Blogauskas #13 – EM ist kein Spaß! (Teil 2)

Ein Gastbeitrag der EM-Expeditionsteilnehmerin Kepta Duona, die uns die unmenschlichen Strapazen einer EM-Reise nahebringt (ohne die allerdings auch alles nur halb so lustig und interessant wäre. Dies gilt für beides: die Strapazen und die Teilnehmerin ;-) ):

Security in Vilnius

Security in Vilnius

Wer hätte das denn ahnen können? Das zu Hause noch derb verfluchte Siauliai war der reine Basketball-EM-Himmel und wo sind wir dann gelandet? In Vilnius… In Siauliai war alles toll, die Stadt angenehm, die Leute nett, es gab offene Restaurants bis spät nachts, die Halle war super, freies W-LAN vorhanden, Beinfreiheit, die Toilettensituation entspannt und die Letten wider Erwarten ausgesprochen friedlich und unalkoholisiert. All unsere mitgebrachten Befürchtungen wurden schnell zerstreut.

In Vilnius sieht das anders aus. Die Halle ist ebenfalls toll. Allerdings besteht die akute Gefahr, wenn man sich alle drei Spiele am Tag anschaut, eine Thrombose zu bekommen. Beinfreiheit ist ein Fremdwort und wenn man sich erdreistet seinen Fuß auf die Brüstung zu stellen kommt binnen kürzester Zeit ein wildgestikulierender Security-Herr und deutet auf deine Füße, was wohl so viel heißen soll, dass man bitte nicht die Beton-Brüstung kaputt machen soll. Wie auch immer. W-Lan ist nicht, die Toiletten eher inakzeptabel.

Apropos Security. Die ist nicht nur übereifrig, sondern auch zahlreich vertreten. So passiert man um auf das Gelände der Halle zu kommen zunächst einen Metalldetektor wie am Flughafen. Da dieser bei einer sehr sehr hohen Prozentzahl der Besucher piepst, wird man abgetastet, die Taschen durchwühlt und wenn das nicht geholfen hat nochmal abgetastet.

Amberis-Duell

Amberis-Duell

Nachdem einem nach dieser Kontrolle schon die kleine Digitalkamera und der zusammenfaltbare Regenschirm abgenommen wurden (die wohlbemerkt in Siauliai kein, aber auch wirklich gar kein Problem darstellten und der Regenschirm auf Grund der Wetterlage einfach notwendig ist) und man die 50 Meter bis zum Eingang der Halle zurückgelegt hat beginnt das Procedere erneut. Piepsende Scanner und viel zu viele Security-Menschen, die auf Körperkontakt aus sind. Der Weg zur Halle ist wohlbemerkt hermetisch abgeriegelt, sodass es ein Ding der Unmöglichkeit wäre einen gefährlichen Gegenstand, wie den kleinen, zusammenfaltbaren Regenschirm aufzutreiben und sich zu erdreisten diesen mit in die Halle nehmen zu wollen. Diskutieren ist auf Grund der ethnischen Kommunikationsbarriere zwecklos – ähnlich wie in Bamberg.

Man hat es also irgendwann in die Halle geschafft. Auch dort wimmelt es vom orangebewesteten Security-Personal. Mittlerweile hat sich bei uns ein Schlüsselreiz entwickelt, der bei jeder dieser Personen einen etwas gereizt die Tasche aufreißen lässt und man leicht bis mittelschwer geladen in der (durchaus berechtigten) Erwartung ist, dass diese (mal wieder) wild durchwühlt wird.

Auch die Nahrungsversorgung in der Halle hat sich nicht verbessert. Im Gegenteil. In Siauliai gab es noch Cola Zero und Light. In Vilnius steht es zwar auf der Preisliste, jedoch sucht der charmante Verkäufer vergeblich. Okay, wird wohl nur an diesem Stand ausverkauft sein. Neuer Stand, neues Glück. Aber auch hier nur unverständliches Kopfschütteln. Na gut, alle guten Dinge sind Drei. Aber auch hier – Fehlanzeige. Gibt’s halt die braune Brause mit Zucker, das kompensiert dann kalorienmässig die fehlenden vegetarischen Alternative beim Fastfoodangebot. Da die Halle extrem weit ausserhalb liegt, sind Restaurants leider kaum eine Option. Hier oben auf dem Berg gibt es keine, und die meisten in der Stadt schliessen wochentags um 22 Uhr, ca. 1 Stunde vor Ende des dritten Tagesspiels. Ganz zu schweigen von der Elend langen Rückfahrt in überfüllten Bussen oder Trolleys (Sonderbusse oder gar Shuttlebusse wie in Siauliai existieren selbstverständlich nicht. Wozu auch bei höchstens 12.000 Zuschauern, die in die Stadt zurück müssen?)

Nach dem zweiten Spiel des Tages geht es dann Dank einer längeren Pause zwischen den Spielen in das hinter der Halle gelegene Einkaufszentrum. Hierzu passieren wir das Fangelände, wo man ein weiteres Mal durchsucht und abgetastet wird. Und auf dem Rückweg dasselbe nocheinmal. Kennen wir bereits, ist nichts Neues- lustiger wirds davon nicht.

Im Einkaufszentrum angekommen und vom Hunger getrieben finden wir gleich in der dritten Etage des Komplexes die Restaurants. Nachdem wir bei Pizza Hut ca. 20 Minuten angestanden haben, wird uns eröffnet, dass gerade keine Pizza mehr vorrätig ist und wir mindestens weitere 20 Minuten warten müssten. Wir entscheiden uns um. Ich wähle einen Thai-Imbiss der vielversprechend aussieht (und Paderborner Bier verkauft, was wohl eher nicht als Qualitätsmerkmal dient). Das hält mich aber nicht von meiner Bestellung ab. Wer konnte allerdings ahnen, dass die Frage, ob denn zu dem Gemüse Reis gereicht wird, die Dame nahezu zum Nervenzusammenbruch bringt. Sie kreischt mir unzählige Male „NO RICE, NO RICE.“ entgegen. Nachdem ich anschließend die Frage gestellt habe, ob es denn möglich sei zusätzlich Reis zu bestellen und zu bezahlen, wiederholte sich das Ganze. Nur in einer deutlich erhöhten Lautstärke und Frequenz. Als ich dann mit ihr eine Diskussion beginnen wollte, warum ich bitte keinen Reis bestellen könne – da dieser bei nahezu jedem Gericht sowieso dazu gereicht wird – holte sie ihre Kollegin, die mir bestätigte, Reis bestellen zu können. Lediglich noch 10 Minuten warten. Das schaffte ich – gerade so.

Litauenfahne in der Siemens-Arena

Litauenfahne in der Siemens-Arena

Nachdem das Essen runtergeschlungen wurde, da sich die Pause zwischen Spiel zwei und drei dem Ende entgegen neigt und wir keinesfalls die litauische Nationalhymne verpassen wollen, geht es zurück zur Halle. Die Scanner sind mittlerweile auf Grund des Regens abgebaut, man wird lediglich abgetastet und die Tasche durchwühlt. In freudiger Erwartung und absolut genervt strecke ich dem Sicherheitsmann meine Tasche weitaufgerissen entgegen und sage ihm, dass bei den ersten zehn Kontrollen bereits alle lebensbedrohlichen Gegenstände entfernt wurden. Der Arme verstand ausnahmsweise Englisch und war etwas verdattert über meine latente Aggression. Naja, das nennt man dann wohl persönliches Einzelschicksal.

Was außerdem ein spaßmindernder Faktor ist, ist die Tatsache den Live-Kommentar Frank Buschmanns nicht hören zu können. Die legendären Sprüche gibt’s dann zwar nach den Spielen zum Nachlesen bei Facebook, aber das ist irgendwie nicht das Gleiche.

Was mich außerdem spätestens beim nächsten Spiel der Franzosen zur Weißglut treiben wird, ist deren Schlachtruf. „Allez les Bleus! Allez les Bleus“ in Dauerschleife 2 Stunden ohne Unterlass ist kein Spaß. Wirklich nicht. Nicht nur, dass der Rhythmus total langweilig und monoton ist, auch der Tonfall ist absolut nervtötend. Und es wird auch von Spiel zu Spiel nicht besser. Nach dem sechsten Spiel der Franzosen, das ich bis dato bei der EM gesehen habe, frage ich mich doch immer wieder, warum es keinerlei Variation gibt. Gehen die französischen Fans sich nicht selbst auf den Nerv? Warum ist noch keiner der Spieler ausgetickt und hat einem der Fans die Trommel über den Kopf gezogen oder die Tricolore um den Hals?
Die „Deutschland, Deutschland“-Rufe der deutschen Fans halte ich allerdings ebenfalls für fragwürdig. Bin ich denn die Einzige, die dann in ihrem Kopf ein „über alles“ daran assoziiert? Genauso wie „Sieg“-Rufe in Verbindung mit dem Hochstrecken der Faust oder gar ausgestreckten Hand bei einem Länderspiel. Ein wenig Feingefühl sollte doch vorhanden sein. Insbesondere bei einem Sieg gegen Israel. Wäre dann ein Finalsieg bei der EM der „Endsieg“?!?

Entschädigung für das alles gab die Atmosphäre in der Halle beim Spiel Serbien – Litauen. Nie zuvor habe ich ein solch lautes und enthusiastisches Publikum erlebt, nie zuvor hatte ich nach einer Nationalhymne Gänsehaut.
Ich möchte Litauen unbedingt in Kaunas spielen sehen. Ich möchte dieses basketballverrückte Völkchen weiter feiern sehen, jetzt wo Deutschland raus ist, gibt es da keine verteilten Sympathien mehr. Ich möchte, dass Litauen Europameister wird.

GO LIETUVA!!!

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10 Gedanken zu „Blogauskas #13 – EM ist kein Spaß! (Teil 2)

  1. Sehr schön geschrieben. Allerdings finde ich diese vergleiche mit Deutschland, Deutschland rufen und Sieg doch etwas überzogen. Ich meine irgendwann muss man bei sowas auch mal lockerer werden, ohne das zu verherrlichen was geschehen ist. Weil dann „dürfte, sollte“ man keine Deutschlandfahnen aufhängen oder noch krasser gesagt die eigene Nationalhymne singen weil sowas gab es früher ja auch.

    Na egal ist ja auch nicht so wichtig.

    Aber man merkt schon einfach ein Tag Basketball spiele anschauen ist gar nicht so einfach.

    Schön weiter bloggen.

    Danke

  2. Es gibt schon Unterschiede zwischen ner Fahne und bestimmten, ob historischer Verantwortung durchaus nicht eindeutigen Gesängen. Die Debatte hatten wir schon mal, und auch meine Position hat sich nicht geändert. Die Kollegin spitzt es nur erkennbar zu.

  3. Naja, also ich halte „Deutschland, Deutschland“ Rufe jetzt nicht unbedingt für verwerflich. Wenn selbst der Ländername nicht mehr geht, dann bleibt wohl nur „Defense *bum bum bum* Defense *bum bum bum*“ als Anfeuerung bzw. in der Offence ???

  4. Es ging nicht um Deutschland *bumm* *bumm* *bumm* Deutschland…usw. es ging um ein halbgesungenes „Deutschland, Deutschland“, das in Intonation, Rhythmus und Sprachmelodie durchaus Assoziationen wecken kann – vor allem wenn man dabei (und bei „Sieg“-Gesängen) in Reichweite der Israelis sitzt.
    Ich akzeptiere mittlerweile, dass es viele Leute gibt, die diese Assoziationen weder haben, noch nachvollziehen können und habe auch die Erklärungsversuche größtenteils eingestellt. Es ist nun mal ganz offensichtlich, dass (völlig wertungsfrei!) verschiedene Menschen einfach verschiedene soziokulturelle Hintergründe haben. Manche stört es, manche nicht. Was mich aber stört ist, wenn die, die sich daran stören (und dies auch durchaus begründen können) nicht Ernst genommen werden. Das ist einfach nur eine andere Sichtweise auf die Dinge und hat genauso ihren Platz in einer Sportarena, wie die Sichtweise derer, die das als völlig neutrale Sportgesänge sehen. Nur weil ich eine Basketballhalle betrete ändert sich noch lange nicht mein Blick auf die Welt. Das muss einfach akzeptiert werden, ggf. diskutiert werden, aber so was nicht Ernst nehmen geht gar nicht.
    Man sollte allerdings auch beim Lesen berücksichtigen, dass es sich um eine absichtliche ironische Überspitzung handelt. Ja, auch das ist bei dem Thema erlaubt ;-)

  5. So, ich für meinen Teil – und auch der Gastgeber hier – waren ja schon in Schaulen/Siauliai.
    Und wer dann Schaulen schreibt, der ist dann auch kein Revanchist, weil auch Schaulen/Siauliai niemals Teil eines „deutschen Gesamtstaates“ gewesen ist. Was will man da also zurückwollen?
    Aber, wer meint, lieber bspw. Praha statt Prag, Milano statt Mailand schreiben zu müssen, soll es tun, aber dem sei noch hinterher geworfen, Laibach ist der offizielle deutsche Name für die slowenische Hauptstadt laut hiesigem Auswärtigem Amt. Nur, falls uns von dort auch noch mal ein Blog erreichen sollte.

    Zu den Gesängen, den hier kritisierten

    Das halte ich ja für recht abstrus. Wer zur Unterstützung seines französischen Teams die dortige Nationalhymne singt, der ist ja nun auch kein bedingungsloser Unterstützer blutrünstiger Schlachten.

    Und die weitaus meisten Fangesänge leben von den Eigenschaften, die auch in Vorzeiten Soldaten die Furcht vor der kommenden Auseinandersetzung nehmen sollten: Wiederholungen, einprägsame, meist kurze Texte, keine Kapriolen in Melodie und Harmonie.
    Und deswegen kann man in D oder aus D kommender Fan von mir durchaus „Sieg“ rufen, wenn es denn so sein soll. Es kann doch nicht sein, dass jedes Wort, welches in nationalsozialistischer Zeit besonders verwendet wurde, fortan nicht mehr verwendet werden sollte.
    Ansonsten könnte man die Losung der besonderen „Alba-Familie“ ja auch mit der NS-Ideologie der „Familienpolitik“ zusammenbringen, aber da regt sich überraschend dann doch keiner mehr auf.

    Aber man kann natürlich auch weiterhin versuchen, Begriffe wie „Erfolg“ oder „Gewinn“ in Fangesängen unterzubringen. ;-)

    Ansonsten vielen Dank für diesen Blog aus Litauen!

  6. „Sieg“ Rufe und Deutschland Deutschland so zu singen dass es einen an etwas anders erinnert… kann man durchaus übel finden! Spieziell bei „Sieg“ Rufen bekomme ich auch ne Gänsehaut… also ne üble Gänsehaut…
    Und wie OSB netterweise erklärt hat, geht es beim anderen Singsang ja nicht um das mit dem Bumm in der Mitte.
    Allerdings bekomme ich beim Lesen der Zeilen von Kepta das Gefühl, dass sie wohl tatsächlich grad nicht die beste Laune beim verfassen der Zeilen hatte…?
    Also schön schick weitermachen… es kommen auch wieder bessere Tage ;-)
    Und noch ein Dankeschön an Schnorri, der uns wieder einmal ganz ganz toll und völlig ungefragt ein weiteres kleines Stückchen der Welt erklärt hat…..

  7. Mach ich ja gerne.

    Ich weiß trotzdem noch nicht, warum man sich erst in seiner unmittelbaren Umgebung umsehen muss, um feststellen zu können, ob ein Schlachtruf nun erlaubt/gestattet/toleriert wird, bevor ich ihn ansetze.
    Fansein bedeutet bis zu einem gewissen Grade auch Kontrollverlust oder -Übereignung ans Kollektiv. Deswegen kann und sollte man da nicht alles bis zum Ende abwägen wollen.

  8. Ich will ja nich meckern, aber so ein gewisses Gewohnheitsrecht auf nen neuen Eintrag möchte ich hier dann doch mal eben geltend machen! ;-)
    Und wenn es über die Tränen und bewegenden Szenen nach dem gestrigen Spiel der Litauer ist… .-(
    Oder seid ihr nun doch alle verhaftet worden weil ihr versucht habt, Nagellack in wurfgeschossgroßen Behältnissen mit in die Halle zu bekommen… ;D

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