Revolutionäre Playoffs

Favoritenstürze, Überraschungssiege, all das macht der Bundesliga Mut. Ohne Zweifel haben sich alle vier Halbfinalteilnehmer sportlich überzeugend durchgesetzt. Dennoch ist das Aus der vier besten Teams der Hauptrunde eine echte Überraschung. Wann gab es das zuletzt? Und woran mag diese kleine Revolution liegen? Ein paar rohe Gedanken hierzu und ein Blick auf die anstehenden Halbfinals.

Leidenschaftlich wird auf schoenen-dunk.de darüber gestritten, wie es zu dem Ausscheiden von Oldenburg, Berlin, Göttingen und Bonn kommen konnte und ob es der Liga gut tut. Bis auf Bamberg sind die starken Marken der Liga und letztjährigen Halbfinalteilnehmer draußen. Fünf von sechs Teams, die die BBL diese Saison europäisch repräsentierten, haben es nicht ins Halbfinale geschafft und dies auch noch in einer Saison, die mit der Top 16-Teilnahme Bambergs, dem Berliner EuroCup-Vize-Titel und dem Göttinger EuroChallenge-Gewinn die wohl erfolgreichste überhaupt für BBL-Clubs war.

War es die Doppelbelastung, ein zu früher Saisonhöhepunkt für Berlin und Göttingen? Oder war es falsch für Europa auf Kontinuität zu setzen in einer Saison, wo dank eingebrochenem Markt auch Midseason noch Eurostars wie Goree oder Gavel ihren Weg in BBL-Clubs fanden? Nivellieren sich in der Wirtschaftskrise die Auswirkungen unterschiedlicher Etats? Haben manche auf die „falschen“ deutschen Spieler gesetzt, wenn man nun sieht, wie Braunschweig und Bamberg auch dank Pleiss und Tadda, Schaffartzik und Idbihi rocken? Es bleibt genug Zeit für Analysen, doch meckern und lamentieren hilft nicht:

"Stop Bitching - Start a Revolution"

Denn alle vier Halbfinalisten haben eines gemeinsam: Sie stehen jeweils für ein bestimmtes Projekt. Sie haben ein mehr oder weniger klares Profil, haben teils bis kurz vor den Playoffs jeden Stein umgedreht und sich in Form gebracht. Dass dies erfolgreich ist, das haben sie den ausgeschiedenen Clubs ins Stammbuch geschrieben.

1. Halbfinale: Bamberg (5) vs. Braunschweig (8)

Es ist das Duell der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen deutschen Nationalspieler. Garrett, Tadda und der rising Star Tibor Pleiss gegen Heiko Schaffartzik und Yassin Idbihi. Dass die Braunschweiger zudem noch ihr heimgekehrtes Eigengewächs aus dem Vorort, Nils Mittmann im Kader haben, wird dabei gerne übersehen. Es sind zwei Mannschaften, die Hoffnung auf die Zukunft der Liga machen. Mannschaften, die zeigen, wie erfolgreicher Basketball in Deutschland in zwei, drei Jahren aussehen kann und dank der steigenden Quote auch muss: Ein paar tolle Stars, harte Arbeiter und echte Verantwortung für deutsche Nationalspieler.

Wann hatte zuletzt ein Tabellenachter zwei Nationalspieler im Kader und der Tabellenerste keinen einzigen? Spannung ist gut, aber Vertrauen auf die Zukunft lohnt sich. Überhaupt hat Braunschweig viel richtig gemacht: Ein neuer Coach, eine neue Mannschaft und ein neues Selbstbewusstsein schaffen neues Vertrauen bei Sponsoren und Fans. Die leise Braunschweiger Revolution weckt Begeisterung, wie ich immer wieder höre und spüre, wenn mir meine Familie nach den Spielen, die sie erstmals seit Ende der 90er wieder regelmäßig besucht, berichtet.

Die Begeisterung für Basketball ist in Bamberg legendär. Anders als die Braunschweiger, die wahlweise auf Eintracht oder Lions ausweichen, ist FreakCity Basketball. Und doch brauchte es einen Neuanfang, um in dieses Halbfinale zu kommen. Bamberg hatte bereits 2008 begonnen alte Zöpfe abzuschneiden, als der Dirk Bauermann ging und sich auf die Arbeit mit der Nationalmannschaft konzentrieren musste. Winterkrisen folgten, das Wechselkaroussel drehte sich bis in diese Saison, als Heikos alter Buddy aus Gießener Tagen, Anton Gavel, kam. Doch jetzt, nach zwei Jahren sind sie mit Wucht wieder da und greifen nach dem Double, dem ersten seit ALBA Berlin 2003, dem fulminanten Ende der Serienmeisterschaften.

Seit 2003 konnte auch kein Team eine Meisterschaft verteidigen. Erleben wir in Bamberg die Konterrevolution, das Projekt, das dazu aufbricht, eine Serie zu starten? Zunächst muss aber ein Sieg gegen Braunschweig her und die Niedersachsen haben gezeigt, dass sie kämpfen werden.

Halbfinale 2: Bremerhaven (6) gegen Frankfurt (7)

Bremerhaven gegen Frankfurt. Eisbären gegen Skyliners. Es ist ein pikantes Duell. Die beiden Clubs, die die Eurostars rausgeworfen haben, treten gegeneinander an. In beiden Clubs blieb vor der Saison kaum ein Stein auf dem anderen. Die Frankfurter sagten Europa ab, bauten stattdessen eine Nachwuchsmannschaft und kauftenfür die erste Mannschaft günstig ein. Bremerhaven holte noch vor der Wildcard Coach Spradley und bastelte sich vollkommen ein neues Team. Es ist kein Profil, das mich begeistert. Bessere Spielkultur kam erst mit dem Abschied von Rodney Buford und der Verpflichtung von AnthonyAndrew Drevo. In Frankfurt war es der Trainerwechsel, der aus Didins wilder Truppe blitzgeschwind eine geschlossene Mannschaft machte.

Es sind zwei Clubs mit ganz unterschiedlichem Background. Hier der teils öffentlich geförderte Basketballbeschäftigungsbetrieb Eisbären aus der wirtschaftskrisengebeutelten Seestadt. Die mussten noch vor Jahresfrist um die Wildcard zittern und bekamen nur dank der Kölner Insolvenz die zweite Chance und Philip Schwethelm gleich dazu.

Dort die Frankfurter mit den Bankentürmen im Mannschaftlogo und Ackermanns Deutscher Bank auf der Brust. Vor einem Jahr noch als Sparliners verhohnepiepelt, nun auf dem besten Weg wieder, wie längst schon ihre Kollegen in den Hochhäusern, die Boni für gute Performance zu erspielen. Ist es Klassenkampf? Der ehrliche Arbeiter und große Sportsmann Jeff Gibbs gegen Derrick „Primaballerina“ Allen (Danke, Miles!)?

Jedenfalls ist es ein Duell, das so vor der Saison wohl niemand erwartet hätte. Ein Duell, das wir im Pokalhalbfinale sahen und bei dem die Skyliners – noch unter Didin – knapp gewannen. War Frankfurt gegen Berlin nur besonders gut vorbereitet, oder sind sie wirklich nochmal eine ganze Ecke besser geworden dank Gordon Herbert? Irgendwie ist der Ausgang doch klar… am Ende siegt das Kapital, oder gibt es hier eine kleine Revolution der „Hafenarbeiter“?

11 Gedanken zu „Revolutionäre Playoffs

  1. schön geschrieben, allerdings passen die „sponsored by öffentlicher hand feat. wildcard und dann dicke einkaufstour“-bären nicht wirklich ins bild des proletariat vs bänker showdowns.

  2. Hoffentlich loest sich das etwas andere Problem der „Kinderarmut“ in Bhv schnell.
    Die Zuschauerzahlen waren ja teilweise GRUSELIG. Etwas wie POs nicht wirklich wuerdig.

  3. Da fließen aber nicht Tausende von SteuerEuros in ALBA oder Hertha… Das ist der kleine aber feine Unterschied zu den Eisbären…
    Trotzdem erschrecken diese Zahlen doch immer wieder. Was geht es einem selbst doch gut…

    • wobei das Stigma „HartzIV“ ja gar nicht das Stigma sein muß.
      Will sagen, ziemlich derbe Armut und beschissene Lebensumstände an sich, machen noch kein trübes Folgeschicksal aus. In der Tat sind es aber Dinge wie Bücher, Anregung, Vorlesen, Reden, Bildung, Interessenförderung, Kultur, Kunst, Sport und Musik, die den Unterschied ausmachen. Das haben oder nicht haben, entscheidet über den Rest des Lebens. Diese Dinge kann man in großem Umfang einem Kind tatsächlich auch ohne Geld ermöglichen, dann wird auch `n bißchen was draus. Es passiert nur fast nie.

  4. Pingback: Jubiläumsrauschen #50 « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

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