlieren, kein Problem. Aber das war mir an allen Ecken und Enden zu unsortiert und hektisch. Nach 8:28 Spielzeit hatten bereits alle 12 Adlerträger das Feld gesehen. Ich verstehe ja den Kräfteverschleiß und alles, aber so kam vorne gar kein Spielfluß auf und hinten konnte sich keiner auf das effiziente Spiel der Griechen einstellen. Obwohl die einfach nur so spielten, wie sie eigentlich immer spielen. Geduldiges Passspiel, viel Pick and Roll, viel Zug zum Korb, garniert mit ein paar Dreiern und dem ein oder anderen Fastbreak. Das deutsche Angriffsspiel dagegen statisch und kein Inside-Outside-Game vorhanden. Rebounds Fehlanzeige. Die Schiedsrichter haben mir auch nicht Recht gefallen. Bei vielen schnellen ersten Schritten der Griechen vorbei am Verteidiger, wars Schrittfehler und Schortsi war irgendwie geostationär in unserer Zone verankert, ohne daß auch nur ein einziges Mal ein Pfiff gekommen wäre. Gabs zwischenzeitlich Regeländerungen? Trotzdem Deutschland einfach nicht gut genug, um zu gewinnen.
Die griechischen Fans haben im Gegensatz zu anderen Nationen ein Seminar zur Eigenvermarktung erfolgreich besucht. Skandieren gleich laut „Polska“ und haben die leider nur dünn besetzte Halle hinter sich. Die deutschen Fans, eingeklemmt zwischen den positiv wilden Hellasleuten unten und den verbrüderten Polen oben, haben keine Chance. Die Griechen brüllen „Polska“ und von oben erwidert es: „Hellas“ – immer abwechselnd. Robin und vor allem Heiko halten zwar dagegen, der Rest ist aber irgendwie müde und das wars dann auch schon.
Anschließend verdrischt Frankreich Mazedonien zur Halbzeit dermaßen, dass wir Mitleid mit FYROM bekommen und lieber draußen feiern. Eisbein und Himbeerbier. Brrrrrrr. Tony Parker packt ohne einmal zu Schwitzen gemeinsam mit Batum eine solche Show aus, daß man nur noch andächtiges Raunen hört in der neuen modernen Multifunktionshalle Hala Luczniczka. Badesalz würden sagen: „Das is halt e ganz anner Athletik“.
Viel Lesen kann man aus dem Gegurke da drin also nicht, bleibt der Eindruck aus Bamberg. Mazedonien ist auf jeden Fall schlagbar, aber der Aufbauspieler mit der 4 darf nicht ins Laufen kommen und unterm Korb brauchen unsere Jungs ein paar Kilos mehr und sehr gute Nerven. Vorne bitte viel mehr Passspiel, dann geht da was. Ach ja, und in der Abwehr könnte man ruhig mal eine Zone einstreuen, und sei es nur um mal etwas anders zu machen, wenn eben nichts mehr geht.
Spiel 1 des Tages war der Nagelbeißer RUS-CRO. Rußland spielt gut und clever und gewinnt. Die sind endlich im Turnier drin, macht es den Eindruck. Und für Deutschland wird es damit immer schwerer das zu bleiben.
Kleiner Hinweis am Rande: Manchmal hilft es seinen Blickwinkel einmal zu ändern. Einmal neben Sofoklis Schortsanitis (oder im Original: Σοφοκλής Σχορτσανίτης) gestanden, wirft das gleich ganz neue Perspektiven auf die eigene Existenz.
Und wenn die Polen hier in Bydgoszcz Polizei mit Blaulicht vor dem Mannschaftsbus herschicken (wie DBB-Pressesprecher Büker berichtete) und die ganze 3.5km Strecke komplett absperren lässt, dann hat des eventuell nur einen simplen Grund: es geht nämlich nicht anders. Wenn der Normalmensch da nämlich um die Uhrzeit fährt, braucht er 3 Stunden Minimum – oder er läuft.
Oldschoolballer lässt grüßen
Viel mehr Bilder aus Bydgoszcz gab’s schon vorab hier.

Wasserspiele.
Bydgoszcz wird in Polen auch „Brzydgoszcz“ genannt. Heißt in etwa „die Häßliche“ ;)
Bydgoszcz es ist shöne Stadt
Ich glaube, es ist so ^^^