Ein Sonntagnachmittag im Garden

Irgendwie bin ich aus den Diskussionen im deutschen Basketball grad raus. Umme Ecke schreibt TS seinen Sommerblog über Pools und Scouting in Vegas, hier aus NYC könnte ich zwar auch spannende Reiseberichte liefern, doch eben wenig über Basketball. Drei Wochen bin ich nun hier und gestern gab es dann doch endlich die erste Begegnung mit dem orangenen Leder. Ein Sonntagnachmittag im auf typische Kühlschranktemperatur runtergeregelten Madison Square Garden. Gruebler schaut Damenbasketball. WNBA, NY Liberty vs. Indiana Fever, eine ärgerliche 81:84 Overtimeniederlage der New Yorkerinnen gegen die Landeier aus dem Bible Belt.

Tickets für Konzerte, Broadwayshows, Sport, Museum und ähnliches hier in New York kosten gerne an arm and a leg. Bei der WNBA ist das anders. Schlappe 15 Dollar brachten mich links hinter den gegnerischen Korb. Recht gute Sicht und nicht nur irgendwo ganz weit oben in den Rängen des doch schon ziemlich in die Jahre gekommenen Madison Square Gardens. Warum die o2 world als so modern gilt, sieht man gut, wenn man mal in einem Prototyp der Großarenen, dem Madison Square Garden aus den 1960ern über der Penn Station war. Verwinkelte, dunkle Gänge. Wackelige Klappstühle, aber dafür eben auch verdammt nah dran. Kein Graben, keine nervigen Banden, sondern das Spielfeld im Mittelpunkt.

Irgendwie hatte die Batterie meiner Kamera vergessen, daher müssen heute Worte genügen, vielleicht reicht Vincent aus Virgina, mit dem ich da war, ein paar Bilder nach.  Einstweilen gibt es nur ein paar Handy-Fotos und die üblichen youtube-Videos.

Seats for $15

Wir diskutieren immer mal wieder über die Amerikanisierung unseres Sports. Was damit gemeint ist, konnte ich heute schön begreifen. Auszeiten waren nicht Pausen im Spiel, sondern Bühne für unzählige Spiele – z.B. Tic Tac Toe im Mittelkreis – und ganz massive Interaktion zwischen Videowürfel und Publikum. Die Zuschauer sind aber auch abgegangen, Selbstdarstellung auf dem Videowürfel im 5-Sekunden-Takt. Stereotypen hervor: Die Fähigkeit des Amerikaners (m/w) zur Selbstdarstellung ist beeindruckend. Mindestens zwei Kameras sind ununterbrochen damit beschäftigt, die Zuschauer einzufangen. Und natürlich: Abends auf der Terrasse im IHouse kam der Kommentar: Ich hab dich auf dem Würfel gesehen! Es scheint, als durfte jeder mal drauf.

Der Garden war nicht einmal halbvoll. Trotzdem war die Stimmung eigentlich ganz gut. Ausgelassen, wenig angespannt, obwohl es eine enge Kiste war. Die erste Halbzeit zeigte ein ausgeglichenes Spiel, Fever zog immer wieder weg, doch Liberty blieb dran. Das Publikum vergnügte sich an supersized soda, Budweiser für schlappe $9 und hot dogs (boah sind die salzig und langweilig). Das dritte Viertel war – aus New Yorker Sicht – grausam. Fever war unter den Brettern nicht zu halten, machte einfache Körbe. Doch dann, unabhänigig von den auf dem Würfel angezeigten Choreografien, legten die Ladies auf dem Feld und die Zuschauer los. Sing L-I-B-E-R-T-Y!

Es wurde richtig spannend. Aus unserer Sicht hatten wir dies allerdings ganz allein Cappie Pondexter zu verdanken. In der ersten Halbzeit 17 Punkte und dann die One-Woman-Show. A girl for the big shots. Lelanie Mitchell baute das Spiel gut auf, biss, doch Pondexter (hier ein Videoporträt) warf und traf in Massen. Es ist lange her, dass ich mal live jemanden 40 Punkte machen sah. Mit 73 zu 73 ging es dann in die Overtime. Wieso Spieler Auszeiten nehmen können und sich die letzte Minute dadurch noch länger als bei Stop-the-Clock in die Länge zieht, verstehe ich nicht. Aber New York konnte auf einen Sieg hoffen. Er wäre bitter nötig gewesen, denn mit 9-10 steht Liberty grad auf dem letzen Platz der Conference.

Leider hat es nicht geklappt. Das Flügelduo der Fever, Katie Douglas (G/F, 6-0, Purdue) und Tamika Catchings (F, 6-1, Tennessee) ließen nichts anbrennen und verwandelten ihre Chancen gnadenlos. Manche mögen jetzt schadenfroh sein: Endlich ist der Gruebler mal für ein Team aus dem Tabellenkeller. Es scheint ein wenig das Schicksal der New Yorker Basketballer jeden Geschlechts. Da hilft auch nicht, dass die Liberty von Basketball Hall-of-Famer Anne Donovan gecoached werden.

Weil’s hier grad nicht ohne ihn geht: LeBron is a beach, wie die NY Post titelte, der geht ins sonnigere Miami zu den anderen Stars und Sternchen statt zu den Knicks. In der lokalen Presse werben Sportstudios  damit, dass sie LeBron nun Übergewicht und Trainingsunlust wünschen. Die Nets ärgern uns, indem der neue Owner Prokhorov von den Taxen wirbt: A blueprint for greatness. Sie sind sich auch nicht zu schade, direkt neben denMSG von der Hauswand zu pöbeln.

Aber zurück zum Thema. Liberty hat ein wenig ein Superstar-Problem. Wie die Namensgeberin der Mannschaft hält Cappie Pondexter einsam die Fackel hoch.

Trifft super, ackert auch in der Defense, aber ein Star macht eben noch keinen Sommer. Mitte August wird die Saison zuende sein. Playoffs sind in dieser Form für NY Liberty nicht drin. Wer den Gegner ungehindert zum Brett marschieren lässt, hat auch nichts besseres verdient. Wäre es bei den Knicks mit LeBron nicht vielleicht ähnlich geworden? Auch die neue Heldin der Liberty kam erst vor der Saison von den Phoenix Mercury.

WNBA eine sehr sympathische und hochprofessionelle Veranstaltung. Faire Preise, gute Laune und solider Basketball. Und – die Welt ist klein – hinter einem sitzen dann auch noch deutsche Touristen aus Berlin.

Über die omnipräsenten Einspieler kann man ja gerne lästern, aber handwerklich darf sich da das eine oder andere deutsche Team gerne ne Scheibe von der Qualität und Kreativität der hiesigen Veranstaltungen abschneiden. Die Musikauswahl ist mutiger, frecher, thematisch passend. Die Defense in der Crunchtime mit Blitzkrieg Bop zu untermalen ist… gewagt. Es ist witziger, wenn immer wieder unterschiedliche Spielerinnen mit kleinem Einspieler über den Würfel die Halle anheizen, als wenn der Hallensprecher zum x-ten Mal schreit: „Jetzt wird laut.“ Klar, das gibt es auch: De-fense, Let’s go liberty in kollektiver Karaoke auf dem Laufband… allerdings lief dort vor Spielbeginn auch der Text des Star-Spangled Banner zum mitsingen oder -lesen.

Es war eine gute Veranstaltung. Es war unterhaltsamer als manch ein BBL-Hauptrundenspiel in der o2 world. Vielleicht brauchen solche Arenen bei mauen Spielen die Show und den Zirkus drumherum.

Dass in der WNBA dies mit einem Augenzwinkern vonstatten geht, davon zeugt das folgende Promo-Video auf youtube, als Cappie noch mit Superstar Diana Taurasi bei Phoenix Mercury spielte.

Mir hat es großen Spaß gemacht. WNBA ist ein schönes Programm für die Sommersaison, auch wenn’s nur darum geht als Touri mal in den Garden zu kommen. Und ein paar Spiele werde ich sicherlich noch sehen. Außerdem muss ich ja Diana Taurasi live sehen… nur die Kamerabatterie darf ich dann nicht vergessen, sonst gibt’s Mecker von der oldschoolballerin.

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3 Gedanken zu „Ein Sonntagnachmittag im Garden

  1. Pingback: The Day Diana Taurasi Didn’t Score « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

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