EuroBasket 2011 in Litauen – Ein Ausblick (Teil 1)

Gestern wurden die Ticketseite der FibaEurope für die EM 2011 freigeschaltet. Anläßlich der Gruppen- und Spielortauslosung hatten wir schon einen Blog über den mehr als suboptimalen neuen Spielmodus und seine Folgen geschrieben. Auch die, ääähhem, minderdifferenzierte litauische Musikszene beschäftigte uns dort bereits. Nun gehen wir aber in medias res, dank eines Gastschreibers, der sich ausführlich mit dem beschäftigt, worum es eigentlich bei der Europameisterschaft geht: Basketball. In drei Teilen bringt uns goga78 dankenswerterweise den Teams der deutschen Gruppe B nah.

Gruppe B

Austragungsort: Siauliai

Siauliai ist mit ca. 125.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Litauens, welche weniger eine Touristenattraktion als vielmehr ein Wirtschafts- und Industriestandort des Landes ist. Die Stadt liegt im Norden Litauens, unweit der Grenze zu Lettland. Siauliai hat eine geschichtsträchtige Vergangenheit und wird bereits im 13. Jahrhundert in den Chroniken erwähnt. Die ehemals multikulturelle Stadt veränderte ihr Erscheinungsbild, als viele Russen, Juden, aber auch Litauer nach dem Ersten Weltkrieg emigrierten und litauische Bauern sich im Stadtgebiet ansiedelten. Heutzutage ist die Stadt zu 93% mit ethnischen Litauern bevölkert. Kurios: zu Sowjetzeiten wurde mit der Vilnius-Straße die erste Fußgängerzone im Lande überhaupt geschaffen. Der BC Siauliai repräsentiert die Stadt in der höchsten litauischen Basketball-Liga LKL und scheitert jährlich am Finaleinzug gegen einen der beiden übermächtigen Klubs aus Vilnius und Kaunas.

Die Teams:

1.) Frankreich

Ausgangslage:

„Le bleus“ stellen das größte internationale Kontingent in der NBA mit gleich elf Spielern. Von der Athletik her sind sie dem Rest Europas insgesamt überlegen, wenn es jedoch darauf ankommt, versagt das Team noch, bevor um Medaillen gespielt werden kann. Nach dem vollkommen überraschenden olympischen Silber 2000 – günstige Matchups mit Siegen über Neuseeland, China, Kanada und Australien – kam der Generationswechsel, welcher trotz großer Erwartungen bislang nur EM-Bronze 2005 bescherte. Der überragende Point Guard Tony Parker punktet nach Belieben gegen jeden Gegner, schafft es aber nicht, sein Team mitzureißen. Wenn er es jedoch nicht schafft, bei einer guten Trefferquote hoch zu punkten, bekommt Frankreich Probleme. Seit 2009 heißt der Head Coach Vincent Collet, welcher bis zum 18. November zugleich ASVEL Lyon-Villeurbanne in der LNB trainierte (Göttingens Gegner in der ersten Eurocuprunde) und 2009 bereits einen nationalen Titel erringen konnte.

Starting Five:

PG: Tony Parker – San Antonio Spurs. Der schnellste Aufbauspieler der EM findet immer einen Weg zum Korb und ist im Laufe der Karriere zunehmend sicherer aus dem Feld geworden.

SG: Mickael Gelabale – ASVEL Lyon-Villeurbanne. Nach einem misslungenen Ausflug in die NBA, ist der vielseitige Flügelspieler zurück in Frankreich, wo er unter seinem NM-Coach spielt. Das dürfte ihn im Endeffekt auch in die Starting Five katapultieren. Gelabale ist ein guter Schütze und ein starker Verteidiger.

SF: Nicolas Batum – Portland Trailblazers. Das langarmige Sprungwunder ist ein sehr gefährlicher Shotblocker und punktet mittlerweile auch in der NBA zweistellig. Bei der WM 2010 ohne Parker war er der beste Scorer seines Teams.

PF: Boris Diaw – Charlotte Bobcats. Mr. Do-it-all. Kann alles am Ball, muss es nur zeigen (wollen). Eine Enttäuschung bei der WM 2010.

C: Joakim Noah – Chicago Bulls. Der Sohn der Tennis-Legende Yannick Noah dürfte in Litauen sein erstes großes Turnier für Frankreich spielen. Ein absoluter Teamspieler, sehr guter Verteidiger und Rebounder, dazu groß und langarmig. Definitiv ein Upgrade zu Ali Traore und Ian Mahinmi als „man in the middle“ neben Ronny Turiaf.

X-Faktor:

Das Reboundverhalten. Bei der WM 2010 war Frankreich das drittschlechteste Team bei Sammeln der Abpraller (Nach Jordanien und Angola), was sich auch im Endresultat zeigte. Frankreichs größte Waffe ist die Athletik und diese kommt am besten bei Fastbreaks zum Einsatz. Doch dafür muss hinten gereboundet werden. Andererseits ist man auch kein Team, dass mit Distanzschützen gesegnet ist, weshalb der Offensivrebound an Bedeutung gewinnt.

2.) Lettland

Ausgangslage:

Nach der Goldmedaille bei der EM 1935 kam der nächste Erfolg bei der EM 2001, als man Achter wurde und auf dem Weg dorthin den mächtigen Nachbarn aus Litauen aus dem Wettbewerb warf. Seitdem ist den Letten der 13. Platz vorbehalten gewesen: 2003, 2005, 2007 und 2009. Mit Hilfe der Fans, die über die Grenze zum grenznahen Siauliai kommen sollten, hofft Lettland auf ein besseres Abschneiden. Doch diesmal ist die Aufgabe schwerer als sonst. Ein Sieg gegen den Konkurrenten um den dritten Platz wird nicht ausreichen, denn diesmal hat man zwei Mannschaften mehr in der Gruppe. Die Balten sollten versuchen, ihren Höhepunkt nicht schon vor dem Turnier zu erreichen, was ihnen meist zum Verhängnis wird.

Starting Five:

PG: Janis Strelnieks – Ventspils. Der erfahrene Spielmacher Kristaps Valters ist bis 2013 aus innerdisziplinären Gründen gesperrt. Somit wird wohl der beste Passgeber der Letten in der Quali-Runde den Zuschlag erhalten.

SG: Kristaps Janicenoks – VEF Riga. Ein sehr guter Scorer und sicherer Schütze. Konnte im Eurocup dieses Jahr nach Belieben punkten und legte über 20 ppg bei toller Trefferquote auf.

SF: Rihards Kuksiks – Arizona State University. Der wurfsichere College-Senior führte Lettland als bester Punktesammler in der Quali-Runde an. Ob er jedoch startet oder die Routiniers zurückkommen wird sich erst ergeben, zumal Lettland oft mit drei Guards spielt.

PF: Kaspars Kambala – Aliaga Petkim. “More than Rocky Balboa” ist ein Kraftpaket, das nicht zu stoppen ist. Wenn er mal nicht wieder gesperrt ist und professionell boxt, schenkt er dem Gegner blaue Flecken und Punkte ein. Er hält zusammen mit Alphonso Ford den Euroleague-Rekord mit 41 Punkten, die in einem Spiel erzielt wurden. 2002 bekam das kein geringerer als der Euroleague-Sieger FC Barcelona zu spüren. Im Juli 2010 wurde Kambala vom lettischen Basketballverband für ein Jahr gesperrt. Sollte er dennoch für die NM spielen wollen, ist er als Starter gesetzt. Wenn nicht, übernimmt einer der Youngster den Job, z.B. Ronalds Zakis.

C. Andris Biedrins – Golden State Warriors. Der einzige Lette in der NBA ist diese Saison endlich verletzungsfrei. Er ist ein guter Rebounder und Shotblocker, jedoch kein richtiger Scorer. Diese Aufgabe übernehmen bei den Balten aber meist sowieso die Distanzschützen.

X-Faktor:

Fans. Keine 60 km ist Siauliai von der lettischen Grenze entfernt. Die überschaubaren Distanzen innerhalb der baltischen Staaten machen es den Fans möglich, zu einzelnen Spielen anzureisen, ohne viel Geld für Flug und Hotel ausgeben zu müssen. Lettland ist zwar der Außenseiter der Gruppe, könnte jedoch vor eigenen Fans zur Hochform auflaufen. Sollten Kambala und Biedrins spielen, kann sich die Truppe um Head Coach Ainars Bagatskis durchaus Chancen ausrechnen, obgleich diese trotzdem gering sein sollten.

Teil 2 (mit Israel und Italien) folgt morgen!

13 Gedanken zu „EuroBasket 2011 in Litauen – Ein Ausblick (Teil 1)

  1. Siauliai (dt. Schaulen) ist wie nahezu alle Städte im Baltikum ehemaliges deutsches Siedlungsgebiet, was man an manchen Stellen im Stadtgebiet auch hier noch feststellen kann.

    Wenn man nicht von Riga oder dergleichen tagtäglich anreisen (problemlos möglich) möchte, dann kann man es sicher auch dort für ein paar Tage ohne Probleme aushalten. Es ist dann ja Sommer!

    Die Halle hat durchaus gehobenes BBL-Format, wie eine gewisse Gruppe Albafans, an denen das Abschneiden des heute hoch gelobten Teams rund um Bobby Brown und Hollis Price nicht lag, hoch vor einigen Jahren feststellen konnte…

  2. 1.) Es sind immer noch „Les bleus“ , sind ja schließlich mehrere (meist 12 ;-) ).

    2.) Kambala als PF zu sehen, finde ich – nun – mutig. Immerhin „Power“ trifft ganz sicher zu. Also entweder die haben keinen schlankeren 4er (oder nur allzu schlechte) und/oder auf der 5 gibts ein Überangebot an „Dicken“ ?!

    Wäre noch interessant zu erfahren, wofür Valters und Kambala gesperrt wurden.

    Wenn genannte Spieler aus der Bu-Li bekannt sind, könnte man auch darauf hinweisen (Valters, Janicenoks).

  3. Oh je, da setzt man seinen ersten Artikel rein und schon hagelt es Korrekturen… :-p

    Deutsche Siedlungsgebiete gab es natürlich in Litauen, wobei ich dann mehr über Klaipeda sprechen würde. Weder Kaunas noch Vilnius haben eine (ausgeprägte) deutsche Geschichte. Siauliai würde ich auch nicht unbedingt zum „deutschen Erbe“ zählen.

    @ 11: Das ist der Nachteil, wenn man Alt-Griechisch statt Französisch in der Schule nimmt. Oder man sollte seine Artikel nicht um vier Uhr Morgens schreiben :-)

    Kambala ist ein PF, der aber oft genug als C eingesetzt wurde. Wäre natürlich toll, Kaspars wieder im Dress der Letten zu sehen, wobei ich nicht so recht glauben kann, daß er nocheinmal zurückkommt. Solange er aber Vereinsbasketball spielt, besteht imho eine Chance.

    Die Sperre könnte für ausgiebiges Nachtleben verhängt worden sein. Kann es jetzt nicht mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, aber vieles deutet auf Disziplinarprobleme dieser Art.

    • Ich nehme alle Schuld auf mich ;-) habs ja schließlich Korrektur gelesen…

    • Und wer hat ihn rausgeworfen? Das waren doch die Göttinger, wenn ich nicht irre ;)

    • Haben wir den Artikel nicht solange aufgeschoben? :-)
      Sein Job als NM-Trainer ist aber derzeit nicht in Gefahr?

  4. Pingback: Bloggeburtstag: Die Gruebelei wird zwei « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

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