Wasserstände der Wechselspiele

Offseason. Die Zeit der Spekulationen, der Hoffnungen und des Foren-Bullshits. Mehr oder minder absurde Gerüchte, Debatten und Namen werden durch die einschlägigen Foren gejagt und am Ende kommt es dann doch anders. Ich will die Arbeit der Wechselbörsen (die Liga ist grad offline, aber die auf schoenen-dunk.de ist verfügbar) nicht ersetzen. Aber jetzt, während die NBA Summerleagues laufen, ist Zeit mal einen Blick auf ein paar fast fertige Kader und Transfers in der Beko BBL zu werfen. Und natürlich: In dieser 6+6-Offseason bleibt es nicht aus, dass ein bestimmendes Thema die Rolle der deutschen Nachwuchsspieler ist.

Dennoch beginne ich anders: Außerhalb der BBL nehmen wirtschaftliche Negativmeldungen zu. Peterzwei berichtet mit steter Regelmäßigkeit auf schoenen-dunk.de.  Es ist eine Entwicklung, die wir auch schon in der Vorsaison sehen konnten. Natürlich ist das teilweise Leiden auf hohem Niveau. Trotz radikal zusammengestrichenem Budget wurde Olympiakos Euroleague-Champion. Aber wenn unser Euroleague-Gegner Asseco Prokom Gdynia auf die Teilnahme an der regionalen VTB-Liga verzichten muss, Italien und Spanien das Teilnehmerfeld zusammenstreichen, dann kann man sich ausmalen, dass die sich positiv entwickelnde BBL bei manch einem Spieler und seinem Agenten interessanter wird.

Sehen wir das schon? Vielleicht. Jedenfalls sehen wir recht viel Konstanz bei manchen Teams und Verpflichtungen, die vor ein paar Jahren in dieser Ballung außerhalb eines Euroleague-Kaders (siehe unten) kaum möglich gewesen wären.

Ein Team ist schon vollständig. Das ist der Eurochallenge-Teilnehmer Oldenburg. Oldenburg, wir erinnern uns, hat von Bobby Brown geführt die Playoffs verpasst. Der Trainer ging und Ex-Albatros Seb Machowski ist dort jetzt am Ruder. Der Kader 2012/2013 lässt mit Sicherheit aufhorchen, hier und da könnte man herumkritisieren, aber nach momentaner Papierform ist es für mich ein Anwärter auf die Spitzengruppe:

PG Dru Joyce (TBB) PG/SG Chris Kramer (WUE)
SG Julius Jenkins (BBB) SG Dominik Bahiense de Mello
SF Rickey Paulding SF/PF Konrad Wysocki
PF Ronald Burrell PF Robin Smeulders

C Adam Chubb C Jannik Freese

Man könnte kritisieren, dass der Frontcourt nicht ganz so tief besetzt ist, aber vor ein paar Jahren hätte sich – mit Ausnahme des PG-Spots – auch manch ein ALBA-Fan über diesen Kader gefreut. Die Quote verlangt Kompromisse. 10 Profis, das ist vermutlich das, was wir diese Saison häufiger sehen werden. Kaum ein Team wird sechs deutsche Profis auf dem Markt finden können. Man kann ihnen schlicht keine Spielzeit bieten und billig sind deutsche Spieler sicherlich auch nicht. Oldenburg hat nicht die erste Reihe der deutschen Spieler verpflichtet, Wysocki ist der einzige, der hier unter Bauermann ausführlich Nationalmannschaftsluft geschnuppert hat (DBM hatte drei Spiele). Es ist die mittlere Generation: Jenseits der 25, keine Talente mehr. Doch dass sie spielen können, haben sie alle gezeigt.  Es ist eine „sichere“ Lösung ohne übermäßigen Hype.

Anders ist es im Süden. Der Kader des FC Bayern München, der ist eine reine Nationalmannschaftssammlung. Zudem haben sich die Bayern mittels Sign&Loan gleich zwei deutsche Spieler für die Zukunft gesichert, die zuletzt auf der Bank versauerten und nun für ein Jahr in Ulm (Schwethelm) und Trier (Doreth) Spielzeit sammeln sollen. Man will sie offenbar sichern und zugleich so das Spielzeitproblem lösen und Ärger vermeiden. Denn die Nationalmannschaftsplatzhirsche der Bauermannära sind ja noch da. Im Ergebnis auch hier wieder: 6 Ausländer und 4 Deutsche. Dass Marin oder andere jüngere Spielzeit bekommen werden, davon kann man wohl kaum ausgehen.

PG N.N. PG Steffen Hamann
SG Je’Kel Foster SG Demond Greene  SG Mauricio Marin
SG/SF N.N. SF Robin Benzing
PF Chevon Troutman PF Jan Jagla (PF Sasa Nadjfjei)
C Jared Homan PF/C Lawrence Roberts

Pista habe ich in Klammern gesetzt. Angeblich soll ja bei den Bayern nur noch ein ausländischer Guard kommen, dann könnte Pista bleiben. Tyrese Rice wird seit Wochen gemunkelt. Aber anderenorts gehen Gerüchte, dass Bryce Taylor ein Angebot habe. Wenn man sich jedoch anschaut, wie sehr der FC Bayern in der Liga angreifen will, wie deutlich hier auch Minuten durch Leihgeschäfte freigeräumt worden sind, drängt sich der Eindruck auf, dass hier noch zwei Starter kommen, zumal Steffen Hamann ja nun erst einmal verletzt ist. Der Kader der Bayern wird noch ausgeglichener, in der Spitze möglicherweise noch stärker.

Bleiben wir im Süden. Ein Halbfinalist des Vorjahres, den ich vor einigen Wochen auch noch übergangen hatte, ist auch schon ziemlich komplett. Die s’Oliver Baskets Würzburg bauen eine Patrick-Mannschaft ohne den Guru. Dafür ist auch noch der Göttinger Assistent Meeks hinzugestoßen. Ob das Konzept so aufgeht, daran habe ich schon meine Zweifel. Es wirkt, als sei es sehr stark an den Spielern ausgerichtet und ob eine Mannschaft mit augenscheinlich sehr selbstbewussten Charakteren ohne den übermächtigen Löwenbändiger mit Zuckerbrot und Peitsche funktionieren wird? Hier mal die Göttinger Patrick-Spieler mit (JP) markiert.

PG Ben Jacobsen (JP) PG/SG Maurice Stuckey (Leihe, BBB)
SG Jimmey McKinney (FRA) SG John Little (JP) SG Christoph Henneberger
SF N.N. SF/PF Alex King
PF N.N. PF Maximilian Kleber PF Oliver Clay
C Jason Boone (JP) C Chris McNaughton (JP)

Mal sehen, wie es hier weitergeht, zwei Forwards (zuletzt Bucknor und Elliot) scheinen noch offen zu sein. Einen weiteren Guard kann man wohl nicht rechtfertigen, wenn Stucket wirklich spielen soll. Ohne Anspruch ist das, was in Würzburg entsteht, sicherlich nicht. Vor allem ist es mit sechs Deutschen mit Anspruch auf Rotationsminuten verdammt tief.

Andere Clubs, mit denen man oben zu rechnen hat, sind längst nicht so weit. Bamberg hat Gavel verlängert und Zirbes für Pleiss geholt, Tadda gesichert und ist Jenkins losgeworden, doch wo in Franken die Reise hingeht, ist noch lange nicht klar. Es ist – das ist einen eigenen Beitrag wert – Zeit für den Umbau nach dem Threepeat des Doubles. Möglicherweise kann Bamberg dies nutzen, um das nächste Projekt auf Top16-Niveau zu starten…

Und was macht ALBA?

Top16-Niveau, davon träumen auch wir Fans von ALBA Berlin. Unser neuer Starter auf der Drei, Nihad Djedovic, macht schon einmal Hoffnung. Es ist ein Talent vom Balkan ein bosnischer Nationalspieler, geworden, der zwar nicht in Spanien (bei Barca unter Vertrag), wohl aber zuletzt bei Galatasary überzeugt hat. Hier ein paar Highlights:

Seitdem gestern der Wechsel von Torin Francis in die Türkei feststeht, ist (fast) klar wer bleibt und wer geht. Staiger nach Ludwigsburg ist nun auch fix. Von Popcorn haben wir noch nichts gehört und auch um Derrick Allen ist es still. Aber mit einer Weiterverpflichtung der letzteren beiden wird man auch wohl kaum für den Platz des siebten Euroleague-Ausländers rechnen können.

Gegenüber den vorher dargestellten Teams hat ALBA ein Defizit, nämlich – wenn man nicht davon ausgeht, dass Joey Ney ein fester Rotationsspieler wird – nur drei deutsche Rotationsspieler und damit nur eine 9er-Rotation. Für die Liga mag diese Rechnung aufgehen, für die Doppelbelastung in Europa könnte es knapp sein. Die Tatsache, dass ALBA sich keinen deutschen Backup für die 2/3 sichern konnte, zeigt, wie sich der Markt verändert hat und dass die Prioritäten andere sind. Kerush (wir schrieben) ging zu den Drachen und auf dem Markt tummeln sich nur noch einige Amerikaner mit deutschen Ureltern oder Ehefrauen und Spieler, die auch in kleineren Clubs vornehmlich saßen. Würde sich ein Bryce Taylor auf einen Deal als Nr. 7 einlassen? Vermutlich nicht. Anderswo gäbe es einen Startplatz…

PG Vule Avdalovic (UKR) PG/SG Heiko Schaffartzik
PG/SG Dashaun Wood SG/SF Joey Ney
SF Nihad Djedovic (TUR) SF/PF Zach Morley (UKR)
PF Nathan Peavy (ART) PF Sven Schultze
C N.N. C Yassin Idbihi

Nur ein Starter fehlt noch: Der Center. ALBA 2012/2013 bleibt tief aufgestellt unter den Brettern. Auf den kleinen Positionen sind die Berliner… klein. Es wird (endlich!) wieder europäischer, aber ob es auch erfolgreicher wird, ist offen. Vor den Testspielen, bevor ich die neuen gesehen habe, mag ich es nicht bewerten.

Die Unterschiede zur letzten Mannschaft, mit der man in der Euroleague antrat, sind dann – gerade in der Tiefe des Teams – doch schon frappierend.  Nur mal zum Vergleich, das war ALBA 2008/09 (mit den neuen Clubs in Klammern):

PG Rashad Wright (Roanne) PG Steffen Hamann (FCB)  (PG Oskar Fassler (GIE))
SG Julius Jenkins (OLD) SG/SF Casey Jacobsen (BBB)  SG/SF Johannes Herber (FRA)
SF Immanuel McElroy (NYP?)  SF Philip Zwiener (BHV)
PF Ansu Sesay (Iran?) PF Dragan Dojcin (TBB) PF Sasa Nadjfeji (FCB)
C Adam Chubb (OLD) C Patrick Femerling (ret.)  (C Dragisa Drobnjak (Oostende)

Man sieht an diesem Vergleich sehr schön, was die Veränderung der Quote in den letzten vier Jahren ausmacht. Statt acht Ausländern gibt es nur noch sechs. Die Zahl der (professionell) spielenden deutschen Spieler wird – auch wenn man sich die Kader der Bayern oder Oldenburger ansieht – nicht steigen, wohl aber deren Platz im Kader und damit die Spielzeit. Die Positivquote bringt Minuten, weil es die deutschen Spieler in die Rotation zwingt und eben nicht nur in Berlin, sondern bei allen 18 Clubs. Man sieht an dieser 2008er-Kader aber auch schön, was dies damals für eine beeindruckende Spielersammlung war, da viele heute noch immer tragende Säulen von BBL-Teams sind. Nur in Berlin spielt keiner mehr. Hier sind längst alle Steine umgedreht.

Wer heute noch fordert, ALBA möge sich doch bitte für Kaderplatz 11 und 12 deutsche U18-(Zipser) oder U20 (Mönninghof)-Talente sichern, der fordert sehenden Auges eines Situation für diese Spieler, wie wir sie vor vier Jahren hatten. 2008/09 war das Jahr der Free-Zwiener-Bewegung, auch Herber saß. Von Minuten für Faßler (jetzt nach Gießen gewechselt) ganz zu schweigen.

Die Alternative

Wer fordert, dass diese jungen Spieler doch bitte alle und sofort spielen sollen, kann nach Trier pendeln. Dort wird genau dies gelebt. Joventud Trier, die Trierer Basketball Buben unter Henrik Rödl übernehmen genau diese Rolle. Der Vergleich mit Joventud ist bewusst gewählt, schließlich schaffte das spanische Ausbildungsteam aus Badalona zu Glanzzeiten beeindruckende Erfolge in Europa. Doch vom Trierer Kader erwarte ich das nicht. Nach der ersten überraschenden und starken Saison – als andere Clubs noch auf deutsche Spieler verzichteten – ist Trier merklich abgesackt. Aber wenn man sieht, dass die erste Generation des Trierer Nachwuchses nun in Bamberg Euroleague spielt, in Bremerhaven startet und auch der amerikanische Aufbau der Nachfolger von Bobby Brown bei den ambitionierten Oldenburgern geworden ist, machen sie sicherlich nicht alles falsch. Wie weit sind die nun eigentlich? Fast fertig, sollte man meinen.

PG Bastian Doreth (Leihe)  PG Joshiko Saibou*
SG N.N.
SF Nate Linhart SG/SF Mathis Mönninghof
PF Brian Harper PF Dragan Dojcin*

C Andreas Seiferth* PF/C Vitalis Chikoko 

Rödl soll wohl gesagt haben, dass man anfangs nur mit fünf Ausländern antreten werde, das wären dann – Chikoko ist ein Talent – nur vier gestandene ausländische Profis und dazu Nationalspieler Doreth. Es ist schon ein qualitativer Unterschied zu den Teams, die ich oben skizziert habe. Aber: In Trier werden die jungen Spieler Spielzeit und Verantwortung bekommen. Sie werden zeigen (müssen), dass sie bereits mit um die 20 weit genug sind, um in der BBL die Klasse zu halten.

Es sind „nur“ noch drei *Ex-Berliner im Trierer Kader. Aber wenn man einmal die Kader der BBL-Clubs durchblättert, wird man in der kommenden Saison doch einige Clubs finden, wo ehemalige Berliner Talente eine hoffentlich größere Rolle spielen. Mit der Quote kann man es sich nun eben nicht mehr erlauben, diese auf der Tiefe der Bank für die Zukunft zu parken.

Die Leihgeschäfte zeigen aber auch, dass es in vielen Fällen nicht sofort für die Spitze reicht. Die großen Clubs setzen – mit wenigen Ausnahmen – auf deutsche Spieler, die ein paar Jahre Erfahrung mitbringen. Manch ein Youngster wird sich aber diese Saison auch in den großen Clubs beweisen müssen. Unmittelbar im kalten Wasser schwimmen, das werden in Berlin diese Saison Joey Ney und in Bamberg Maik Zirbes müssen. Zirbes hatte dabei immerhin den Vorteil, dass er in Trier schon Erstligaluft schnuppern konnte. Und wer weiß, wer im Falle einer Verletzung (die wir niemandem wünschen) dann aus den vermutlich jünger werdenden Reihen der Ersatzbänke ein Erstligadebüt im besten NBBL-Alter hinlegen darf.

Die Wechselspiele der spannenderen deutschen National- und Nachwuchsspieler, die dürften nun überwiegend abgeschlossen sein. Nur wenige bekannte Namen finden sich hier noch als „available“. Vielleicht gibt es ja auch noch überraschende Einbürgerungen.

Nun aber ist erst einmal Summerleague. Und das große Schaulaufen der NBA-Picks, Draft-Sterne, D-League-Sternchen und Möchtegern-NBA-Stars ist nicht nur – wie gerade alle reisenden Manager beteuern – ein Familientreffen und wichtig zum Netzwerken, sondern eben auch eine wichtige Einkaufsveranstaltung. Quote, das war gestern, jetzt geht es um die Starter und das Glück in der Lotterie, die Hoffnung auf den nächsten Holsten, Bryant oder Brown. Die Spieler, die für die Mehrheit der BBL-Clubs dann doch den Unterschied zwischen bewährt, bekannt und nur bedingt erfolgreich und dem Marsch in die Postseason ausmachen.

PS: Kaum ist dieser Artikel fertig, kommt ALBA mit einem Sommerinterview um die Ecke… Baldi zur Offseason. Aber ohne große Neuigkeiten. Highlight bleibt Dirk (hier nicht, wir haben keine Karten ;-)).

 

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8 Gedanken zu „Wasserstände der Wechselspiele

    • Dennoch klingt es bei dem Kader naheliegend. Es müssen ja nicht zum Saisonstart fünf sein, aber dass man erst einmal schaut, auf welchen Positionen der Nachwuchs genügt und wo man spontan noch mit einem Schnäppchen verstärkt, das wäre nicht unvernünftig.

    • Wichtig auch: Doreth ist (noch) nicht der Starter auf der 1. Da kommt noch jemand, das wurde klar gesagt. Doreth will ihm nach eigenen Angaben das Leben schwer machen und wird sicher auch das eine oder andere mal starten, er ist aber eben nicht der „etatmäßige Starting Point Guard“.
      Somit wird es wohl 6 Ausländer zum Saisonstart geben. Wenn nachverpflichtet werden muss, kann Dojcin immer noch ganz ins Trainerteam wechseln und den Platz freigeben.

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