Blogauskas #14 – Schockstarre in Litauen

Slowenienfans

Slowenienfans

Wir haben alle schlecht geschlafen letzte Nacht hier in Kaunas in unserem viel zu kleinen Appartment, direkt an einer vielbefahrenen Straße und mit kostenlosem Konzert einer infernalisch lauten Militärkapelle ab 07:30 Uhr. Jeder von uns hat irgendwie riesigen Unsinn geträumt – wobei es nicht wirklich  geholfen hat, dass das Orchester offenbar die hohe Kunst beherrscht, Musikstücke rückwärts abspielen zu können. Mit dem Bett im Hochwasser ertrunken zum Beispiel oder (an dieser Stelle nicht näher genannte) deutsche Nationalspieler, die sich bei uns auf dem heimischen Dachboden verstecken müssen, weil sie unbedingt zu drittklassigen BBL-Vereinen (auch hier nicht näher benannt) wechseln möchten undsoweiter undsofort. Meine erste Frage daher beim Frühstück: „Haben die nun wirklich verloren oder schreibe ich jetzt gleich Müll?“ Eine direkte Antwort bekomme ich nicht, es ist wohl für die bislang nur rein körperlich Anwesenden durchaus im Bereich des Möglichen, dass das alles nicht passiert ist gestern. Dass Litauen nicht das Viertelfinale in Kaunas gegen die FYR Mazedonien verloren hat. Dass Litauen nun nicht raus ist aus dem Titelrennen und dass es also kein heißersehntes Gold geben wird im eigenen Land.

Terrasse in der Kaunasarena

Terrasse in der Kaunasarena

Das größte Sportereignis jemals in Litauen sollte es werden, natürlich mit dem Titel – und nun ist es der größte Katzenjammer jemals. 3 Millionen Litauer fieberten, jetzt sind sie nur noch verschnupft. Ungewöhnlich aber ist, wie Litauen das Aus betrauert. Während wir Simas Jasaitis und seinen letzten Schuss verfluchen, der noch nie ein lockeres Handgelenk aus der Distanz hatte („Simas, Du Ilyasova!!!“) und auch Jonas Valanciunas seine NBA-Schrittfehler und dummen Fouls nicht vergeben können, sind die Menschen hier irgendwie anders. Obwohl ihr allerallergrößter Traum geplatzt ist, hört man nur Lob und stilles Bedauern. „Unsere Männer haben ihr Allerbestes gegeben, haben alles versucht, es hat eben nicht gereicht.“ „Mazedonien war einfach besser.“

Hmmm. Nöö, echt nicht. Das sehen wir wirklich anders. So schlecht haben wir Litauen in den letzten 2 Jahren noch nicht gesehen. Das war wirklich ganz furchtbar und lag auch nicht an der Defense von FYROM. Fehlschüsse ohne Ende, gerne zu früh oder gegen den Mann. Absurde Fehlpässe, die man so in einem U10 Spiel nicht zu sehen bekommt. Kein patentiertes Pick-and-Roll, keine Ballstafetten bis zum freien Mann, kein einziger Fastbreak, sondern nur langsames Spiel und Ball halten. Es war grauenvoll mitanzusehen. Das Blöde dabei: Mazedonien war einfach noch schlechter. Sie haben nicht viel gemacht, weil sie gar nicht so viel können. Bo McCalebb, eingebürgertes Ausnahmetalent, das 2010 Partizan Belgrad ins Final Four nach Paris peitschte, ging viel 1-1; Pero Antic, mazedonischer Türsteher, der den Wühlbüffelposten von Kaman übernommen hat, reboundete und schoß aus der Distanz und ein mies verteidigter 3er von Ilievski („Das war der wichtigste Schuß meines Lebens“), nach einem üblen Turnover von Legende Jasikevicius reichten – und die 15.000 in der Kaunas-Arena verstummten. Am Ende lag Mazedonien im ganzen Spiel aufaddiert nicht einmal 60 Sekunden in Front (Endergebnis 65:67). Aber es genügte um ein komplett indisponiertes Litauen (hier muss der Coach leider mit eingeschlossen werden) in ein kollektives Tränenmeer zu stürzen. Schock und Unglaube waren es gestern, Trauer und Enttäuschung sind es heute.

Den ganzen Tag schon hatten sich trotz eisigem, scharfen Wind, Kälte und ständigen heftigen Regenschauern, die Menschen zu public viewings versammelt. Sowohl morgens in Vilnius als auch am frühen Nachmittag, als wir dann in Kaunas (nur knapp 100km entfernt) ankamen. Gesänge, Konzerte, Veranstaltungen – überall, den ganzen Tag. Und dann kam das Spiel, das man nicht verlieren durfte, nicht verlieren konnte…..

Krawallmazedonier

Krawallmazedonier

Allein schon, weil das Orakel Lazdeika, eine litauische Krabbe, die bislang alle Tipps richtig hatte (Video hier), vorausgesagt hatte, dass Litauen gewinnt. Wir hatten allerdings eine eigene Krabbe dabei, die tatsächlich Mazedonien voraussagte, aber irgendwie nicht Ernst genommen wurde. Tja. Doppelt, nein dreifach bitter das Ganze, denn wir sind uns relativ sicher, dass Deutschland gestern besser gespielt hätte, vielleicht war der Druck auf das litauische Team einfach zu groß. Zum zweiten ist es natürlich tragisch, dass Litauen raus ist und zum dritten können wir es kaum glauben, dass ein Team wie Mazedonien nun unter den letzten 4 der EuroBasket 2011 steht und daher bereits für die Olympiaquali 2012 qualifiziert ist, während Deutschland zuschauen muss. Nichts gegen Mazedonien, aber die 2 Vorbereitungsspiele wenige Tage vor Start der EM waren eher mau auf Seiten der rotgelben Truppe. Besonders das Testspiel in Berlin hatte eher was von Sparringspartner. So bitter kann Sport sein (und auch hier darf erneut ein herzlicher Gruß an die Losfee ;-) nicht fehlen).

Würfel in der Kaunas-Arena

Würfel in der Kaunas-Arena

Während ich hier blogge (und ungeduldige Leser frech ihre Rechte reklamieren, die gestern schon per Ferndiagnose passable und kostenlose Psychoanalysen erstellten) spielt Litauen schon wieder. Nur 14 Stunden nach der derben Niederlage stehen die Jungs schon wieder mit dem Ball in der Hand auf dem Parkett der wunderschönen Kaunas-Arena. Jetzt noch retten, was zu retten ist und wenigstens die Olympiaquali klarmachen, lautet die Devise. Ob die litauischen Spieler sich darauf besser konzentrieren können, als ihre Mitbürger, die noch in kollektiver Schockstarre liegen und eigentlich nur zum Spiel gehen, weil sie den Urlaub schon zwecks feiern beantragt hatten?

Gefeiert haben hier nur die Mazedonier, ca. 60 Fans, die sich in der Halle völlig daneben benahmen. Schwarze T-Shirts mit „Nationale Front“ und Fahnen mit unguten Zeichen drauf, waren sie von Anfang an auf Krawall gebürstet. Warum die litauische Security und die später anrückende Polizei zwar in ständige Handgemenge direkt am Spielfeldrand verwickelt wurden, trotzdem aber nicht den Mut hatte, Ernst zu machen und den Block zu räumen, für den die Mazedonier größtenteils gar keine Tickets hatten, bleibt ihr Geheimnis. Der Verdacht: Die Litauer Fremden gegenüber wie immer zu höflich, obwohl deren Verhalten absolut indiskutabel war. Umso bitterer diese Typen dann auch noch (berechtigt) feiern zu sehen. Und wieder der Gedanke: das könnten wir sein, die da unten stehen und jubeln. Damn.

Weg zur Halle

Weg zur Halle

Anschließend dann, um 17 Uhr eurer Zeit, das 3. Viertelfinale (Spanien gewann das 1. mit `ner JCN-Show locker und souverän gegen Slowenien 86:64) zwischen Frankreich und Griechenland. Und irgendwie hoffen wir so ein wenig, dass die Griechen die französische Arroganz (oder war es Feigheit?) abstrafen, denn die hatten in dem letzten Zwischenrundenspiel die Stars geschont und das Spiel gegen Spanien einfach abgeschenkt – wohl mit dem Ziel, erst im Finale alles gegen die Iberer zu zeigen. Wenn das nicht mal wieder schief geht wie 2009. Wir fänden es lustig und wissen sowieso nicht mehr, für wen wir jetzt sein sollen.

Irgendwelche Vorschläge?

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13 Gedanken zu „Blogauskas #14 – Schockstarre in Litauen

  1. Interessant, dass ihr die Krawall-Mazedonier als Ursache für das merkwürdige Treiben im Gästeblock ausmacht. Vorm Fernseher hatte man eher den Eindruck, dass die überbordende litauische Security für Aggression sorgt. Ich würde mich zumindest auch unwohl fühlen, wenn ich in von zwei kompletten Reihen umstellt worden wäre. Oder war das eine Folge von mazedonischem Fanfehlverhalten?

    Ansonsten trotz der litauischen Depression noch viel Spaß in Kaunas. An beiden Stadträndern gibt es übrigens noch eine ganz niedliche „Seilbahn“, die auf der einen Seite zu einer ganz hübschen neuen Kirche führt. Dahinter ist dann noch ein ostischer Second Hand, wo es allerfeinste T-Shirts zu kaufen gibt.

    • So. Wir setzen jetzt mal deine Touritipps um ;-) Vielen Dank schon mal……Die mazedonischen Fans hatten seit dem vormittag schon Massen an Bier getrunken unten in der Fanmeile. Da war eigentlich keiner mehr zurechnungsfähig – und die waren alle superaggressiv. Man hätte sie vielleicht in dem Zustand gar nicht reinlassen sollen. Die Security kam wirklich erst hinzu als es drohte zu eskalieren und die Polizei war zum ersten und bislang letzten Mal in der Halle.

  2. grins… geht doch!;D
    Ihr seit jetzt übrigens meine Freunde… zumindest hab ich das heute so einem Geschäftspartner aus Litauen verkauft. Hab davon erzählt, wie begeistert ihr von den Gastgebern seid, etc… ;-)
    Der hat ohne Scheiß fast zu 100% das obige Zitat zum Lob und Bedauern etc… benutzt…
    Ich hatte im Fernsehen auch den Eindruck, das es so gelaufen ist, wie von @arne über mir geschildert?
    Zu wem man jetzt halten soll??? Also Gasol eigentlich lieber nicht, obwohl die schon echt verdammt geil spielen… Ich finde, die Griechen haben grad ziemlich die Arschkarte… vielleicht tut denen so ein Sieg gut, kurbelt die Wirtschaft an… womit uns dann ja letztendlich auch gedient wäre… ;-))) Grad erst eingeschaltet das Spiel 56:53 für die Franzmänner noch 2 Minuten…

    • Weil das Foto ganz am Schluss gemacht wurde, da waren die Herren schon nicht mehr da. Genau wie heute. Keiner von denen mehr zu sehen und auch die Fahnen nicht – und schon war alles ganz entspannt. Sehr nette Mazedonier überall, mit etlichen gesprochen….alles friedlich. Wie gesagt, man hätte die erst gar nicht rein lassen sollen oder eben früher da raus holen. Glaube die Security war einfach überfordert bzw. hat sowas nicht erwartet.

  3. Nein. Zunaechst war gar keine Security da. Die kam erst spaeter, als die Fahnen mit den Botschaften rausgeholt wurden und Litauer trotz Tickets keine Plaetze mehr hatten.

    • Zum Beispiel gab es jetzt obwohl Russen und Serben direkt nebeneinander standen und die Russen mindestens 4 mal so viele waren, wie gestern die Mazedonier, gab es jetzt ganze 8 Securityleute insgesamt. Wie der Eindruck am TV entstehen konnte, ist mir ein Raetsel.

  4. Die Security hat bei dem Viertelfinale mit FYROM vor allem die Werbebande geschützt. Dass man Blöcke für die Fangruppen der beteiligten Mannschaften frei hält ist aus Sicht der Fans ja begrüßenswert, so dass die sic dann in einem Block sammeln können und nicht über die ganze Halle verteilt sind.
    Bei einigen anderen Turnieren hat aber die Security dann aber jeweils mit mehr oder minder Nachdruck oder Nachsicht dafür gesorgt, dass die Sicht für andere nicht allzu stark beeinträchtigt wird. Der FYROM-Block stand aber die ganze Zeit und da er etwa auf Höhe der Grundlinie endete, nahm er den Leuten im nebenliegenden französischen Block dann auch die Sicht, so dass die auch aufstehen mussten. Von unseren Plätzen war dann direkt nur noch ein ganz kleiner Teil des Spielfeldes zu sehne, der Rest musste auf dem Videowürfel verfolgt werden.
    Sonst hat die Security vielleicht mangels Aufgaben schon bei einem in den Treppenaufgang hereinragendem Bein sofort prompt reagiert. Hier postierten sich die dann selbst im Treppenaufgang, dazu dann auch noch weitere Leute mit Akkreditierung (evtl. Volunteers, die ja auch mal was vom Spiel sehen wollen).

    Für nicht freigehaltene Fluchtwegen und offensichtlich icht durchdachte Sicherheitskonzepte sind wir Deutschen spätestens seit Duisburg besonders sensibilisiert.

    Die Sicherheitüberprüfungen hier in Kaunas sind der absolute Witz. Da es weniger Schleusen als in Vilnius gibt, gibt es nur eine laxe Taschenkontrolle, sonst müssten die Zuschauer ja noch länger im Regen stehen. Das Abtasten dient wohl auch nur als Alibi. Ok, die Israelische Mannschaft (da gilt immer besondere Aufmerksamkeit) ist ausgeschieden, aber immerhin war die Litauische Präsidentin da.

  5. Die mazedonischen „Fans“(?!?), welcher Gesinnung auch immer, können wohl trotz Stehens auch nicht allzuviel gesehen haben, wenn ca drei Reihen Security VOR ihnen stand…
    (Sitzt denn überhaupt irgendjemand?)
    Dass sie in EINEN Block wollen (und auch sollten) halte ich für sinnvoll und verständlich. Dient u.A. auch der besseren Sicherheit. Zu guter Letzt müssen auch die siegreichen Gäste vor eventuell frustrierten Verliererfans geschützt werden.
    Auch wenn das, wie ich hoffe und glaube, im konkreten Fall nicht wirklich vonnöten war.
    Außer einigen wenigen, meist südeuropäischen, Scharmützeln (gern mit griechischer Beteiligung), hebt sich die BB-Fanszene doch nach wie vor recht wohltuend von einer FuBa-Szenerie ab.
    Die Sache mit den Tickets ist ja auch nicht so easy, wenn man bis zum letzten Vorrundenspiel nicht weiß, wer wann gg wen spielt (immerhin war „wo“ ja schon mal klar ;-)).

    Klar hätte Litauen das Ding „normalerweise“ gewinnen können – müssen- sollen.
    Wer sich den Weg Mazedoniens durch das Turnier ansieht (einzige knappe Buzzerniederlage gg Rußland), durfte nicht wirklich überrascht sein (auch wenn Gr. F ernstlich als schwächewr einzustufen ist).
    Wenn sie auch nix großartiges können – kämpfen schon! Sie haben ihre Chance gg wohl indisponierte Litauer gewittert, sie (geschenkt) bekommen und dann auch genutzt.

    Symphatiefavoriten habe ich keine, sportlich halte ich alles für möglich, nur für MKD wird wohl das Ende der Fahnenstange erreicht sein. Macht aber nix, die haben ihren job übererfüllt

  6. Serbien ist gegen Russland raus, Liauen gegen Mazedonien. Da sollte die gute Losfeh echt nicht mehr herhalten müssen.
    Natürlich hat nicht Mazedoniens brillantes Talent das Spiel gewonnen. Die haben einfach Herz bis zum Anschlag und (auch wenn ich mir nicht wirklich vorstellen kann, dass die Reise noch weiter geht) dafür ab jetzt mein MItfiebern.
    Dass Deutschland gegen Mazedonien gewonnen hätte ist eine gewagte These. Bei Mazedonien kann ich seit den Vorbereitungsspielen (von welchen sie auswärts eines nur wegen eines letzten Wurfes nicht gewonnen haben) einen Schritt nach vorne sehen. Den hat Deutschland aus meiner Sicht nicht gemacht.

  7. Ich bin ganz der Meinung von Oldschoolballer. Litauen in dieser Form hätten wir auch besiegt und über Mazedonien lege ich mal den Mantel des Schweigens…Das Spiel war wirklich mies und eines Viertelfinales nicht würdig. Ich bleibe dabei, in dem anderen Grid wären wir mind. ins Viertelfinale gekommen und hätten zumindest ein Do or Die Spiel um die Olympiaquali gehabt.

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