EuroBasket 2011 in Litauen – Ein Ausblick (Teil 3)

Heute dritter und letzter Teil des EM Ausblicks unseres Gastschreibers goga78:

5.) Serbien

Ausgangslage:

Die junge Truppe um den erst 23jährigen, jedoch bereits auf dem höchsten Euroleague-Niveau arrivierten Spielmacher, Milos Teodosic wird sich erneut anschicken, die verlorene Ehre des serbischen Basketballs wiederherzustellen, der nach dem Gewinn der WM 2002 in Indianapolis, USA im Begriff war, sich selbst zu zerstören.

2003 fegten die künftigen Goldmedaillisten um Sarunas Jasikevicius die damals noch jugoslawische (Serbien und Montenegro) Startruppe im EM-Viertelfinale vom Platz. 2004 wurde man bei den Olympischen Spielen in Athen Vorletzter (11.), während man 2005 bereits in der EM-Vorrunde Israel unterlag und sich somit vorzeitig aus dem Turnier verabschiedete. 2006: WM-Elfter. 2007: EM-Dreizehnter. 2008: Nicht qualifiziert für die Olympischen Spiele. Interne Streitigkeiten bestimmten den Alltag, ehe man einen totalen Neubeginn wagte. Der erfahrene Coach Dusan Ivkovic, der bereits 1988-95 die jugoslawische Nationalmannschaft trainierte, übernahm wieder das Ruder. Strengste Disziplin und totale Hingabe der jungen Talente bescherten im Anschluss dem serbischen Team auf Anhieb den zweiten Platz bei der EM 2009 – mit dem jüngsten Team des gesamten Teilnehmerfeldes. Bei der WM 2010 schlug man im Viertelfinale Titelverteidiger Spanien, ehe man im Halbfinale in letzter Sekunde kontrovers gegen die heimischen Türken ausschied und dann Bronze an die starken Litauer abgab. Bis auf den Center Nenad Krstic sind wohl keine in der NBA spielenden Serben im Kader zu erwarten, mit möglicher Ausnahme von Darko Milicic, welcher derzeit in Minnesota seine beste Saison jenseits des Großen Teiches spielt. Wohin der Weg Serbiens aber nun nach der plötzlichen Abdankung Dusan Ivkovics Mitte Februar führt, ist momentan völlig unklar. Das Team ist erst einmal trainerlos und es könnte eine Zeit lang dauern, bis der Verband die Position wieder besetzt hat.

Starting Five:

PG: Milos Teodosic – Olympiacos Piraeus. Unbestrittene Führungspersönlichkeit, nervenstark mit toller Übersicht, starkem Wurf und Tendenz zu spielerischen Übertreibungen. Ist jedoch immer da, wenn das Team ihn braucht. Seit ein paar Tagen ist er sogar Europas Spieler des Jahres 2010 – und das im zarten Alter von 23. Sein Killerschuß mit Ansage eliminierte bei der WM in der Türkei die verblüfften Spanier in der letzten Sekunde.

SG: Uros Tripkovic – Unicaja Malaga. Guter Schütze mit ausreichend Spielzeit bei einem spanischen Vertreter in der Euroleague. Nicht der beste Shooting Guard im Team, wird aber wohl die Spiele anfangen, um die Bank nicht ihrer firepower und Vielseitigkeit in Gestalt von Aleksandar Rasic zu berauben.

SF: Marko Keselj – Olympiacos Piraeus. Der Ex-Kölner ist ein großgewachsener Schütze und spielt ebenfalls in Griechenland unter seinem Ex-Nationalmannschafts-Coach. Dort allerdings mit relativ wenig Spielzeit, obgleich seine Position im Team die am dünnsten besetzte ist.

PF: Novica Velickovic – Real Madrid. Genießt nicht das Vertrauen vom Head Coach Ettore Messina, obwohl er es immer mit guten Leistungen belohnt, wenn er ausreichend Spielzeit bekommt. Mit Partizan Belgrad feierte er seine bislang größten Erfolge.

C: Nenad Krstic – Ex-Oklahoma City Thunder nun Boston Celtics. Bekam und bekommt konstant und ausreichend Spielzeit bei einem starken NBA-Team. In den 3 Spielen für Boston bisher sind die Minuten und ppg sogar noch gestiegen. Punktet und verteidigt gut auf FIBA-Level.

X-Faktor:

Dusan Ivkovic ist Legende (2008 unter die 10 besten Euroleaguecoaches aller Zeiten gewählt), ein Trainerfuchs und Milos Teodosic sein verlängerter Arm, nicht nur bei Olympiacos, sondern auch im Team der Nationalmannschaft. Die beiden kennen sich in und auswendig – es ist eine sehr fruchtbare Kooperation. Allerdings nun anscheinend nicht mehr im Nationalteam. Serbien ist erstmal trainerlos und vielleicht damit auch seiner größten Waffe beraubt. Unter „Duda“ fügten sich alle Spieler der eisernen Disziplin und nur weil jeder seine konkrete Aufgabe zu meistern versuchte, hatten sie durchaus guten Erfolg in den letzten zwei Jahren. Seien wir ehrlich – das halbe Team ist nichts besonderes. Spieler wie Markovic oder Tepic, egal, wo sie spielen mögen, gibt es in Europa zuhauf. Bjelica oder Keselj sind bei weitem noch nicht so weit, irgendeine tragende Rolle in Europa zu spielen. Erceg hat nur Rückschritte gemacht, Savanovic ist ein solider Spieler, aber auch nicht mehr. Man lebte von der Körpergröße auf jeder Position, von Teodosic, der sich gut entwickelte und vor allem von Duda und seinem System. Weder Pesic noch Obradovic werden das Ruder übernehmen. Der Rest der serbischen Trainer verfügt weder über diese Erfahrung noch über derartige Autorität.

Unabhängig vom Trainer betrachtet, wird man, um etwas Zählbares zu erreichen, auf jeden Fall besonders auf ein gutes Turnier von einem der Bankspieler angewiesen sein – Aleksandar Rasic. Er ist in der Lage, Teodosic als Scorer und als Spielmacher zu entlasten, auch in Kombination mit dem Star der Mannschaft auf dem Parkett. Es ist unklar, ob die jungen Spieler, welche über die Saison hinweg wenig Spielzeit in Griechenland und Spanien bekommen haben, einschlagen werden.

6.) Deutschland

Ausgangslage:

Das Auftreten der jungen deutschen Truppe überraschte 2009 und auch 2010 positiv und enttäuschte aber auch zugleich. Ohne Dirk Nowitzki wurde man von vielen zu Kanonenfutter proklamiert, schaffte es teilweise aber, sich teuer zu verkaufen oder gar Überraschungssiege zu landen (zuletzt 2010 in der Vorrunde gegen Serbien nach zweifacher Verlängerung). Am Ende schied man jedoch jeweils recht unspektakulär mit 1-5 Siegen (bei der EM in Polen 2009 in der Zwischenrunde) und 2-3 Siegen (bei der WM in der Türkei 2010 schon in der Vorrundengruppe) aus. Man war teilweise erfolgreich mit dem stringenten Systembasketball von Head Coach Dirk Bauermann, der keine Freiheiten an die einzelnen Spieler delegiert. Gleichzeitig verfügt Deutschland auch über keine Spieler, die im eins-gegen-eins Akzente zu setzen vermögen. Diesmal könnte jedoch der einzige deutsche Superstar dabei sein – Dirk Nowitzki. Man könnte sagen, die beiden letzten Turniere, welche Dirkules ausgesetzt hatte, haben dem Team gut getan, indem andere Spieler gezwungen waren, Verantwortung zu übernehmen. Aber ohne Nowitzki ist das deutsche Team noch nicht bereit, den nächsten Schritt zu tun. Tibor Pleiß und Robin Benzing sind noch nicht physisch und nicht erfahren genug. Im Schlepptau von Nowitzki könnte theoretisch auch Kris Kaman von den LA Clippers kommen, der jedoch derzeit verletzt ist und in dieser Saison kaum gespielt hat, was eine Teilnahme extrem unwahrscheinlich macht.

Starting Five:

PG: Steffen Hamann – FC Bayern München. Der neue Trend der deutschen Nationalmannschaft – Nationalspieler, die nicht in der BBL (oder einer anderen 1. Liga) spielen. Was Benzing und Elias Harris seinerzeit vormachten, wird Hamann wiederholen, begünstigt vom Mangel an deutschen Aufbauspielern mit nötiger Erfahrung, denen Bauermann das Vertrauen schenkt.

SG: Heiko Schaffartzik – Alba Berlin. Ausgehend von der Annahme, dass Per Günter es nach einer erfolgreichen Saison in Ulm in den EM-Kader schaffen sollte und Demond Greene seit Monaten verletzt ist, könnte Schaffartzik in die Rolle des Schützen rutschen und Spiele vor Lucca Staiger anfangen.

SF: Robin Benzing – in Ulm der beste Scorer mit der meisten Spielzeit, aber die Trefferquote ist immer noch nicht gut. Mangels Alternativen wird Benzing die Rolle eines Starters bekommen.

PF: Dirk Nowitzki – Dallas Mavericks. Der beste deutsche Basketballer aller Zeiten. Der Eigentümer der Mavs wird etwas dagegen haben, dass Nowitzki aufläuft. Sollte es in der NBA aber zum Lockout kommen, wird Dirk wohl nicht zu halten sein und seinen Flug nach Litauen buchen. Die Vorbehalte Cubans gegenüber internationalem Basketball sind bekannt, aber seinen Starspieler wird er nicht verärgern wollen. Sollte Nowitzki jedoch nicht spielen können oder wollen, ist Jan-Hendrik Jagla gesetzt und kann sich den Frust von der Seele spielen, der sich im Laufe seiner Auftritte für Asseco Prokom Gdynia angesammelt hat, wo ihn eigensinnige Spielmacher immerzu übersehen haben. Vielleicht kommt er jedoch zu einem versöhnlichen Saisonabschluss bei Türk Telekom Ankara, wohin er zwischen den Jahren wechselte, nachdem Gdynia in der Euroleague relativ sang- und klanglos ausgeschieden war.

C: Tibor Pleiß – Brose Baskets Bamberg. Die große deutsche Center-Hoffnung steigert sich von Jahr zu Jahr, ist aber immer noch nicht für konstant gute Leistungen auf internationalem Niveau bereit.

X-Faktor:

PPG – Points Per Game. Die Deutschen schaffen es ob ihrer Größe durchaus erfolgreich zu verteidigen, verlieren ihre Spiele aber, wenn sie nicht ausreichend gut punkten. Die straffen Systeme von Bauermann sind auf Ballkontrolle und Ausnutzung der 24 Sekunden im Angriff ausgerichtet. Wenn jedoch überwiegend hart verteidigt wird, um Spiele zu gewinnen, gerät es der Mannschaft zum Nachteil, dass sie über keinen Playmaker von europäischem Top-Niveau verfügt und auch kaum einen Spieler, der seinen eigenen Wurf erfolgreich kreieren kann.

Fazit:

Während sich Frankreich und Serbien um den ersten Platz streiten sollten, wird der dritte (es kommen nur die 3 Gruppenersten weiter!) Platz in der Gruppe B hart umkämpft werden. Deutschland mit Nowitzki hätte Chancen. Deutschland ohne Nowitzki müsste ein Wunder helfen. Italien und Israel sind personell besser besetzt und erfahrener. Lettland wird eher um einen Achtungserfolg kämpfen. Dennoch werden Basketballspiele nicht auf Papier entschieden und hängen von vielen Faktoren ab, so dass kein Team sich in der schwersten Vorrundengruppe der EM 2011 zu früh entspannen sollte.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unserem gastschreiber goga78!

5 Gedanken zu „EuroBasket 2011 in Litauen – Ein Ausblick (Teil 3)

  1. Meinst du nicht, dass bei den Alternativen auf der SF-Position ein gewisser Philip Z., derzeit wohnhaft in T. eine Rolle spielen könnte? Vonn null auf Starter traue ich ihm unter einem Bundestrainer Bauermann zwar auch nicht so 100% zu, aber eine Alternative sollte er allemal sein.

  2. Eben ;-)

    goga78 hat immer nur die (seiner Meinung nach zu erwartenden) starting fives aufgeführt. Lediglich, wenn da offensichtliche Unklarheiten bestehen (zB bei Nowitzki) hat er hier Alternativen genannt.

  3. Zwiener spielt zweifellos eine sehr gute Saison, aber Bauermann ist Bauermann und so leichtfertig nimmt er keine Kaderänderungen vor. Ich vermute, daß Benzing starten wird, da er ein besseres Matchup bietet als Zwiener. Aber die Starting Five(s) an sich sind ein Ding der momentanen Situation. Es gibt einpaar Leute in Europa, die gesetzt sind, ansonsten fluktuiert die Rotation je nach Matchup und Gesundheitszustand.

  4. Aber Zwiener sollte in der aktuellen Form ja auf alle Fälle dabei sein. ;) Ist nur die Frage wer daheim bleibt. Ob DB auf Desmond verzichten wird? Oder müssen Harris, Staiger leiden? Wenn Nowitzki mitkommt, kann man aber auch durchaus einen 3. Center daheim lassen. Oder/Und den schwächelden Ohlbrecht…

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