Philip Zwiener, vertragslose Nationalspieler und die Quote

Philip Zwiener statt Casey Jacobsen. So hätte die Überschrift auch lauten können. Casey geht – glaubt man seiner Frau – nach Bamberg. Philip verlängert für ein Jahr in Berlin. Die Verpflichtung überrascht. Dennoch: Die meisten Fans wird es freuen. Die Free-Zwiener-Bewegung hingegen sollte nun in Klausur gehen und überlegen, ob ihr gut gemeintes Anliegen nicht einfach die Realitäten der Liga verkennt.

Zur nächsten Saison verändert sich die Quote von drei auf vier Deutsche im 12er Kader. Die Verpflichtung von Philip Zwiener dürfte sowohl Quotengegnern wie auch Quotenbefürworten neue Munition geben:

  • Dank Quote sind die Preise für Nationalspieler hoch. Für Paderborn war Zwiener zu teuer. Der Ligapräsident pöbelt laut – und auch einige Clubs hinter vorgehaltener Hand – wenn sie darüber sprechen, was ein Nationalspieler im Vergleich zu einem 08/15 US-Starter kostet.
  • Philip wird spielen (müssen), denn ALBA muss in einer 10er-Rotation mit einem 11ten wettbewerbsfähigen Spieler mindestens drei Deutsche unterbringen. Letzte Saison war Zwiener Nr. 12 im Kader. Wenn nicht noch ein weiterer großer Nationalspieler kommt, ist er diese Saison zumindest Nr. 11.
  • ALBA Berlin steht mit der Weiterverpflichtung zum eigenen langfristigen Programm der Nachwuchsrekrutierung, der Ausbildung mit langem Vertrag und der Weiterverpflichtung von (in diesem Fall deutschen) Identifikationsfiguren.

Dennoch lassen sich in dieser Offseasosn – sorry Philip Zwiener, dass ich anlässlich deiner Verpflichtung nun Wasser in den Wein gieße – ein paar Entwicklungen erkennen. Positiv: Deutsche Rollenspieler verlängern ihre Verträge in Oldenburg, Bremerhaven und anderswo. Auch Bamberg bindet seine Talente langfristig. Doch der einzige (Neu-)Nationalspieler, der in dieser Offseason verpflichtet wurde, das war Schaffartzik in Braunschweig. Und natürlich U20-Star Benzing in Ulm.

Doch bei den arrivierten Nationalspielern sieht es bislang düster aus. Okulaja ist in Bamberg gegangen (worden), Greene bekommt kein vernünftiges Angbot seines ehemaligen Brötchengebers und spielt nun doch wieder Nationalmannschaft. Ein Schelm, wer dabei an die Eigenwerbung in der Offseason denkt. Dass Berlin und Femerling sich noch einig werden können, kann man nach diesen Tönen kaum glauben. Wo ist übrigens der deutsche Club, der Interesse an Schultze zeigt und mit den Italienern und Griechen mitbietet? Auch in Frankfurt munkelt nun die Presse von einem möglichen Abschied des gut verdienenden Wysocki wegen allgemeinen Sparzwang. Was ist mit Idbihi, Grünheid, Jagla, Demirel und Steven Arigbabu? Sehen wir irgendeinen davon in der BBL oder werden wir ihre guten Leistungen in starken Ligen nur auf spanischen, italienischen, türkischen und griechischen Webseiten lesen?

Ich glaube, man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Die Spielergehälter der Nationalspieler sind – nicht nur wegen der Quote – relativ hoch. Zu hoch für viele Clubs dieser Liga? Doch nicht jeder Spieler kann eben eine Olympiateilnahme im Lebenslauf und starke Leistungen auf höchstem Niveau des Basketball-Parketts vorweisen. Das ist einfach ein anderer Marktwert, als Starter am regionalen College gewesen zu sein oder nen guter deutscher Spieler in der ProA. Ein mühsam erarbeiteter Marktwert, der dank anderer Quoten in Italien, Spanien und Griechenland vernünftig vergütet wird. ALBA Berlin kann Nationalspieler für hintere Kaderplätze verpflichten, während der Großteil der Liga sie nicht einmal als Starter haben will oder sich leisten kann. ALBA kann und will es offensichtlich. Warum also sollte ALBA es nicht tun?

Unsere Nationalspieler sind in den vergangenen Jahren – egal wo sie spielten – vergleichsweise vereinstreu. Sie sind langfristige Identifikationsfiguren für die Fans und gute Werbeträger. Der „europäische Starspieler“ Femerling auf Berliner Müllautos. Pascal Roller bundesweit in der Werbung für junge Konten der Deutschen Bank. Jung-Nationalspieler Stückemann bescherte den Dragons bis zu seiner Verletzung etliche Pressemitteilungen in der Offseason.

Bei der hoch gelobten Kontinuität in Oldenburg sind es eben nicht nur die serbischen und amerikanischen Stars, sondern ist es auch das deutsche Banktrio Hain, Strauch und Buljevic. In Berlin sind nun auch schon sechs Spieler des letztjährigen Kaders weiter dabei, davon drei deutsche Nationalspieler.

Edit: Wenn das jetzt alles zu sehr nach Kohle klingt, so ist das vor allem strukturelle Kritik. Dass Zwiener kämpfen und beißen will, auch unter Luka, davor habe ich größten Respekt.

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5 Gedanken zu „Philip Zwiener, vertragslose Nationalspieler und die Quote

  1. Oh man, ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder mit dem Kopf schütteln soll.
    Auch in diesem Jahr frage ich mich wieder, was in ihm so alles vorgeht. Er kann sich doch denken, dass es in der nächsten Saison nicht viel mehr Spielzeit geben wird.
    Da braucht er sich nicht zu wundern, dass man den deutschen Spielern immer vorwürft, geldgierig zu sein. Die würden doch lieber auf der Bank Platz nehmen und Kohle scheffeln, als sich einen anderen Verein zu suchen, bei dem sie wenigstens spielen würden, nur viel weniger Geld verdienen.
    Dann sitzen sie eben auf der Bank, der Quotenregelung sei Dank.
    Die Mär mit dem ‚Kämpfen‘ und ‚Beißen‘ habe ich ja vielleicht in der letzten Saison noch geglaubt, aber jetzt wird’s echt unglaubwürdig.

  2. Es ist tatsächlich seltsam. Normalerweise möchte man einem Spieler gratulieren, dass er beim Ligakrösus anheuert oder gar verlängert. Aber hier fragt man sich eher, was da schief gelaufen ist. Ist Zwiener tatsächlich so genügsam (ich rede jetzt nicht vom lieben Geld) oder besitzt er einfach nur einen unerschütterlichen Glauben? Respekt!
    Auf jeden Fall empfehle ich ihm für das Trainingslager speziell auf ihn zugeschnittene Dehn- und Lockerungsübungen:

    http://www.netdoktor.de/News/Verkrampfte-Kiefermuskulatu-1098150.html

  3. das strukturelle problem, um das es hier geht, setzt doch ganz woanders an: solange man in deutschland mit basketball kein geld verdienen kann, ist es einfach sehr viel sinnvoller, mit den besten spielern der liga als teamkollegen in einem der europaweit am hoechsten gelobten vereinen zu den besten bedingungen in der attraktivsten stadt des landes zu trainieren und dafuer bei einigermassen guter bezahlung nur die bank anzuwaermen, als sich in einem der kleineren vereine der liga fuer deutlich weniger geld auf dem parkett eine verletzung zuzuziehen. ob da ueberhaupt irgendwelche quoten was helfen? ich weiss es nicht, heisse aber auch nicht pommer. die college-amis bringen schlicht attraktivitaet in die liga (sponsorengelder?), versauen aber gleichzeitig auch den spielermarkt (3dollar50 fuer ’nen ami, der sogar was drauf hat). warum sollte man sich als deutscher mit durchschnittlicher begabung unterbezahlen lassen, wenn die quoenregelung das hergibt? dann doch lieber einen anstaendigen beruf lernen!

    ich weiss, das klingt alles furchtbar chauvinistisch und ist ueberhaupt nicht neu. fuer die vorhandenen strukturen aber ist ein philip zwiener nicht verantwortlich zu machen. er tut das, was er fuer richtig haelt, und hat dafuer mein volles verstaendnis. ganz abgesehen von den staendigen insolvenzen (bis fast hinein in die playoff-mannschaften), die einem jungen mann neben der sportlichen herausforderung auch noch zu denken geben muessen: als drittliga-fussballer kann man in deutschland von seinem spielergehalt noch eher leben als als erstliga-basketballer. das ist doch pervers. fragt euch z.b. mal, mit welchem budget der sc paderborn letzte saison knapp den aufstieg in die zweite liga bewerkstelligt hat. da kann man – bei aller liebe zu orangeroten leder – seine kinder nur im fussballverein anmelden oder nach suedeuropa auswandern.

    beste gruesse,
    mrx.

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