Byars und die Bulls

Schafft es Derrick Byars dieses Jahr in die NBA? Eine kleine Analyse von Ron-Revolution zum Ende der Summer League in Las Vegas.

“Derrick Byars kann es in ein NBA-Team schaffen”, schrieb der NBA-Kolumnist Chuck Swirsky vor ein paar Tagen.

Kann er wirklich?

Wenn, dann werden es wohl die Chicago Bulls sein. Vor einem Jahr flog Byars in letzter Minute aus dem Team, weil die Bulls ihn nicht finanzieren konnten. Dieses Jahr gaben sie ihm eine zweite Chance in der Summer League in Las Vegas, die am Sonntag zu Ende ging.
Glaubt man den Augenzeugenberichten, dann kommt einem vieles aus der Berliner Zeit bekannt vor – im Guten wie im Schlechten. Byars hat noch immer diesen gesenkten Blick, als ob er sich verkriechen wolle, wenn er das Feld betritt oder verwirft. Aber er hat nach wie vor einen tollen Touch, kann die Dreier auch von weiter weg solide treffen und in guten Momenten zieht er unwiderstehlich zum Korb (wobei ihm in Las Vegas die Grenzen aufgezeigt wurden, wenn grössere, athletischere Center unter dem Korb warteten und ihn abgeräumt haben).

Die Bulls haben ihm in der Summer League viel Zeit gegeben. Gegen Portland stand er, von kurzen Pausen abgesehen, fast duchgängig auf dem Feld, 14 Punkte sind eine solide Bilanz (allerdings war sein zeitweiliger Gegenspieler Luke Babbitt, der 16. Draft Pick in diesem Jahr, mit 22 Punkten Top-Scorer der Partie).
Auffällig ist, dass er in Las Vegas mehr Einsatz gezeigt hat. Nicht, dass er bei ALBA nicht gekämpft hätte. Aber im Dress der Bulls redet er mehr, gibt mehr Anweisungen, ist präsenter. Ich glaube, für Derrick Byars ist Europa kulturell ein sehr grosser Schritt gewesen. Nach den Spielen hat er in Las Vegas mit dem einen oder anderen schwarzen Spieler rumgescherzt, sich herzlich in den Arm genommen – etwas, was ich bei ihm in Berlin nie gesehen habe. Er wirkt einfach harmonischer in seinem bekannten Umfeld.

Sein grösstes Manko dürfte seine Unkonstanz sein. Er hat in der Summer League richtig starke Phasen gehabt, wo man den Eindruck hatte, er hat das Potenzial und den Willen, mehr als nur ein Mitläufer in der NBA zu werden. Dann ist er phasenweise völlig abgetaucht. Trifft er einen, zwei Würfe nicht, hadert er mit sich und der Welt. Dass die nächsten beiden dann auch daneben gehen, ist absehbar. Er hätte gegen Portland, in seinem wohl stärkstem Spiel, als er schon 12 Punkte zur Halbzeit erzielt hatte, derjenige sein können, der das Spiel wendet. Aber als er zwei Dreier in Folge verwarf, war der Focus verschwunden und Byars lief einfach nur noch mit.

Interessant fand ich, dass er seinen desorientierten Pointguard Jack McClinton in Las Vegas gelegentlich mit deutlichen Worten zurecht gewiesen hat, wenn der Systeme mit den falschen Laufwegen eröffnet hat. Ob ihm die Pavicevic’sche Systemschule gut getan hat?

Überhaupt: Den schalen Nachgeschmack, den viele (mich engeschlossen) am Ende der deutschen Saison spürten, empfindet Byars offenbar nicht. Die Erfahrung in Berlin sei “unbezahlbar” gewesen, hat Byars am Rand in Las Vegas Swirsky erzählt (die anderen Zitate belasse ich wegen der Authentizität im Original). “I’m a lot more athletic than I was,” sagt Byars. “I’m healthier, which is the number one thing for me. I’ve improved my consistency on my jump shot, which is something I’ve been known for. Defensively, as well, which is going to be important if I want to make this team”, schliesslich achte der neue Bulls-Coach Thibodeau sehr darauf.

Die Bulls-Trainer haben viel mit Byars am Spielfeldrand geredet, sie suchen einen Forward wie ihn. Und dieses Jahr haben sie etwas mehr Geld verfügbar. Derrick Byars könnte der zweite ALBA-Spieler sein, der es von Berlin über Las Vegas in die NBA schafft.

3 Gedanken zu „Byars und die Bulls

  1. For the fun of it:

    Die bloggenden Bullsfans räumen ihm gute Chancen ein. Vor allem, wenn die Bullsoffer für JJ Redick gematcht wird und der nicht kommt. Dann ist die Position frei.

    Das ist sicher vor allem auch seiner wirklich guten Vorstellung letztes Jahr zu verdanken, wo er es ja aus Vegas raus bis in die Preseasonspiele der Bulls geschafft hat und er wohl sicher verpflichtet worden wäre, wenn die cap space dagewesen wäre.

  2. ein Spiel von ihm in der summerleague hab ich gesehen – er hat viel gespielt, schlecht getroffen und vor allem am Ende, als es drum ging, viele schlechte Entscheidungen getroffen. Insgesamt nicht unbedingt Eigenwerbung.

  3. Vielen Dank wieder für diesen schönen Beitrag :)
    Ich persönlich mochte Byars und empfand ihn nicht demotiviert oder dergleichen, sondern habe seine Mimik udn Gestik eher als selbstkritisch interpretiert. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, dass er von der Teamchemie her nicht so 100% passt hat, aber anscheinend gab es da eh generell Probleme und er konnte es nur nicht so gut nach außen hin verbergen… Auf jeden Fall wünsch ich ihm das beste!

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