Dü-do or die!!!

Was man nicht alles so beim Abstauben und Umräumen des Bücherregales entdeckt. Neben französischer Literatur und massig Reiseführern auch ein Buch über „40 Jahre Basketballbundesliga“, in dem Gießen tatsächlich nur eine Randnotiz auf den allerersten Seiten ist, als die Herren noch so kurze Hosen trugen, dass es einem beim Betrachten der Bilder doch ein wenig erröten läßt. Es findet sich weiterhin eine geerbte Festschrift, liebevoll mit der Schreibmaschine offenbar im Einfingersuchsystem abgetippt (Gutenberg, nicht Guttenberg, lässt grüßen!) zu 50 Jahren Basketballabteilung des MTV 1846 Gießen, die wie selbstverständlich auf der ersten Innenseite ein langes Hölderlinzitat trägt. Quasi sinnbildlich für das – von außen betrachtet – ambivalente Gießener Fanbild. Dem Wahren Schönen Guten – und als und als dem Orangenen (hess.). Was denn auch sonst? Next up: alte Hallenmagazine mit Eidson und Gavel auf dem Cover. Bilder und DVDs mit jubelnden Gießenern beim Halbfinaleinzug 2005 nach dem Sensationssieg über die hochfavorisierten Kölner. Staub indeed.

Zu Saisonbeginn noch völlig orientierungslos, wie der sprichwörtliche Albatrosshaufen, sind die mittelhessischen Fans nun wieder auf gewohntem Terrain. Nix mehr mit verunsichernden Dauersiegen und irritanter Tabellenspitze, nix mehr mit mangelndem Liedgut und der Selbstilfegruppe „Anonyme Gewinner“ in der außerordentlichen Lage. Nach einer sagenhaften Niederlagenserie von 13 in Folge – der letzte Heimsieg datiert übrigens vom 17.10.2010 – ist wieder alles beim Alten. Das ist gut, das können wir. Die Gießen 46ers und ihre Fans rüsten (wieder einmal) zum Abstiegsshowdown. Highnoon ist morgen, am Samstagabend 20 Uhr in der Sporthalle Ost.

Über der Stadt liegt seit Tagen schon eine erwartungsfrohe, angriffslustige Spannung mit einer Prise Angst. Ein ganz klein wenig Existenzangst mal wieder. Das große Zittern aka Abstiegsparkinson ist wieder da. Die Straßen sind nicht ganz so staubig wie in den alten Western, dafür aber die Schlaglöcher tiefer und die Atmosphäre kribbliger als die Lippen des Mundharmonikaspielers nach nem Ennio Morricone Song. Das Spiel gegen die Giants aus Düsseldorf ist schon die ganze Woche Stadtgespräch, es fühlt sich ein wenig an wie ein Dampfdruckkessel kurz vor dem Explodieren. Diesen Montag erschütterte schon ein Erdbeben, mit 4,4 auf der berühmten Richterskala, Gießen. Morgen gibt es mindestens 18,46 auf der nach oben offenen Licher-Skala.

Normalerweise beschäftigt man sich im Vorfeld auch mit dem Gegner, analysiert Stärken und Schwächen, gibt Prognosen ab. Düsseldorf hat das dieses Jahr unmöglich gemacht. Nur ein Karnevalsverein oder ausgefuchste, gewiefte Taktik? Auf SD hat sich dankenswerterweise „veilchenfeuer“ daran gemacht wenigstens einmal den Kader zu beleuchten, der sich so verworren liest, wie die Karte vom Alten Bazar in Istanbul. Alles, was ich von Düsseldorf weiß, ist, dass Murat Didin Trainer ist. Und mittlerweile auch Geschäftsführer und was weiß ich noch. Vor der Saison stellte er einen Kader zusammen, der durch die Türkei tingelte um die Sponsoren zu beglücken, während er selbst tagein, tagaus, morgens, mittags und abends vor jeder TVKamera stand, die sich bot. Noch seltsamer wurde es nach der Rückkehr, es wurde großzügig entlassen und noch vor Ligabeginn heftig neuverpflichtet. Dann folgten Verletzungen, neue Wechselspielchen, lauter Beinahsuperstarverpflichtungen, die irgendwie unverständlicherweise alle doch woanders unterschrieben, gerne mal bei Euroleagueteams. Ein gewisser Ellis kam zum Probetraining, wurde als Verpflichtung gemeldet, während Didin entschieden hatte, ihn nicht zu nehmen, allerdings ohne die eigene Pressestelle zu informieren. Dann durfte er doch bleiben, dann sollte Ellis wieder weg, wenn nun alles stimmt, was da geredet wird, läuft er morgen tatsächlich zu seinem ersten BBL-Spiel auf. Was bleibt ist Ratlosigkeit. Der Düsseldorfer Club scheint sich mit allem möglichen zu beschäftigen, überall umtriebig zu agieren – außer im Basketball. Es wirkt, als ob die neudeutsche Vokabel „Kernkompetenz“ noch nicht angekommen sei im Rheinland. Höhepunkt der Nebelkerzenwerferei war in der letzten Woche die voll krasse Aktion „I love my hood“ („it´s all about Heimatliebe“!), die einen endcoolensetzlichen Gangstarap ins Leben quälte, das Artland nach Aachen verlegte und ansonsten zu den größtenteils Schickimicki-Zuschauern in Düsseldorf passt, wie Paris Hilton nach Gießen. Uuupps, da ist wohl was schiefgelaufen. Wuppertal Brutality (1), The Meppen Muggers und andere Homies gehen fett steil in türkis und das piepsende IT-Girl trippelt statt auf der Kö durchs trostlose Industriegebiet 3. Klasse in Gießen. O tempora, o mores!

Zeit, das Bild wieder zurechtzurücken. Obwohl der letzte Heimsieg über 4 Monate her ist, ist die Halle immer voll, sogar voller als im letzten Jahr. Zuschauerzuwachs und immer hart an der Kapazitätsgrenze, trotz nahezu unerträglicher Spiele, welcher BBL-Club kann das schon von sich behaupten? Das lasse ich jetzt einfach mal als Wert an sich stehen. Auch morgen wird es richtig voll. Falls Düsseldorfer Fans kommen, werden die ein bißchen was geboten kriegen. Falls nicht, auch egal. Die Halle wird kochen und brodeln, pfeifen und buhen, schreien und anfeuern, dass die Ohren nur so klingeln werden – gerne auch noch 2 Tage später. Fans als lebender Heimvorteil, genau das wird es morgen geben, mit allen erlaubten Mitteln Einfluss nehmen. Der neue Coach Steven Key kennt die Osthalle seit vielen Jahren und schürt heute in der lokalen Presse die erwartungsfrohe Spannung noch zusätzlich. „Nicht nur eins von 34 Spielen“ und „…der Trainer der LTi Gießen 46ers, weiß ganz genau, dass am Samstag um 20Uhr der Punk in der Osthalle abgehen wird.“

„Unsere Anhänger hätten uns nicht besser unterstützen können. Wenn sie in jedem Spiel so hinter uns stehen wie gegen Oldenburg, ist es für jeden Gegner in der Osthalle ganz schwer.“

Genau das ist die Aufgabe der Fans, das ihrige beizutragen zum Sieg. Die Spieler machen ihren Job, wir machen unseren. Genau das werden wir tun, wie immer lautstark, mit hohem Damenanteil und nicht immer ganz neutral. All is fair in love and basketball. Übersetzung: Alle sind fair in der Liebe und beim Basketball – außer die Gießener. Die akademischen Titel bleiben zu Hause, nett auch –  und ab geht die wilde Fahrt.

„Basketball – ein fröhliches Wörterbuch für Riesen und Zwerge“ – ebenso ein Fundstück meiner hausfraulichen Pflichten – bringt es  auch bzgl. der Gießener Fans voll auf den Punkt : „Zum Glück handelt es sich bei den Basketballspielern und deren Zuschauern um intellektuell durchweg überdurchschnittlich ausgeprägte Individuen“. Das kann man mal einfach mit einem Augenzwinkern so stehen lassen. Für die Auswärtigen: Nicht alles was brüllt, beißt auch und gepöbelt wird zumindest morgen gegen jeden Pfiff, wenn er gegen Gießen geht. Und ausgepfiffen werdet ihr von der ersten Sekunde an. Ganz ohne Grund, einfach so. Weil das so ist und auch so bleibt. Nicht persönlich nehmen, zart besaitete Typen zu Hause lassen. Hunde in Handtaschen auch. Das ist dann aber alles ungefähr so ernst zu nehmen wie das zitierte Wörterbuch, gehört aber zum Spiel dazu. Unserem Spiel.

This is our place.

osb

P.S.: Emma (8) zu dem „für ewig.“-T-Shirt: „Ist das überhaupt ein richtiger Satz? Muß da nicht eigentlich ein Fragezeichen hin?

(1) = dreister Diebstahl geistigen Eigentums beim Bloggervater. Termin im Kanzlerinnenamt steht.

7 Gedanken zu „Dü-do or die!!!

  1. jetzt mal ganz ehrlich…..

    für mich steht düdo schon als absteiger fest. als zweiter absteiger denke ich das das es der mbc oder der bbc wird.

    wenn jetzt der einwand kommt warum gießen net in der aufzählung fehlt dann ist es ganz einfach.

    wenn gießen absteigen würde dann würde mir was fehlen ;-)

    in dem sinne

    ein sieg für die 46ers. alles andere wär überraschend

  2. Pingback: Ein guter Tag für die Blogger – Teil 2: Gießen hat `ne Bank! « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

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