Buletten statt Beluga? ALBA zwischen Wollmilchsau und Steinlaus

Es war ein lange geplantes Projekt. Oldschoolballer und gruebler kapern sich vom revolutionären Ron das Thema ALBA Berlin hier im Blog zurück. Nicht, dass wir Ron nicht in seiner wirklich guten Analyse zustimmen würden, aber die lange – und wohl weiter anhaltende – Schreibpause verschaffte uns Raum zum Nachdenken, für neue Bilder und eigene, frische Gedanken. Daher versuchen wir uns jetzt an einer gemeinsamen Bestandsaufnahme der Offseason 2010 bei den Albatrossen.

Steine umdrehen, das war das Baldi-Schlagwort, mit dem nach dem ernüchternden Viertelfinalaus die Offseason eingeleitet wurde. Umgedreht wurde viel. So viel, dass die dpa es jüngst einer eigenen Meldung für würdig befand. Ganze acht Spieler sind bereits gegangen. Nach zwei Jahren mit grosser Kontinuität ist dies ein klarer Cut. Nicht die Ära Pavicevic wurde beendet, aber die Ära der letzten Mannschaft. Was aber bedeutet dies für die kommende Saison? Bis auf einen Powerforward und vielleicht einen weiteren Smallforward steht ALBA 2010/2011 bereit, um die Euroleague-Qualifikation in Angriff zu nehmen und nach zwei mageren Ligajahren wieder nach dem Titel zu greifen.

Marinovic, Allen, Femerling, Idbihi, Schultze heißen die fünf neuen Spieler. Keine Megahypersuperstars, weder erwiesene, noch selbstproklamierte und von hier aus gesehen auch erstmal keine möchtegern ebensolche. Schaut man sich den Kader im ganzen an, stehen da nun fünf deutsche Nationalspieler unterschiedlicher Generationen auf den Einwechselplätzen bereit. Der Kader ist tief, erfahren und grundsolide. Ist die Folge eine ganz fehlende oder zumindest stark verkleinerte Busfahrerrotation? Alle Spieler, die in der Vergangenheit mit den Handtüchern wedelten sind nun bei ALBAlight, pardon der TBB.

Weniger Chiefs, mehr Indianer.

Das glaubten wir zunächst, doch dann wurde klar, die Franchiseplayer Jenkins und McElroy bleiben. Aber sind sie wirklich Häuptlinge? Gerade diese Qualität, nämlich emotionales Leadership haben Ron und wir dem MVP gerne abgesprochen. Mac is leading by example. JJ ist ebenfalls nicht der verbale Motivator auf dem Feld. Wenn also nicht Marinovic oder der neue Powerforward der Uberleader wird, fehlt zukünftig der gewohnte Häuptling mit 30+ Minuten. Doch schadet dies? Socke, Steffi und Svenni mögen vielleicht nicht so viel spielen, doch alle drei zeichnen sich dadurch aus, dass sie jederzeit bedenkenlos aufs Spielfeld kommen können und ihren Mitspielern ordentlich Feuer unterm Hintern machen, selbst wenn sie nur brüllend am Parkettrand stehen.

Weniger Attitüde, mehr Baditude. Weniger filigran, mehr Handwerk.

Diva Meckerliesl Golemac, BlingBling Bajramovic und Mr. „I’m NBA material“ Byars sind wech. Zuweilen Schönwetterspieler Chubby auch. Obwohl der defense drill instructor Dojcin ebenfalls gegangen ist, sollte die engagierte Verteidigung Berlins trotzdem nicht leiden. Socke mag nicht mehr der Jüngste sein, aber 2,15m werden nicht so leicht umspielt. Yassin fightet um Rebounds, Schultze hat das „not in my house“-Foul perfektioniert. Zusammen mit dem Beißer Hamann und dem ewigen besten Verteidiger McElroy ist das eine Mannschaft, die sich defensiv nicht verstecken muss. ALBA hat sich aus dem lange vernachlässigten Steinbruch Nationalmannschaft einen guten Mix rausgepickt.

Auch Derrick Allen ist alles andere als ein flashy player. Mit unermüdlichem Arbeitseifer hat der sich still und heimlich zu einem echten Allrounder am Brett gemausert, undersized aber immer gefährlich. ALBA ist jetzt variabel, weniger ausrechenbar. Verantwortung wird, Minuten werden auf vielen kantigen Schultern verteilt (eventuell auch im coaching staff?). Der Superstar fehlt und wohl keinem der Spieler kann man nachsagen, dass er wie Byars oder Bajramovic nur auf die Show schielt. Solide Handwerker auf hohem BBL-Niveau. Aber reicht das für Europa?

Die Suche nach der Wollmilchsau

Der X-Faktor aber, der das Gebilde zu höheren europäischen Weihen führen könnte (sprich aus der Quali in die EL) fehlt noch immer. Wanted: ein Powerforward, vermutlich der Starter vor Schultze, wird noch händeringend gesucht. Es ist die Schlüsselposition im System Pavicevic. Gerüchte? Fehlanzeige. Gesucht werden dürfte die eierhabende Wollmilchsau: Spielintelligent, mit Distanzwurf und trotzdem genug Physis für Rebounds und den Zug zum Brett. Die Spielanlage eines Smallforwards mit dem Bau eines Powerforwards. Der erfahrene Nikolic in jungem Körper.

Das schönen-dunk-Sommertheater mit dem Usernamen FrankZappa denglischte von fehlenden 100.000 Kröten für die Idealbesetzung. Die üblichen Verdächtigen des letzten Jahres (Nelson…) sind vom Markt und Nein, wir wärmen jetzt nicht die Suput-Suppe auf, sondern lassen uns einfach mal überraschen.

Wir – ja, tatsächlich, nicht nur der gruebler – haben Lust bekommen auf ALBA 2010/2011. Es wird vielleicht nicht der schönste Basketball, es ist nicht die talentierteste Mannschaft, doch es klingt nach engagiertem Kampf, Willen und Intensität. Und der deutsche Nationalmannschaftblock sollte tough genug sein, Jenkins etwaige Starallüren auszutreiben, vielleicht auch einfach ihm die Drecksarbeit abzunehmen, so dass er wieder befreit glänzen kann.

ALBA stand nach dem Viertelfinalaus vor einem Trümmerberg. Sie haben ihn in bester Berliner Trümmerfrauenmanier zu einem Steinbruch gemacht und daraus etwas spannendes gebaut.  Es ist ein no nonsense , no frills team. Wir haben damals im Mai in Frankfurt eine Mannschaft gesehen, der der hessische Luftdruck nicht bekam, das Höschen klemmte, die Dusche nicht die rechte Temperatur hatte und all solche Sachen. Wir dachten in den Playoffs, dass Luka das Team nicht erreicht, weil er selbst zu statisch ist. Vielleicht konnte er aber nur mit der „Hund in der Handtasche“-Mentalität einiger nichts anfangen und braucht Spieler, die vielleicht nicht die talentiertesten, aber schon erwachsen sind. Jetzt  hat er sich diese Typen zusammengesucht, die notfalls auch mal in der Turnhalle mit ‚ ner Matte auf dem Boden schlafen, so wie es sein muss und die keine Angst um ihre Fönfrisur oder ihre Fingernägel haben. Die auf dem Feld die Drecksarbeit machen, wenn es nicht laufen will und nicht statt dessen ‚ nen waidwunden Blick aus wunderschönen dunkelbraunen Rehäuglein an die Hallendecke schicken oder mit den Refs hadern . Arbeiter. Blue collar. Echte nach ehrlichem Schweiß stinkende ALBA-Müllmänner. Intensive Spieler, die auch mal laut „Scheiße“ schreien. Vielleicht hätte Berlin genau dieses Team auch schon vor zwei Jahren haben können. Aber dadurch, dass ALBA damals größere finanzielle Möglichkeiten hatte, wollten sie wohl lieber was „schickeres, größeres mit mehr Sexappeal“ für die neue O2Arena.  Vielleicht sehen wir also jetzt wieder eine echte Lukamannschaft, wie früher bei Hemofarm. Sozusagen das Basketballgenerikum als Medizin für geschundene ALBAseelen? Gleiches Ergebnis wie 2007/2008 nur nicht in so hübscher Verpackung? Aber dafür mit viel JA! ?

Uns würde es freuen und es wäre mal ein anderer Weg als die landläufige Dosis Trainerentlassung und Allheilmittel Neuanfang. Der Weg, den Berlin da beschritten hat, ist ungewöhnlich. Die verbliebenen Stars werden ohne grossen Knall, aber leise knabbernd, von der Last der Alleinverantwortung befreit, die sie deutlich sichtbar wie Wackersteine im Bauch oder Betonklötzte um die Knöchel, lähmte.

Nur eine Frage bleibt offen: Wir wüssten zu gerne, wer da die ebenso eifrige wie seltene Steinlaus losgeschickt hat, die ganzen Bremsklötze anzunagen:

Woher also kommt Berlins Petrophaga albanii genau?

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7 Gedanken zu „Buletten statt Beluga? ALBA zwischen Wollmilchsau und Steinlaus

  1. …kommt mir bloss nicht mit falscher lateinischer Deklination. Ich weiss, dass es falsch ist, aber es klingt cool :-)))

  2. hab gestern hier in Vilnius mal mit ein paar Zalgiris Leuten gesprochen. Mario Delas soll ausgeliehen werden, ambesten zu einem Euroleague Team. Vom Profil her wäre er ja geradezu ideal für Luka.
    http://www.europeanprospects.com/1990-born/forward-1990-born/mario-delas/u19-wc-2009-mario-delas-mvp-performance/

    Nur ist er noch etwas jung und Kroate. Wäre das eventuell machbar für ALBA? Vom finanziellen her dürfte es möglich sein. Ich hab den Zalgiris Leuten auf jeden Fall mal von ALBAs PF Problem gesprochen. Mal schaun ob dann demnächst bei Marco Baldi ein Anruf aus Litauen kommt

  3. Also ich weiß immer noch nicht recht was ich vom ALBA Kader halten soll, meine beiden Schlüsselpositionen sind Marinovic und Mr. X. Bei Valencia und in der ACB war ersterer zwar nicht überragend, aber wir haben ja an Gavel gesehen, welch Unterschied zwischen ACB und BBL ist. Er muss einer der besten Spielmacher der Liga sein und ALBA anführen. Wird der Powerforward ein richtig guter auf europäischem Niveau sag ich „hui“, wenn nicht eher „pfui“.

    „…und Mr. „I’m NBA material“ Byars sind WECH.“; Schön, dass Du jetzt auch Fränkisch sprichst. :-)

  4. Auch wenn ich mit Byars nicht so hart ins Gericht gehen würde, freue auch ich mich auf die neue Saison. Zu oft hat mir in der letzten der echte Wille gefehlt, Spieler, die sich für die Fans den Ar*** aufreißen. Dies erhoffe ich mir von der neuen Mannschaft. Zudem würde ich die Mannschaft auch von der Stärke her nicht schwach reden, denn letztlich ist es das Gesamtgefüge, das zählt und nicht einfach nur die Qualität der Einzelspieler. Talent und Können kann man eben in einem Team nicht einfach addieren. Vielen Dank also für diesen Blogeintrag, der zeigt, dass sich auch andere freuen :)
    Besonders froh bin ich übrigens über McElroys Verbleib, bei Jenkins hätte ich zugegebener Maßen weniger getrauert, er ist in meinen Augen einfach keine Identifikationsfigur und leider auch kein Häuptling, aber wenn er gute und sehr gute Leistungen abliefert, soll es mir recht sein :) wenn nicht, dann will ich wenigstens Kampfeswillen gesehen haben ;)
    Was DEN Häuptling angeht, kann ich mir übrigens kaum vorstellen, dass man da an Socke vorbeikommt…

  5. Idbihi würde ich da aus der Aufzählung der Defense-Asse rausnehmen. Der Junge ist bei allem Einsatz und Willen ein grausliger Verteidiger – sowohl individuell als auch in der Teamdefense.

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