Gastbeitrag nach Spiel 2 der Finalserie Bamberg – Berlin: Ausgleich in der Serie und Diskussionen um Pfiffe

sc-fiTzel schreibt:

Auch wenn ich nur gelegentlicher Gast in der O2-„Meckerecke“ bin, weiß ich doch, dass Julius Jenkins – immerhin zweimaliger MVP und Bester Offensivspieler der Beko-BBL – dort und wohl nicht nur dort als „Crunchtime-Pussy“ verschrien ist. Eben ein Spieler, der gut und viel punktet, aber in den entscheidenden Momenten, im letzten Viertel, wenn das Spiel auf Messers Schneide steht, gerne mal abtaucht und sich aus der Verantwortung stiehlt.

Auch wenn man aus einem Spiel nicht vorschnell umfassende Rückschlüsse ziehen sollte, muss nach dem gestrigen Auftritt in Spiel 2 der Finalserie gegen die Brose Baskets Bamberg meiner Meinung nach die Frage gestellt werden, ob Jenkins sein Image als Schönwetterspieler nicht zumindest teilweise ablegen konnte. Ich finde ALBAs Spieler mit der Nr. 11 hat bewiesen, dass er Eier hat. Als ALBA scheinbar schon hoffnungslos zurücklag (ich habe gehört, dass sogar Hardcore-Fans schon die Halle verlassen haben sollen), war es vor allem Jenkins – unterstützt von einem insgesamt aufopferungsvoll kämpfenden ALBA-Team – der sein Herz in beide Hände nahm und ALBA mit seinen Punkten im Spiel hielt und später im 4. Viertel mit einem wichtigen Dreier sowie einem Steal und anschließendem Dunking die Vorentscheidung herbeiführte. Dabei ging er mit einer Entschlossenheit zu Werke, die sich viele ALBA-Fans wohl schon lange Jahre von ihm gewünscht haben. Früher mussten oft andere, McElroy, Nadjfeji oder Brown in die Bresche springen, wenn es eng wurde.

Auch in einem anderen Zusammenhang stand Jenkins – wenn auch nicht ganz freiwillig – im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und wird dies wohl auch noch eine Weile bleiben. Nicht zuletzt ein von ihm angenommenes (oder wohl besser geschundenes) Offensivfoul wird wohl in den nächsten Tagen in der community „schoenen-dunk“ als Aufhänger für die nicht enden wollende Schiedsrichterdebatte im deutschen Basketball dienen müssen. Eines soll hier vorausgeschickt werden: Es war eine Fehlentscheidung und zwar eine ziemlich deutliche. Das sage ich auch (oder vielleicht gerade) als ALBA-Fan. Ob die Schiedsrichter damit die Partie entschieden haben, wage ich aber zu bezweifeln. Schon jetzt gibt die Entscheidung jedoch Anlass zu Empörung aus Franken:

Jedermann schrieb am 08.06.2011 21:02: „Schiedsrichter-Sieg! Ich halte mich ja sonst mit Schiedsrichterkritik sehr zurück, aber heute haben die Herren EINDEUTIG den Ausschlag pro Alba gegeben! Ich bin mal gespannt, wer da widerspricht?! […]“

Weiter heißt es:

goose schrieb am 0.06.2011 21:45: „ich sag ich will‘s nicht , wie übrigens mancher alba-verantwortliche, an den sr festmachen. schuld waren wir selbst. aber die szene mit roberts war halt so offensichtlich kein offensefoul, offensichtlicher geht‘s einfach nicht. andere szene kann man so oder so pfeifen.“

Aber auch ALBA-Fans kommentieren die bestenfalls durchwachsene Schiedsrichterleistung kritisch:

7-footer schrieb am 08.06.2011 21:00: „Über die Schiedsrichter braucht sich indes niemand aufregen, denn die waren so schlecht wie immer nur mit dem Unterschied, dass diesmal Bamberg verloren hat.“

Unter diesen – sicher auch von den Emotionen kurz nach einem heißen Playoff-Fight geprägten – Kommentaren sticht jedoch einer heraus, der sich differenzierter mit der Schiedsrichterproblematik in Basketballdeutschland auseinandersetzt:

JamesTiberius schrieb am 08.06.2011 22:15: „Also dieses Gejammer über die Schiedsrichter ist wirklich lächerlich. Dass die Meckernden das nicht selbst merken, gibt mir wirklich zu denken. Ich habe auch nur dieses Offensefoul als klare Fehlentscheidung gesehen(NA UND???), alles andere ist eine Philosophiefrage des betreffenden Schiedsrichters. Und dass es, wenn Schmidt Crew-Chief ist, sehr kleinlich zugeht, sollte eigentlich jeder wissen. Ob das für den Zuschauer attraktiv ist, ist eine andere Frage, die man sich in den entsprechenden Kreisen wirklich mal stellen sollte. Ich finde eine solche Linie auch nicht toll, sondern eher destruktiv, aber deswegen ist es noch lange nicht unfair, wie hier von vielen unterstellt wird. Spieler machen in der Summe viel mehr falsch, als die Schiedsrichter. Ob das mal irgendwann in den Köpfen ankommt? Wer mit weit mehr als 10 Punkten vorn liegt und trotzdem so kläglich verliert, sollte in sich gehen und sich fragen, was er selbst besser machen muss und nicht, was andere besser machen müssen. Das Problem, welches die Bundesliga hat, ist die nichteinheitliche Kontaktbewertung, die in der Bundesliga und unterschiedlichen Spielen stattfindet. Das ist aber kein Verschulden der Refs, sondern das der Ausbilder und Coaches der Schiedsrichter. Wenn es ein einheitliches Coaching geben würde, wäre eben diese Kontaktbewertung in allen Spielen annähernd gleich und die Spieler könnten sich drauf verlassen, dass das, was gestern als Foul gepfiffen wurde, auch heut ein Foul ist und umgekehrt. Das(!) ist das Problem der BBL und der anderen Bundesligen. Schmidt ist übrigens auch ein Vertreter dieser Auffassung. „Ein Schiedsrichter muss berechenbar sein.“ Aber bezüglich Aus- und Weiterbildung ist in den Profiligen in Deutschland und leider auch Deutschland im Allgemeinen nach meinen Informationen so viel im Argen, dass nicht mit einer Änderung zu rechnen ist. Solang diejenigen, die jetzt beim DBB und der BBL auf den Entscheiderstühlen sitzen, dort sitzen, wird wohl nichts passieren. Der Fisch stinkt vom Kopf her.“

Damit hat SD-User JamesTiberius meines Erachtens nach den Nagel auf den Kopf getroffen. Der wirklich entscheidende Unterschied zwischen den Schiedsrichterleistungen in der BBL und anderen Ligen wie der Euroleague oder gar der NBA liegt darin, dass es keine große Linie gibt. Manchmal gibt es ja noch nicht mal eine kleine Linie, aber dazu später mehr. Es ist der erklärte Anspruch der BBL zur (zweit)besten Liga in Europa zu werden. Und in vielen Dingen ist die BBL bereits auf einem guten Weg. Es gibt schöne, neue und große Hallen, die auch respektabel gefüllt sind. Viele Vereine sind darum bemüht, sich nachhaltig zu entwickeln. Es wird in die Jugendarbeit investiert, es gibt gesponsorte Fanfahrten zu Auswärtsspielen. Selbst bei der Zusammenstellung der Mannschaften wird mehr und mehr auf Konstanz gesetzt, auch weil es gelingt Leistungsträger (auch finanziell) längerfristig zu binden. Es gibt wieder Live-Spiele im TV und Internet. Jetzt muss der nächste Schritt getan werden. Die Schiedsrichter müssen besser ausgebildet werden. Es muss eine klare Linie geben, wie ein BBL-Spiel gepfiffen wird. Und dies sei mir erlaubt zu sagen, das darf nicht die Linie von Boris Schmidt sein!

International beweist die „junge“ deutsche Schiedsrichtergarde um Robert Lottermoser und Tony Rodriguez, dass sie das Potenzial zu sehr guten Schiedsrichtern haben. Nur national wird dies leider nicht bestätigt. Ich frage mich, ob dies auch an den Vorgaben des Verbands liegt. Ein weiteres Problem, dass ich bei den Schiedsrichterleistungen im deutschen Basketball sehe, ist die Tendenz möglichst eine ausgeglichene Foulbelastung zu gewährleisten, auch wenn dies bedeutet, von seiner Linie abzuweichen. Diese Kompensationspfiffe summieren sich aber nach meiner Meinung im Laufe eines Spiel zu einem Haufen von Mini-Fehlentscheidungen, die über kurz oder lang zu Frustration bei den Spielern (und bei fachkundigen Zuschauern) sorgen, selbst wenn sie in der Summe Gerechtigkeit ergeben würden. Zwei falsche Pfiffe, die im Ergebnis exakt dasselbe bewirken wie zwei anerkannt korrekte Entscheidungen, hinterlassen trotzdem einen gänzlich anderen und nicht zu unterschätzenden Effekt bezüglich Respekt gegenüber den Schiedsrichtern und ihrer Reputation (neudeutsch unter „standing“ zusammengefasst) . Außerdem wird damit sozusagen indirekt negiert, dass es z.B. Spieler wie McElroy, Paulding und Goldsberry gibt, die intensiv aber technisch sauber, nämlich mit den Füßen verteidigen, statt ebenso intensiv, aber nicht regelkonform mit Händen, Armen und Hüften. Ähnliches gilt auch unter den Körben, wo ich mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren kann, dass man als bulliger Center, wie etwa Raduljica, grundsätzlich kein Foul bekommt, wenn man mit allen Mitteln vom Korb weggehalten wird. Wenn man sich jedoch „wehrt“ und ähnlich robust zur Sache geht, wie der Verteidiger, gibt es direkt ein Offensivfoul. Es kommt eben auch in diesem Bereich nicht darauf an, wer physisch stärker ist bzw. scheint, sondern wer sich regelkonform verhält, egal mit welchen (vermeintlichen) körperlichen Vorteilen er ausgestattet sein mag. Dass man auch körperbetont und trotzdem sauber unterm Korb verteidigen kann, beweist z.B. Kyle Hines.

Es bleibt zu konstatieren: Schade, dass auch beim Saisonhöhepunkt die Schiedsrichterdiskussionen nicht abreißen. Schade, dass diese Diskussionen durchaus ihre Gründe haben. Schön, dass die Finals bisher trotzdem intensiven Basketball geboten haben. Schön, dass wir auf jeden Fall noch ein Spiel 4 sehen werden. Schön, dass es schon Samstag in Bamberg weitergeht. Schön, dass die beiden stärksten deutschen Mannschaften im Finale stehen. Schön auch, dass wenigstens drei deutsche Spieler in diesen Finalspielen eine gewichtige Rolle spielen. Glückwunsch an Tibor Pleiß, Heiko Schaffartzik und Yassin Idbihi.

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12 Gedanken zu „Gastbeitrag nach Spiel 2 der Finalserie Bamberg – Berlin: Ausgleich in der Serie und Diskussionen um Pfiffe

  1. 1. Ich hab auch einige ALBA-Beiträge gelesen, die den Schiedsrichtern eine pro-Bamberg-Haltung attestiert. Von Schiebung war die Rede…

    2. Stimme ich der Ausbildungsproblematik zu.

    3. Es muss einheitlich gepfiffen werden. Von Sekunde 1 bis zur Schlusssirene in der 20. Overtime. Ein Foul muss ein Foul sein, egal was grade passiert oder wie es steht. Kann nicht sein, dass man Fouls ohne Pfiff begehen kann beim Buzzerbeater, die in der ersten Halbzeit noch bestraft wurden. Und es muss – wie gesagt – nicht nach Foulbelatsung sondern nach Linie gepfiffen werden. Dass man die auch mal um wenige Einheiten verschiebt, weil Playoffs oder Derby ist, das ist überall Gang und Gebe. Aber sie muss ab der ersten Minute den Mannschaften klar sein.

    PS: Das neue Design ist unvorteilhaft… Liest sich schlechter (Flackern) und das mit dem Einloggen zum Kommentieren geht auch nur komisch im Firefox 3.5.6…

    • Was meinst du mit flackern? So richtig happy bin ich mit dem Design auch nicht. Ich hoffe es wird noch etwas gepatched. Ansonsten mal schauen, was moeglich ist. Das alte ging nicht mehr und musste weg.

  2. Was soll denn eine solche Geschichte mitten in den Play-Offs? Das Thema der ungenügenden Ausbildung bei den Refs ist doch absolut nichts neues. Keine Linie, Boris vs. Lotte, Offensivfoul vs. Defensivfoul, … Alles alter Kaffee!!!

    Da scheinen die Franken aus der Baldi-Geschichte nicht viel gelernt zu haben. Wenn man sachlich versucht eine solche Sache anzusprechen und mit dem zur Verfügung stehenden Druck eine Änderung der bestehenden Situation zu erreichen, erntet man doch nur den Spott der anderen Teams und unzählige Strafen von Seiten der BBL.

    Oder haben die Freaks jetzt Angst, die sicher geglaubte Meisterschaft doch noch zu verspielen? ;-)

    • Dass in einschlägigen Kreisen aber mal wieder auf zig Seiten darüber diskutiert wird, sollte doch rechtfertigen, dass wir das Thema hier aufgreifen. Schließlich habe ich doch auch meiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass demnächst wieder der Sport im Vordergrund steht.

  3. haha… das bild mit Idbihi, Schaffartzik und Nolte is ja mal geil!

    Nolte: „Boah! Dem Yassin seine Hose müsste doch eigentlich platzen!“
    Heiko: „Jupp! Mein buddy haut in diesen playoffs ma so richtig uff die kacke. Ick bin aba och nicht ohne. Hab halt die passenden XXL-Shorts an. Coolnessfaktor – versteht sich!“

  4. Ich finde die Diskussion gerade zum jetzigen Zeitpunkt gut, weil sie vor den ‚entscheidenden‘ Spielen stattfindet.
    Überfällig war sie längst, ändern wird sie nichts. Also kann man nur auf die ausgleichende Gerechtigkeit bauen, denn Bösartigkeit ist den Schiris nicht zu unterstellen. Akzeptieren wir es (vielleicht verbessern sich die Schiris ja durch solche Diskussionen) und freuen uns auf die nächsten Matches! B-WG

  5. Wie clever eine solche Diskussion gerade in den Finals ist, konnte man ja gestern perfekt beobachten. Unabhängig vom wirklichen Spiel, welches die Berliner womöglich auch so verloren hätten, war das, was da von der Spielleitung geleistet würde, bedenklich. Gerade in den Play-Offs, wo auch nicht Fans zuschauen, werfen solche Geschichten ein eher schlechtes Bild auf den deutschen Basketball.

    Mich wundert vor allem, warum denn gerade der Boris nach der Kritik (auch an seiner Leistung) gestern wieder das Spiel leiten durfte. Da hat ihn die BBL aber gestern voll ins offene Messer laufen lassen. Die Leistung vom gesamten Refs-Team war mit Ansage und wieder stehen sie im Mittelpunkt der Diskussion.

    Aus neutraler Sicht ergibt sich da auch ein krasses Ungleichgewicht durch die BBL. Da können die Einen kritisieren, pöbeln, beleidigen und DVD’s zusammenstellen wie sie wollen. Es passiert von BBL-Seite: nichts. Und wie gefordert, werden zum nächsten Spiel die Regelauslegungen angepasst und die gewünschte ‚Linie‘ eingeschlagen.

    Ich bleibe dabei. Hätte man von Seiten der BBL von Anfang an und wie in der Vergangenheit auch eine solche Schiedsrichterdiskussion im Keim erstickt, könnten wir jetzt ausschließlich über sportliche Aspekte diskutieren.

  6. Gibt es eigentlich irgendwo im Bereich DBB / BBL einen Paragraphen, der unterschiedliche Regeln für dieselbe Sportart in Hauptrunde und Playoffs vorsieht?

    Sehr schöner Beitrag übrigens. Danke.

  7. Pingback: Gastbeitrag: Nach Spiel 5 ist vor der neuen Saison | gruebelei.de

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