[Ein gruebler-osb-Gemeinschaftsgegruebel] Was haben wir hier noch vor kurzem nach Spiel 3 ALBA kritisiert und schon straft einen die Berliner Mannschaft Lügen.
Doch, halt! Genauso war es eben nicht. Kritisiert wurde von uns nur so harsch, weil es in unseren Augen feststand, dass da bei ALBA nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft wurde, ja in Bamberg letzten Samstag noch nicht einmal daran gekratzt wurde. Hätten wir das Gefühl gehabt, dass jeder Einzelne sein (und die Mannschaft als Gesamtes ihr) Möglichstes gibt, hätten wir nicht viel schreiben müssen. So aber gingen letztes Wochenende wütend bis enttäuschte Emails, Telefonate und SMSe hin und her. Grundtenor und explizite Zeile: Bamberg ist nicht besser als Berlin – teilweise sogar im Gegenteil.
Also haben wir es schon immer gewußt, oder wie? Nein, vielleicht geahnt, aber getraut öffentlich zu schreiben hat sich das niemand von uns, also sind wir auch nicht besser als all die anderen Wundertüten- und Achterbahnschreiber. Das wär´s echt gewesen, Samstag Nacht nach der ernüchternd-deutlichen, gar chancenlosen Niederlage von ALBA beim Titelverteidiger Bamberg frech zu titeln: „Brose ist nicht besser als Berlin“. Tja, eben keine Eier gehabt, Chance vertan, bitte hinten anstellen.
Was aber war nun gestern anders für ALBA, als letzten Samstag in Bamberg? Alles. Nach anfänglichem Stottern – immerhin lag ALBA, als Grübler verspätet in die Halle kam mit fast 10 Punkten zurück – fingen sich die Großvögel und fanden ihr Spiel. Jeder der 9 eingesetzten Spieler übernahm Verantwortung. Sie besannen sich auf ihre Stärken, brachten den Ball unter die Bretter zu Idbihi und Raduljica, Dragicevic attackierte den Korb, Jenkins wirkte lauffreudig und entschlossen. Kurz gesagt, sie taten endlich das, was ihr Job ist: Basketball spielen. Und liessen endlich dass, was ihnen gar nicht steht und ihnen nur geschadet hat: Meckern, Motzen, Mimimimi.
Das Spiel 4 begann nach ausgeglichenem Start im 2. Viertel in Richtung Berlin zu kippen, als ALBA im Anschluss an die 2-2-1-Ganzfeldpresse, die Bamberg beim Ballvortrag immer wieder viel Zeit kostete, hinten begann, eine antiquierte aber wirkungsvolle 2-1-2-Zone aufzubauen. Böse Zungen behaupten, dass Norbert Thimm neulich bei Sven Simon anlässlich seines Besuches im Beko BBL Studio sein Playbook aus den 70ern auf dem Crunchtimesofa liegen gelassen hat und so dann gestern die o2World in den seltenen Genuss dieser „Mädchendefense“ kam. Unspektakulär, aber äußerst wirkungsvoll. Ja, ja, die Tricks der Frauen eben ;-)
Es ist schon erstaunlich, dass Berlins Centergarde offenbar tatsächlich diese leicht angestaubte Zonenverteidigung brauchte, um ihre eigentlich schon länger deutlich vorhandene Überlegenheit zum Tragen zu bringen. Berlins lange Leute haben klare Vorteile gegenüber denen Bambergs. Pleiß ist, höflich ausgedrückt, seit Wochen nicht annähernd in der unbekümmerten Vorjahresform. Hines ist toll, aber ab und an eben einfach zu klein und auf Dauer allein als Arbeitstier unter den Körben auch nicht genug. Terry hat sich in Dreier und Dribbelarien in der Nähe der Mittellinie verliebt, Suput ist nur bei eigenen Offensivaktionen spürbar in der Zone zu finden. Und das wars dann auch schon. Eigentlich liegt es auf der Hand, dass ALBA genau dort, unter dem Korb, in der Zone, klare Vorteile hat, gestern Abend konnten sie diese zum ersten Mal in den Finals sichtbar machen – im Mannschaftsverbund und ausgerechnet mit der Winke-Winke-Mädchenzone. Funny. Bamberg hatte gegen diese Verteidigungsform erstaunlich wenig im Programm. Relativ hilflos sah das vorne aus, nur durch die eigene gute Defense blieb man überhaupt so lange in Reichweite. Die Rebounds (36 zu 17 für Berlin!) sprechen ebenfalls eine klare Sprache, auch eine von Willen und Einstellung, aber eben auch eine von schierer Überlegenheit im Frontcourt. What´s more? Goldsberry spielte sehr viel, Gavel sehr wenig, warum bleibt Flemings Geheimnis und Bamberg wird in Spiel 5 am Samstag Abend `ne mächtige Schippe drauflegen müssen, um den Heimnimbus zu wahren und den Meistertitel verteidigen zu können.
Was wäre es für eine Ironie des Basketballschicksals, wenn ausgerechnet die Berliner Chaostruppe mit der diesjährigen Beständigkeit eines warm gewordenen Wackelpuddings, den Bambergern ihre erste und einzige BBL-Niederlage zu Hause zufügen könnte. Wenn ausgerechnet diese erste – und zugleich letzte – Saisonniederlage den Verlust des Titels für Brose bedeuten würde, nach einer geradezu absurd überlegenen und mehr als souveränen Hauptrunde. Wenn diese erste Niederlage ausgerechnet gegen Berlin käme. Ausgerechnet gegen das Team, das sie geholfen haben völlig zu disintegrieren – damals mit der oberpeinlichen 103-52-Niederlage am 18. Dezember 2010 in Bamberg.
Für Berlin wird es in Spiel 5 entscheidend sein, die eigenen PS aufs Parkett zu bringen und sich nicht mit sinnlosen Scharmützeln auf Nebenschauplätzen selbst aus dem Rhythmus zu bringen. Was es doch so bewirken kann, wenn man überschüssiges Adrenalin und Testosteron nicht mit Negativem verbrennt, sondern mit dem, was man tatsächlich selbst beeinflussen kann. Üüüberraschung. Die Spieler spielten, der Coach coachte. Sogar die ewig lang vermisste 2-Pointguardvariante mit Heiko und Rochestie gleichzeitig auf dem Feld, packte der Coachingstaff endlich aus – eine weitere Probierpackung, die dem Zuschauer angeboten wurde und die ganz entscheidend zum gestrigen Sieg beitrug. Coaching statt schmolling als Konzept und letztendlich waren es diese ganzen neuen Varianten in Angriff und Abwehr, die den Sieg für ALBA brachten. Nach 7.5 Minuten hatten bereits 9 Berliner Spieler das Feld gesehen. Weitere kamen in den folgenden 32.5 Minuten nicht mehr hinzu. Sinnvolle Verkürzung der aufgeblähten Rotation – es standen die auf dem Feld, die an diesem Tag dem Team helfen konnten und wollten.
Zum Zungeschnalzen: Zeig dem Gegner einfach mal was Neues, wenn er dich schon so gut kennt. Ein wenig: „Ich stell dir meine Aufgabe – dann zeig, ob du mir eine stellen kannst.“ Wie heißt noch dieses Kinderspiel, wo immer Einer beim Anderen oben die Hand drauf legen muss? Klassisches Playoffcoaching in der Finalserie- endlich auch von Berlin.
Und jetzt? „Not in our house!“ wird auch das Bamberger Motto am kommenden Samstag lauten. Auswärts in einer kochenden o2 world – die richtig Spaß macht – ist das eine. Zu Hause in der schummrigen Stechertarena, das ist eine ganz andere Kiste.
Eine Meisterschaft für ALBA geht nur über einen Sieg in Bamberg. Das hat diese Saison noch kein deutsches Team geschafft. Es hätte schon einen besonderen Reiz, im letzten Saisonspiel den Bambergern die erste Heimniederlage zuzufügen. Aber das ist unser Sport, das sind die Playoffs: Die lange Saison ist in einem fünften Finalspiel egal. Nothing counts. Es ist best of 1. Alles zuvor zählt nicht, alles zurück auf Los.
Wo kommt denn auf einmal diese garstige rote Klatschpappe her? Iiiigit, igit! ;-)
letzten Samstag frisch aus Bamberg importiert ;-)
5 € für das Phrasenschwein:
Man spielt immer nur so gut, wie es der Gegner zulässt. Dies war in Bamberg so und so war es auch bei den beiden Partien in Berlin.
Berlin so gut, weil Bamberg so schwach war. Gilt auch umgekehrt.
Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass man als Heimfan die Leistung seines Teams immer besser sieht als die des Gegners. Aber soo toll fand ich Alba bislang nicht. In Spiel 4 haben sie halt die Bamberger Schwächen gnadenlos ausgenutzt, dafür Respekt.
Ist das nicht zuletzt die beliebte Henne und Ei-Diskussion? War Berlin so stark, weil Bamberg so schwach war oder Bamberg so schwach, weil Berlin so stark war? Ich denke, wie so häufig liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Bambergs Spielfluss ist gegen die Zonenverteidigung der Berliner ziemlich ins Stocken geraten (Pluspunkt Berlin). Dies wurde aber auch begünstigt von dem Umstand, dass die Bamberger nicht sonderlich gut aus der Distanz getroffen haben (Minuspunkt Bamberg).