Es wäre nötig gewesen, sie länger zu unterstützen

[Mit Updates] Als wir uns in Deutschland vor rund einem Monat über unklare Linien der Schiedsrichter aufregten, was gab das für einen Aufschrei. Wenn man nun aber über den Tellerrand schaut, dann ist das alles harmlos, geradezu Pipifax verglichen mit dem, was gegenwärtig in Russland geschieht. Es ist ein Mitschnitt der Gespräche dreier Schiedsrichter und dem Technischen Kommissar und einem Vertreter der Liga aufgetaucht, in dem in klaren Worten besprochen wird, dass ein Playoffspiel verschoben, bewusst verpfiffen und möglicherweise auf Anweisung der Ligaleitung entschieden werden. Das aus deutscher Sicht pikante Detail: BBL-Kommissar Efim Resser ist einer der fünf beteiligten Offiziellen.

Ich spreche und verstehe kein Russisch, daher muss ich mich bei diesem Artikel an Sekundärquellen orientieren. Es gibt einen sehr guten Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, viele engagierte Berichterstatter auf Interbasket und den einen oder anderen Text, bei dem Google Translate zumindest die Grundzüge verständlich macht.

Um welche Spiele geht es?

Konkret geht es dabei um das Playoffviertelfinale der russischen Superliga zwischen Dynamo Moskau und Lokomotiv Kuban. Erst nach fünf Spielen konnte sich Dynamo, einem Nachfolger der alten KGB-Sportvereine (en.wikipedia.org), gegen den Klub der Studenten der Eisenbahnakademien aus Rostov am Don, nunmehr aus finanziellen Gründen umgezogen nach Krasnodar (Wikipedia), durchsetzen. Eine Paarung, bei der schon im November 2009 Zweifel laut wurden.

Jetzt, nach dem Viertelfinalspiel, das am Ende an Dynamo ging, unterhalten sich die Offiziellen darüber, dass das, was gerade geschehen war, so hätte nicht passieren dürfen. Efim Resser sagt auf dem Tonbandmitschnitt laut F.A.Z.:

„So lange wir sie (Lokomotiv) unterstützt haben, war es gut. Aber unter uns gesagt: Es wäre nötig gewesen, sie länger zu unterstützen.“

Übrigens, die Foulstatistik sagt dazu gar nichts aus. Die ist sowohl im ersten wie im zweiten Spiel ganz brav ausgeglichen. Liga-Leiter Astanin gibt den Refs dann auch gleich den Ratschlag, wie man sowas am besten macht, ohne dass die schon arg verärgerten Dynamo Fans allzu sehr begreifen, was geschieht:

Aber er hat auch einen Rat zur Hand, wie man ein knappes Spiel zum Ende unauffällig entscheidet: „Es wäre nötig gewesen, dort zwei (Fouls) zu geben, hier eins, dort zwei, hier eins. Das hätte nach einer gleichmäßigen Verteilung ausgesehen. So sieht es so aus, als hätten wir Lokomotive drei Viertel unterstützt, und im vierten haben wir sie fallen gelassen.“

Das folgende Video (auf Russisch) ist eine Dokumentation des Gesprächs. Angeblich ist es geschnitten, vermutlich ein Zusammenschnitt von Gesprächen nach Spiel eins und zwei der Serie. Doch nach allem was ich aus den Übersetzungen der F.A.Z. und der Google-Übersetzung des vollständigen russischen Transkripts verstehe ein krasses Dokument darüber, wie systematisch und wohl auf Wunsch der Ligaleitung bestimmte Paarungen entschieden werden sollen.

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Ja, sie haben das so gesagt und getan

Man hätte erwarten können, dass nach der Publikation der Sounddatei alle zurückrudern, laut gerufen wird, es sei ein Fake. Doch dies ist mitnichten der Fall. Die beteiligten Schiedsrichter bestätigen im Nachgang, dass die Gespräche und die Anschuldigungen wahr sind. Ein offener Brief der Schiedsrichter ging an die Offiziellen. Man bekommt den Eindruck, als werde hier bewusst versucht, Korruption durch Öffentlichkeit aufzudecken und anzugreifen, der Mitschnitt vielleicht gar von einem der Beteiligten stammt.

The conversation of the inspector Maxim Astanin, commissioner Efim Resser, referees Sergey Bulanov and Sergey Krug, publication of which on the Internet brought a surge of shouting, turned to be true.

That was said in the joint open letter of the Russian basketball referees addressed to the chairman of the RFB Board of Trustees Andrey Belyyaninov, its executive director Leonid Evropeytsev and RFB president Sergey Chernov.

The letter says that all three referees who worked at the first two matches of the quarterfinal series Dynamo vs. Lokomotiv (the talk took place in between these matches and concerned the way of refereeing to boost Lokomotiv) – Bulanov, Krug and Razbezhkin as well as the fourth referee Belyakov confirmed the fact of this talk. (Quelle: Sport-Express.ru)

Jetzt hat der – auch in den Gesprächen nach vorherrschender Lesart immer wieder mit Spitznamen erwähnte – Liga- und Verbandschef Sergej Chernov erste Konsequenzen gezogen. Es gibt eine „Kommission“, die den Vorwürfen nachgehen soll und er hat angekündigt, dass er nicht mehr CEO der Liga sein will, sondern „nur“ noch Präsident des russischen Basketballverbandes.

„I should admit that as president of RFB and CEO of the Superleague I have loosened the reins over the actions of the staff. And I have not been in the country for the last several days.“ (Quelle: Sport-express.ru)

Ach, jetzt ist es nur ein Überwachungsversagen? Mit Verlaub, die O-Töne klingen anders. Wenn Chernov der „Charny“ oder „Viktorovich“ aus dem Mitschnitt ist, wie viele glauben, dann ist er es, der die Schiebung instruiert hat. Wenig überraschend wird nun nach Angaben gewöhnlich gut informierter User auf Interbasket von der nunmehr (durch Chernov) eingesetzten Ermittlungskommission eine Frage nicht gestellt. Nämlich die, wen die Beteiligten mit „Charny“ meinten.

Und die Konsequenzen?

Corruption is operationally defined as the misuse of entrusted power for private gain.

So definiert Transparency International Korruption (via wikipedia). Macht (power), das wird in den Transkripten des Mitschitts deutlich, hat Sergej Chernov. Wiederholt gibt es im Mitschnitt Hinweise darauf, dass der Fisch vom Kopf stinkt, dass die Schiedsrichter in höherem Auftrag gehandelt haben. Blättere ich durch die wenigen mir zugänglichen Quellen im Netz, wird das Bild differenzierter.

Chernov has drawn criticism during his seven-year reign as head of the federation.

Corruption is the main accusation leveled at him. But when it came down to taking action, only a few clubs appeared ready to challenge the out-of-favor president.

“For five years we’ve tried to change the Superleague structure. But we’ve been supported only by three orfour4 clubs. Obviously, things need to be transformed in Russian basketball. For example, the referees are under huge pressure. They know if they don’t follow the federation’s orders, their careers would be ruined,” Gennady Drozdov says Dinamo Moscow President. (Quelle: rt.com)

Offiziell ist alles vertagt bis nach den russischen Finals. Doch die Unruhe wächst. Nun werfen die russischen Sport-Journalisten mit einem gemeinsamen offenen Brief an die Verantwortlichen ihr ganzes Gewicht in die Waagschale (Übersetzung via google translate), prangern den Absturz der russischen Liga an, katastrophale Zuschauerzahlen, eine verfehlte Politik hinsichtlich der Quoten. Das Bild, dass sie vom Basketball in Russland zeichnen, ist fatal:

Corruption in the judiciary has reached such proportions that the implementation of the arbitrators‘ orders „can be seen with the naked eye. The regular pressure on judges to ensure the desired results was „trademark“ of the Russian basketball. No wonder the representatives of the domestic judiciary is almost never brought to work in the international competitions of any level. This basketball community openly discuss the fact that in our league are bought not only the results of individual games, but even the final place in the standings. (via google translations)

Коррупция в судейском корпусе достигла таких масштабов, что выполнение арбитрами «заказов» видно невооружённым глазом. Регулярное давление на судей с целью обеспечения нужных результатов стало «товарным знаком» российского баскетбола. Не зря представители отечественного судейского корпуса практически никогда не привлекаются для работы на международных соревнованиях любого уровня. При этом баскетбольная общественность открыто обсуждает то, что в нашем чемпионате покупаются не только результаты отдельных игр, но даже итоговые места в турнирной таблице.

Kann es uns nicht einfach egal sein? Nein, das kann es sicherlich nicht. Und dies gilt nicht nur wegen der Beteiligung eines Technischen Kommissars am Skandalspiel, der seit Jahrzehnten eine prominente Figur der Basketball-Bundesliga ist. In Deutschland gibt es erste Konsequenzen. Laut F.A.Z. ist Kommissar Efim Resser suspendiert:

Der Deutsche Basketball-Bund (DBB) bestätigte am Donnerstag auf Anfrage die Suspendierung Ressers, der ohne Erlaubnis gar nicht als Kommissar im Ausland hätte arbeiten dürfen. Auch die Bundesliga hat ihn bis zur Klärung der Vorwürfe aus dem Verkehr gezogen.

Es zeigt sich, das Sport international ist. Korruption macht an Landesgrenzen nicht halt. Der nun unter Beschuss stehende russische Verbandschef Chernov war bis vor kurzem sogar Vize-Präsident der FIBA Europe. Alle neun Teilnehmer der russischen Superleague treten in internationalen Wettbewerben an.

Korruption zerstört das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Systems. Es ist daher gut, dass zumindest die Verantwortlichen in Deutschland schnell Konsequenzen gezogen haben. Doch Zweifel bleiben. Es stellt sich die Frage, ob die geschobenen Spiele ein russischer Sonderweg sind, oder im europäischen Basketball weit mehr in Hinterzimmern und durch Funktionäre entschieden wird, statt auf dem Parkett, als wir gemeinhin glauben.

Nachtrag: Auftritt Scariolo und CSKA

Dank der nimmermüden Interbasket-Community noch der Hinweis darauf, das das Thema es in zwei sehr prominente Blogs geschafft hat, die Blogs der beiden Finalisten der russischen Superleague. Khimki’s Coach Sergio Scariolo, Trainer der Spanischen Europameistermannschaft 2009 bloggt:

Since last year when I arrived in the Russian league, I realised how worrying the situation was: in this year and a half I have felt humiliated and frustrated in several occasions, as a sportsman before than as a professional.

und fragt:

2. Could a system like this stand without political support at a higher level, well above the Federation?

Stantepede gab es die Antwort aus dem russischen Basketball-Zentralkommitee, der CSKA-Geschäftsführung, vom CEO Andrej Vatutin persönlich, der von seinem italienischen Freund (Messina?) auf den Blogpost hingewiesen worden war. Jetzt stellt er sich mit breiter Brust hin und sagt, dass die allein entscheidende Lösung der Schiri-Problematik ein CSKA-Trainingsanzug sei und sich mehr oder minder über die Schiri-Frage amüsiert. Kritische Fragen ins Lächerliche ziehen? Mir schwant, als hätte Scariolo einen Nerv getroffen. Die Aufforderung Vatutins, ist nicht ganz ohne:

2. I will ask my friend, BC Khimki CEO Victor Bychkov to present BC Khimki warmup suit to Maxim Astanin.

Wir erinnern uns: Astanin ist der Liga-Offizielle vor dem sich die Schiris in obigem Mitschnitt rechtfertigen müssen. Ist der Khimki-Traininsanzug hier nur Synonym für andere Einflussnahme, zumal am Ende ja der CSKA-Trainingsanzug sticht?

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7 Gedanken zu „Es wäre nötig gewesen, sie länger zu unterstützen

  1. Wenn es in Russland eine gelenkte Demokratie gibt, warum sollte es keinen gelenkten Sport geben?
    Und die vielen Dopingfälle vor den jüngsten Olympischen Spielen ließen einen ja auch auf Gedanken kommen, wie die Winter-Spiele-Vergabe ans subtropische Sotschi…

    Überraschend ist doch nur, dass irgendwer Interesse daran gehabt haben muss, das vermutete ans Licht zu befördern.

    Ich nehme an, dass diese Fälle weltweit und nicht nur in Russland vorkommen. Denn, analog zum Doping, was spricht dagegen, dass es anderswo weniger Mauscheleien gibt? Nichts.

    • Nur ein kleines Facelifting ;-). WordPress 3.0 steht vor der Tür, vermutlich stehen in der Offseason noch größere Änderungen an.

  2. Was ich mir kaum vorstellen kann ist, dass das Ganze nur auf administrativer Ebene abläuft. Gibt es irgendwelche Hinweise auf involvierte Spieler?

    • Okay. Scheint mir extremst unwahrscheinlich, dass russische Teambosse mit Schiedsrichtern und mit TKs reden und ihre direkten Angestellten (zumindest die russischen) völlig unbeeinflußt lassen, zumal die dichter am Spiel dran sind.

      Danke für die Mühe alles zusammenzutragen – hochinteressant! Aber wahrscheinlich nur Spitze des Eisbergs.

    • Natürlich werden auch Spieler involviert sein, auch da spricht ja gar nichts dagegen. Nur werden die ja nach den „verschobenen“ Spielen ja noch für die kommende Saison gebraucht, deswegen werden die nicht so schnell bekannt (werden), wenn überhaupt.
      Warum sollte sich das nur in den Kreisen der Offiziellen abspielen?

      Auf einem anderen Niveau/Ebene/Schweregrad sieht man ja bei Nalga, wie schwer es Spieler haben, Im Ernstfall gegen Verantwortliche Rückgrat zu beweisen. Dann wäre die Karriere eben gleich beendet, wenn man nicht mit macht, Spieler gibt es immer mehr als genug, in allen Klassen zu jedem Gehaltsniveau.

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