Gastbeitrag: Basketballkrise

[peterzwei schreibt] In Basketball-Europa ist in diesem Sommer die Krise so richtig angekommen. Schnell gehen wird sie nicht. Und sie wütet mit solcher Macht, dass die Hierarchien in Basketball-Europa wohl ordentlich durcheinander geschüttelt werden.

Griechenland – Der Mäzenatenbasketball in der Krise

Noch nicht einmal die reichsten Mäzene helfen bei den Pleitehellenen noch so richtig: Der beste Klub Europas wird geschrumpft. Die pharma-milliardenschweren Brüder Giannakopoulos  wollten „altershalber“ Panathinaikos Athen erst ganz verkaufen. Haben aber noch nichtmal für den derzeit erfolgreichsten europäischen Verein einen Käufer gefunden.

Jetzt wird das Budget rasiert – um bis zu 40 Prozent. Der erste Star ist schon weg: Antonis Fotsis geht zu Armani Jeans Mailand. Für 1,5 Mio. Euro im Jahr. Auch andere Spieler sind offenbar schon auf dem Markt.

Der größte Konkurrent, Olympiakos Piräus, wird wohl ohne seine großen Geldgeber auskommen müssen. Die Brüder Angelopoulos, Inhaber eines Reederei- und Stahlbaukonzerns, sagen, sie seien Opfer von Intrigen. Nur deshalb habe sich der geschätzt dreistellige Millionenbetrag, den sie im vergangenen halben Jahrzehnt in den Verein gepumpt haben, nicht mit großen Titeln verzinst. Allerdings gehen die Geschäfte in Griechenland derzeit auch nicht so gut, wie man hört.

Bei Olympiakos kreisen schon die Geier. Spielmacher Teodosic hat ein Angebot von Moskau. Ex-NBA-er Spanoulis wird mit dem FC Barcelona in Verbindung gebracht. Und Ioannis Bouroussis ist rausgeflogen, weil er in einen Dopingskandal verwickelt ist und er auch noch die Klubeigentümer in einem abgehörten Telefonat beschimpft hat.

Es steht schlecht um Griechenland. Nur die Meisterschaft, die dürfte spannender werden. Der Abstand zwischen Spitze und Tabellenende ist geschrumpft. Auf den hinteren Rängen gabs ja nicht mehr viel zu streichen. Viele haben ihre Rechnungen eh schon unregelmäßig bezahlt.

España – Der Basketballriese ACB wandelt sich notgedrungen

In Spanien ist die halbe Liga klamm. Traditionsklub Joventud Badalona ist sowieso längst in einem Insolvenzverfahren, hat gerade die Beteiligung an einem Einkaufszentrum verkauft und bezahlt mit dem Geld unter anderem die letzten Gehälter der Vorsaison. Elf Millionen Euro Schulden hat der Verein der spanischen Presse zufolge.

So gut wie alle Vereine müssen ihre Budgets deutlich kürzen – am stärksten die, die von der öffentlichen Hand abhängen und wohl die Hälfte der Liga. Nur ein paar Beispiele:

  • Der Präsident des FC Barcelona sagte, die Basketball-Abteilung gebe gut 30 Millionen Euro im Jahr aus, erwirtschafte aber nur 5,5 Millionen (und schmeißt trotzdem weiter mit Geld um sich).
  • Real Madrid nimmt schon einen Billigtrainer.
  • Aufsteiger Obradoiro hat den Kredit kaum bekommen, mit dem er die Sicherheit hinterlegt, die man für die erste Liga braucht.

Für die zweite Liga gehen Experten davon aus, dass einige Klubs gar nicht erst antreten werden. Albert Soler, Staatssekretär für Sport, sagt es so: „Die Situation ist besorgniserregend. (…) Das derzeitige Geschäftsmodell der Liga ACB funktioniert nicht…“

Wir sehen eine uns bekannte Reaktion: Die Klubs wollen übrigens die Garantieplätze für einheimische Spieler abschaffen. Kennen wir: Billige Basketball-Gastarbeiter haben ja auch schon mal das Lohnniveau in Deutschland gedrückt. Bisher ist noch nicht sicher, wie viele Ausländer und einheimische Spieler nächstes Jahr in einem Erstligakader sein müssen (oder können), zumal hier auch die Europäische Kommission Druck macht. Das Ergebnis: Die meisten Vereine haben noch kaum Spieler unter Vertrag.

Türkiye – Fast alle Augen aufs Final Four

Auch in der Türkei gibt es Veränderungen: Der Playoffteilnehmer Trabzonspor verabschiedet sich aus Liga eins. Die Schulden in Höhe drei Millionen Mark könne der Verein nicht begleichen. Bei diesem Verein spielte in der vergangenen Spielzeit der Ex-Berliner Michael Wright, der jetzt einen türkischen Namen hat.

Mehr Geld haben in diesem Jahr offenbar die türkischen Großvereine. Gegen sie bieten nicht einmal mehr die reichen spanischen Klubs. In Istanbul ist das Endturnier der Euroleague, da wären sie gerne dabei.

Möglicherweise ist das gut für Berlin, so wird Miro Raduljica vielleicht doch wieder ausgeliehen. Er ist diese Saison eine Nummer zu klein für Efes.

Polen – Auch der A-Lizenz-Kandidat spart

Der erfolgreichste Klub Im Nachbarland Polen,  Asseco Prokom Gdynia, wird sein Personalbudget in der neuen Spielzeit um ein Drittel kürzen müssen. Bekommen sie trotzdem die Euroleague-A-Lizenz, die man ihnen in Aussicht stellte?

Osteuropa – Baller für Rohstoffe

Die rohstoff-finanzierten Osteuropäer erholen sich auch etwas. Am deutlichsten sieht mans an CSKA Moskau („Norilsk Nickel“). Die geben wieder richtig Geld aus: Center Nenad Krstic kommt  aus der NBA, Darjus Lavrinovic aus Istanbul und Milos Teodosic wahrscheinlich noch von Olympiakos Piräus.

Und wer ist Krisengewinnler?

Und nun das beste: Für uns in Deutschland kann das hilfreich sein. Die Nachfrage nach guten Spielern vor allem aus Übersee wird in diesem Jahr deutlich unter dem Gewohnten liegen. Schon jetzt unterschreiben viele Spieler schneller, weil sie die Konkurrenz durch den Lock-Out in der NBA befürchten. Nicht so sehr, weil dann die großen Stars kämen (die sowieso bei Streikende gleich wieder abhauen). Sondern weil die Spieler, mit denen in der NBA billig die Kaderplätze 12 bis 14 billig aufgefüllt werden, zu haben sind. Für Berliner: Das ist in etwa die Größenordnung Bobby Brown. Für Münchener: Ben Hansbrough  gehört dazu. Und für Bamberg: Weder Roberts noch Hines sind schon weg. Niemand weiß wie lange der Lock-Out dauern wird, niemand weiß, in wievielen Wochen oder Monaten in den USA wieder mit Basketball Geld zu verdienen sein wird.

Im Ökonomendeutsch: Das Angebot wird dramatisch größer bei gleichzeitig sinkender Nachfrage – Türken und Russen können den Wegfall ganzer Länder nicht kompensieren. Benimmt sich der Markt wie einer, kann das nur diese Folge haben: Die Preise sinken. Borderline-Stars wie DaShaun Wood sind plötzlich bezahlbar. Und wir in Deutschland haben ja die letzten Jahre solide gewirtschaftet (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Durch intensive Arbeit ist der Gesamtumsatz der BBL-Clubs auf über 60 Millionen Euro gewachsen. Das ist ein Plus von 15 % pro Jahr seit 2005. Wir werden uns noch wundern, welche Spieler für Bundesligavereine wieder bezahlbar werden.

Wahrscheinlich gehört Deutschland auch bei der Basketball-Krise zu den Krisengewinnern. Es wäre langsam an der Zeit, auf den zweiten Europaliga-Starplatz zu bestehen. Verdient haben wir ihn.

Ein Text von peterzwei, ALBA-Fan und Südeuropabasketballaficionado.

12 Gedanken zu „Gastbeitrag: Basketballkrise

  1. Danke @peterzwei für den Text. Nur ein Land – von dem ich kaum Ahnung habe – bleibt außen vor: Italien. Die Hallen sind ähnlich voll wie in der BBL, sie werden – vermutlich – weiter drei Startplätze in der EL haben. Es schreit folglich nach einem Teil 2 mit Italien, dem Balkan und den baltischen Staaten. ;-)

  2. Dann lasse ich mich mal diese Saison überraschen, hört sich für Deutschland gut an. Nur die 3 Mio. Mark bei den Türken irritieren;-)

    • Da konnte ich beim Onlinestellen auch nix machen… Typo oder bewusste Umrechnung? Ich weiß es nicht. Also: Schwarmintelligenz an, irgendwer wird es schon mit Quelle erklären können.

    • Ich meinte natürlich „Türkenmark“. :-)

      Ein Fehler, Verzeihung.

  3. Uli aus München hat bezüglich Frauen-Fußball Bundesliga angemerkt:

    „Ich bin ein Freund der Nachfrage. Solange in der Frauenbundesliga nicht mehr Zuschauer kommen, kann man das nicht unterstützen.“

    Das kann man meiner Meinung nach direkt auf unsere so geliebte Randsportart übertragen.

    Wie solvent ist die BBL denn wirklich? Wirtschaften die BBL-GmbHs wirklich soviel besser und solider gegenüber anderen europäischen Mitbewerbern wie in Peters Blog impliziert wird?

    Wächst die BBL zur Zeit nachhaltig?

    Es gibt bei mir zumindest leise Zweifel. Spannend wird die kommende Bilanzierung der Albatrosse. Da hat sich in der letzten veröffentlichen Bilanz ja doch „etwas“ getan.

    Alba ist zur Zeit direkt abhängig vom Erfolg seines Hauptsponsors und vom Goodwill seines Hallenvermieters (Der mit der O2 Geld verdienen möchte). Die Halle war gut gefüllt diese Saison. ABER: Man hat einen erheblichen Subventionsaufwand betrieben. Freikarten zu Billigpreisen über Sponsoren und extrem niedrigen Ticketpreisen (Dauerkarte pro Spiel: Kat1 20,58€ bzw. ermäßigt 15,85€ und Kat5 5,89€). Es gibt also eine ziemlich wackelige Nachfrage in Berlin. Ich hoffe Alba gelingt diese mit wieder attraktivem Sport (ungleich/gleich Titel) zu stabiliseren. Erst wenn man die O2 regelmäßig ausverkauft hat, sodaß auch marktgerechtere Preise erzielt werden ist der Bock umgestoßen. Allein eine stabile hohe Nachfrage gewährleistet dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg durch entsprechend leichtere Sponsorenaquise.

    Wenn man die Standorte der BBL so durchgeht könnte man fast überall Fakten listen, die gegen eine angestrebte Nachhaltigkeit sprechen können (nicht müssen).

    Selbst die Bayern haben dieses Ziel bisher nur in der ProA realisiert. Nächstes Jahr zählt es in der BBL. Wird die Halle leer, ist die Mannschaft unsexy, wenden sich Sponsoren ab, dann klappt auch Uli vor der Sedlmayer-Halle die Bürgersteige wieder hoch.

    Aber eventuell wird doch einfach alles gut…who knows.

    Ich hätte auch kein Problem in kleineren Hallen einen spannenden Randsportart-Wettbewerb ohne Superstars und Zirkus zu genießen.

    • Der wesentliche Unterschied ist bislang, dass bei uns die Sponsoren noch solvent sind. Die Bilanzprüfung durch die BBL ist auch penibel – von echten Ausfällen sind wir in den letzten paar Jahren verschont geblieben.

      Alba lebt wie immer von Alba – viel Neues kam bisher nicht dazu. Und solange Alba nachschießt (was sie bisher auch noch müssen) läufts. Nur wehe wenn Schweitzers auf Frauenfußball umsteigen. Dann sind wir Schwelm.

  4. Von der gegenwärtigen Krise wird die Türkei überraschend schwach getroffen. Daher glaube ich, daß die dortige Lige ebenso wie die BBL profitieren könnte.

  5. Ich habe das glaube ich schon mal vor einem Jahr geschrieben, tue es aber gerne wieder: Ich finde die Gastbeiträge hier wirklich gut und freue mich über jeden. Aber viel mehr freue ich mich, wieder längere Beiträge von peterzwei zu lesen, ich habe seinen Blog früher sehr geschätzt.

  6. Eine starke (bzw. verbesserte) Nachfrage lässt sich durchaus mit einem attraktiven (respektive verbessertem) Angebot erzielen, fragt mal den Uli aus M., der kennt sich ein bißchen aus mit sowas. (Insofern bin ich auch erstaunt über seine oben zitierte Aussage.)

    Ansonsten tendiere ich dazu, „DievolleWahrheit“ (?!) zuzustimmen.
    Wir (in D-land, BBL) sind zwar durchorganisierter, aber wer könnte eine erneute Klubinsolvenz (bzw Sponsorenrückzug) verhindern?

    Allerdings bricht auch nicht gleich die ganze Ligastruktur zusammen, WENN sowas – wohlgemerkt einmalig, also im Einzelfall – passiert.

    Vielleicht ist Pommer seinem Zeitplan (2020) ja doch weit voraus, ohne es zu ahnen?! ;-)

  7. Die Frage ist halt, ob ein Anstieg des basketballerischen Niveaus gleichzusetzen ist mit der Attraktivität der Liga. Hilft es uns wenn z.B. kurz vor Saisonbeginn echte Stars eingekauft werden können, weil diese plötzlich keinen Job mehr in Griechenland oder Spanien bekommen haben oder noch schlimmer diese erst kurz vor Ende der Wechselfrist kommen?
    Ist es ein Vorteil, wenn dem Sport1 Zuschauer den man für unsere Sportart begeistern will in der kommenden Saison nicht mehr Goree und Jenkins sondern wesentlich bessere Spiele die diese in den Schatten stellen als die Stars der Liga präsentiert werden? Würden diese Stars in der Hoffnung doch wieder das alte Gehalt zu bekommen nicht spätestens nach der Saison erst mal wieder nach Spanien, in die Türkei oder nach Russland schielen? Würde dadurch nicht das gerade in den letzten Jahren so liebevoll gepflegte Pflänzchen der Kontinuität mächtig in Gefahr geraten?
    So sehr ich es dem Deutschen Basketball wünschen würde international an Bedeutung zu gewinnen, so sehr stellt das vermeintliche Überangebot an guten Spielern meiner Meinung nach eine echte Gefahr da. Es kann wieder mehr gepokert werden und das klassische Machtgefüge gerät in Gefahr. Plötzlich kommt nicht mehr der, der zu Beginn der Saison die besten Spieler hatte, sondern der, der möglichst viel Geld und viele frei Wechselplätze für „später“ übrig behalten hat in die Playoffs. Das ist natürlich überspitzt aber deutet glaube ich an, was ich sagen will.

  8. Pingback: Wasserstände der Wechselspiele | gruebelei.de

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