National vs. International – Eine Zwischenbilanz zur Spielzeit

Erinnert ihr euch noch an die Saison 2008/09? Damals, kurz vor der EM in Polen, betrug der Spielanteil deutscher Spieler in der Beko BBL 16,1 %. Im August 2009 traf Jan Pommer dann die Fan-Community schoenen-dunk.de und machte eine damals große Ansage: 30 % der Spielzeit sollte in der Saison 2012/13 von deutschen Spielern gespielt werden (Hier mein damaliger Bericht und die Langfassung mit pucki auf schoenen-dunk). Ein solcher Anteil diene der Identifikation, der Entwicklung von Talenten, der Vermarktbarkeit der Liga. Aber die Methode war offen. Denn die Debatte um die Quote mitten am Kochen. Doch auch nach der Quotenentscheidung im Oktober 2009 blieb dieses Ziel, der Erfolg der Quote sollte hieran gemessen werden. Die Quote ist da und die Saison 2012/13 ist nun fast zur Hälfte vorbei, Zeit pünktlich zum Allstarday 2013 eine erste Bilanz zu ziehen. Ist es erreicht?

Das erste, was einem Berliner heute auffällt, das ist, dass ein Fehlen junger deutscher Spieler in der Rotation als strukturelles Defizit angesehen wird. Dass ALBA im Sommer nicht eingekauft hat, kreidet manch ein Fan ihnen übel an. Dies  aber ist Meckern auf sehr hohem Niveau, wenn man bedenkt, wo wir herkommen. Nur ein Beispiel: In den Playoffs 2009 hatte ein Team wie Oldenburg noch Spielanteile seiner deutschen Spieler von unter 5 %. 10 Hauptrundenspiele, in denen kein einziger Deutscher auf dem Feld stand.  Und auch in Berlin sah es am Ende der Euroleague-Saison 08/09 düster aus. Außer Steffen Hamann spielte kaum einer. Ligaweit waren es in der Saison 2008/09 gerade einmal 16,1 %. Der Ligapräsident wetterte zu diesem Zeitpunkt öffentlich gegen eine 6+6-Quote, lehnte sie als Bedrohung der Ligaqualität strikt ab.

Vor diesem Hintergrund fand ich das damalige Ziel, 30 % der Spielzeit für deutsche Spieler, geradezu absurd ehrgeizig. Dass Jan Pommer dieses Ziel uns gegenüber öffentlich kund tat, überraschte mich. Ich soll geschrieben haben – leider finde ich dieses Zitat nicht mehr – dass Pommer sich an diesem Ziel messen lassen müsse. Es kann aber sehr wohl stimmen, denn statt warmer Worte ist dies ein messbarer Wert.

Und ganz offensichtlich ist, dass in den letzten dreieinhalb Jahren eine ganz erhebliche Veränderung in der Liga stattgefunden hat. Waren im Sommer 2009 Nationalspieler noch schwer vermittelbar, so sind junge deutsche Talente jetzt eine begehrte Mangelware. Der Manager eines damals kleinen Clubs, der böse über den Preistreiber Quote lästerte, profitiert heute ganz offenkundig davon, dass junge Spieler lieber bei Ihm spielen, als bei den großen auf der Bank zu sitzen.

Aber zurück zum Messbaren. 30 % in der Saison 2012/13. Wird dieses Ziel erreicht? Fast, aber noch nicht ganz. Es scheint ein Ritt auf Messers Schneide zu sein, denn momentan – alle Daten in diesem Artikel sind vom 03.01.2013 – sind wir bei 29,82 % der Spielzeit. Der Marsch über die Ziellinie ist absehbar. Denn bei dieser Zahl sind die Spieler nicht berücksichtigt, die ihre Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung erhalten haben, was soweit ersichtlich den Hagener Adam Hess betrifft und zukünftig eben auch Anton Gavel. Wir hatten in der Vergangenheit die Debatte (und hier), welche Rolle Einbürgerungen in der Praxis einer Nationalitätsquote spielen. Es gab sehr wenige. Es ist keine Fluchtstrategie der Vereine, sondern schlicht das Resultat langjähriger Bindung, die Einbürgerung das Ergebnis vom Aufwachsen in Deutschland, Lebensmittelpunkt und Eheschließungen. Die Differenzierung ist mithin eigentlich überflüssig, ist jedoch im mir verfügbaren Datenmaterial enthalten. Wo sich hieraus Auffälligkeiten ergeben, versuche ich es zu kommentieren.

Die Entwicklung der Spielzeit der deutschen Spieler in der Beko BBL ist seit der Saison 2008/09 eine imposante Entwicklung.

Spielzeit deutscher Spieler 2008-2013, 03.01.2013

Spielzeit deutscher Spieler 2008-2013, 03.01.2013

Schauen wir aber mal in die Detaildaten. Da die Saison noch läuft, hier und da mal jemand Schnupfen hat, möglicherweise der eine oder andere nicht fit ist und vor allem die Big-Games, die Playoffs noch nicht waren, gibt es nur ungefähre Zahlen, eine Momentaufnahme und einigermaßen willkürlich gruppiert. Aber das Bild dürfte deutlich werden:

Spielanteil deutscher Spieler Jan 2013 nach Club

Spielanteil deutscher Spieler per 03.01.2013 nach Verein ohne Spieler, die nicht als Home-Grown-Player gelten würden

Die notwendige Klarstellung vorweg: Hagen ist mit Hess bei rund 29 Minuten pro Spiel. Oldenburg ist Smeulders hingegen in den Rohdaten mit drin. Es ist folglich die Tabelle der Minuten der Spieler mit deutschem Pass, die auch als Home-Grown-Player gelten würden.

Überraschende Spitzengruppe? Der Vizemeister Ulm mit Günter, Betz, Theis und Schwethelm war hier zu erwarten. Bayreuth mit den ungleich weniger bekannten Schmidt, Schmitz, Simon, Spöler und Zeis ist vielleicht nicht ganz so im Fokus. Und bei Braunschweig sind es die bereits über 400 Minuten von Schröder, die die Phantoms in die Spitzengruppe katapultieren. Noch – schließlich ist Gavel noch nicht eingebürgert – liegt Berlin auch vor Bamberg. Das ist übrigens etwas, was seit 2010, seit der Verpflichtung von Heiko und Yassin der Fall ist:

Deutsche Minuten Berlin vs. Bamberg 2009-2013

Deutsche Minuten Berlin vs. Bamberg 2009-2013, Stand 03.01.2013

Deutsche Franchiseplayer, ja vielleicht ist es das, was mit der 6+6-Regel neu hinzugekommen ist. Natürlich hatten wir es auch früher, nur eben nicht in der Breite der Liga. Jetzt hat jeder Club seine spielenden deutschen Spieler und ihre Transfers werden leidenschaftlich diskutiert.

Was aber noch immer bleibt, dass sind Unterschiede zwischen den einzelnen Teams. Doch sie sind geringer geworden. Beispielweise war der FC Bayern mit 47,61 % der Spielzeit vergangene Saison einsame Spitze. An zweiter Stelle standen in der vergangenen Saison – auch dies überrascht wohl kaum jemanden – mit 40,3 % Henrik Rödls Trierer, die als Talentschuppen der Liga antraten. Bei beiden sind die Werte gefallen. In München dürfte es – man beachte die Leihgeschäfte und Neuverpflichtungen – auch eine politische Entscheidung weg von Bauermanns Team Germany gewesen sein. In Trier wird man es empirisch am Verlust von Zirbes gen Bamberg festmachen können, den Andy Seiferth nicht so ohne weiteres kompensiert. Dem Mannschaftserfolg hingegen scheint dies jedoch überhaupt nicht zu schaden. Einen Zusammenhang von Minuten deutscher Spieler und Tabellenplatz kann ich nicht erkennen. Die große Befürchtung, dass die Schere aufgeht, sehe ich nicht.

Und auch am unteren Ende des Rankings sieht man ein Aufholen. Gab es letzte Saison nach fast eine Handvoll Teams, die irgendwo zwischen 10 und 16 % dümpelten, schaffen nur zwei Teams 21 % – also 7/10 des Zielwertes – nicht und auch diese Zahl trügt. Lediglich bei Tübingen ist die Rotation schlicht kurz und außer Lischka sieht kein Deutscher mehr als 10mpg. Bei Hagen konnten wir den Ärger von Oliver Herkelmann in der Offseason laut vernehmen, dass er keine deutschen Spieler bekäme. Dann verpflichtete er den nach seiner Heirat eingebürgerten Adam Hess. Mit Adam Hess findet sich Hagen – wie oben ausgeführt – bei etwas über 29 % Spielzeit für Deutsche.

Egal ob mit oder ohne Hess. Wenn die Info stimmt, die ich jüngst bekam, sind die 30 % am letzten Wochenende geknackt worden. Und das obwohl Oldenburg nur 23 % im Spitzenspiel gegen Ulm (32 %) hinlegte. Denn Gießen legte 33,5 % gegen Hagen (18 % mit Hess) hin, Bamberg rund 33 % und die Bayern 39 %.

Was ist nun das Fazit? Pünktlich zum Allstar-Day, der jährlichen „Wir feiern uns selbst“-Veranstaltung hat die Liga nicht nur ärgerliche Presse wegen der Gießener Situation. Die Liga kann auch feststellen, dass bereits im ersten Jahr der 6+6-Quote ein selbst gesetztes, von vielen damals als ehrgeizig erachtetes Ziel erreicht ist. Natürlich bleiben Herausforderungen in der Ausbildung des Nachwuchses, natürlich werden wir Schwankungen in der Spielzeit sehen. Natürlich gibt es ganz deutlich einen Verteilungskampf um gute Rotationsspieler mit deutschem Pass. Aber die Befürchtungen der Gegner der Quote, die Liga würde insgesamt in der Qualität abfallen, nur die Spitzenteams könnten sich deutsche Minuten auf hohem Niveau leisten, die ist wohl nicht wahr geworden. Vielleicht aber haben manche kleineren Teams auch einfach sehr klug Rollenspieler eingekauft, statt auf die teils arg hochgejubelten deutschen Talente zu setzen.

Gerade die junge Generation der deutschen Spieler ist beliebtes Futter für die Medien: Schaut man auf die BiG-Cover und die Stories in der Fünf oder der BBL-Homepage, dann ist dies vielleicht der sichtbarste Effekt der Quote: Die nächste Generation am College oder im U19-Team wird aufs Schärfste beobachtet. Die deutschen Spieler, die mehr als die – übrigens nur minimal von 13 mpg (2009/10) gestiegenen  – durchschnittlichen 14,5mpg  auflegen, werden zu Gesichern ihres Teams gepusht. Der Benzinger in München, der Per in Ulm, Schröder in Braunschweig, Lucca in Lubu… man braucht sich nur Bild und Claim der BBL-Homepage zum 17. Spieltag anschauen.

Vorbericht der BBL zum 17. Spieltag

Vorbericht der BBL zum 17. Spieltag

Gerde jetzt zum Allstarday, wo der Medienapparat auf Hochtouren läuft, sieht es auf der Webseite der BBL nicht anders aus. Dass Heiko morgen gegen Lucca die Trikotnummer im Training ausspielt und wir schon jetzt mit Trashtalk-Videos gefüttert werden, ist ein gutes Zeichen. Die Liga hat (wieder) deutsche Gesichter. Nicht nur, aber auch.

Ich war ja kein Fan das National gegen International, die Oldschoolballerin schon. Rückblickend hat sie Recht behalten:

„Nach den hausgemachten “finsteren Jahren”, als die Liga nur noch von zugekauftem Talent dominiert wurde, reift gerade jetzt das zarte Pflänzlein “guter einheimischer Spieler” wieder heran – auch dank der Quote. Das möchte ich gern (und ich bin mir sicher, Otto Normalzuschauer ebenso) auch im Showevent präsentiert sehen. Wir haben wieder die guten jungen Leute und so bekämen sie eine größere Bühne.“

Die Bühne haben sie. Jung sind sie auch. Aber Spielzeit bekommen sie seit dieser Saison spürbar. Das ist ein echter Erfolg.

OSB forderte zudem „echte Rivalität“ statt dem Nord vs. Süd-Quatsch als Relikt der alten Zweigleisigkeit der Liga. Doch das Team National hat bislang im Allstargame immer verloren. Wird es morgen anders? Können unsere „Nationals“ auch qualitativ im Show-Game bestehen, verdienen sie die Aufmerksamkeit nur mit ihrem Pass und ihrer Vermarktbarkeit oder auch durch sportliche Leistung?

10 Gedanken zu „National vs. International – Eine Zwischenbilanz zur Spielzeit

  1. Sehr guter Artikel! Schöne statistische Aufbereitung.

    „Die deutschen Spieler, die mehr als die – übrigens nur minimal von 13 mpg (2009/10) gestiegenen – durchschnittlichen 14,5mpg auflegen, werden zu Gesichern ihres Teams gepusht.“

    Bei dem Satz bin ich kurz gestolpert (wahrscheinlich einfach zu doof).
    Soll das nun heißen, dass der Wert [„deutsche“ Minuten in der BBL insgesamt/Anzahl eingesetzte deutsche Spieler in der BBL insgesamt] um 1,5 gestiegen ist?
    Sprich, dass die Gesamtzeit der Deutschen gestiegen ist aber die durchschnittliche Spielzeit nicht bzw. kaum, da auch mehr Deutsche eingesetzt wurden?
    Sehe ich doch richtig, oder?

    Bitte einen weiteren Artikel am Ende der Hauptrunde und dann noch einen nur auf die Playoffs bezogen! ;) Wäre sicherlich ein sehr interessanter Vergleich!

    Grüße

    • Genau. Die Minuten pro Spieler sind kaum gestiegen. In der Konsequenz heißt dies, das schlicht mehr Spieler Einsatzzeit bekommen. Um das genauer zu untersuchen, könnte man bei Gelegenheit mal die Zahl der Spieler in bestimmten Minutenbrackets zählen. Hat jemand Zeit und Lust?

  2. Mal wieder ein klasse Artikel und schön dass du dich „für uns“ an das SD treffen mit Pommer erinnert hast. War das nicht sogar das erste damals?
    Zum Inhalt, auch wenn es dazu wohl keine Statistik gibt, spätestens weil diese nur bedingt aussagekräftig wäre, wäre es als zweiten Schritt jetzt mal spannend zu sehen, inwieweit sich der Anteil an Punkten, Rebounds,Assists usw. seit 2009 entwickelt hat. Sind die Deutschen die Spielen vornehmlich Rollenspieler, oder können diese Werte auch mit dem gestiegenen Anteil an der Spielzeit Schritt halten?

  3. Ich bleibe Gegner der Quote. Zumindest dieser Quote. Trotzdem muss man anerkennen dass die Pommersche Prognose eingetroffen ist und dafür muss man Resepkt zollen. Ich hatte eher erwartet, dass die Zahl der Import-Minuten entsprechend raufgehen wird und die Rotation kürzer. Gefühlt es dem aber nicht so. Die ultimativ kurzen Roationen ala Oldenburg 2009 gibt es so nicht.
    Schöne Zusammenfassung. Danke.

  4. sehr schöner Artikel!

    Eine richtige Aussage über Stand der deutschen Spieler finde ich lassen aber nur die Playoffs zu. Die Betrachtung wird dann wohl richtig die Qualität der Spieler zeigen.
    Das sind dann die Spiele in denen es zählt und wo in der Regel keine Garbage Time mehr zu verteilen ist.

    Aber grundsätzlich ist die Entwicklung positiv und der Pommer macht einen echt guten Job. Wenn man da noch an die Zeiten des König Otto denkt :-)

  5. Wenn die deutschen Spieler bei einer Quote von 6 plus 6 nur ca. 30 % der verfügbaren Spielzeit haben, heißt das aber auch, das die HÄLFTE der deutschen Spieler, d.h. 3 von 6 eigentlich nicht spielen/gebraucht werden! Der Rest 6 internationale und 3 deutsche Spieler teilen sich ‚rein rechnerisch‘ die ganz Spielzeit, was dem realen Verhältnis 66 Prozent für internationale und 33 Prozent für deutsche Spieler in etwa entspricht.

  6. Sehr interessanter Bericht, Herr Gruebler!
    Ich fand die Quote damals zwar gut, aber 6/6 hielt ich für zu schnell eingeführt. Zum Glück habe ich mich geirrt.
    Ich freue mich über Trier Bayreuth, dass sie letzlich aus der Not, sich keine Top Nationalspieler leisten zu können, eine Tugend gemacht haben.
    Kurz zu Oldbg. Das es gegen Ulm nur 23 Deutschanteil war lag zum einen an Foultouble von Wysocki und zum Anderen an der derzeitigen schlechten Form von de Mello. Erfreulich auch hier, dass ein Spieler wie Freese 1. ordentliche Spielzeit bekommt und 2. in einem Spiel (vs. Hagen) bei dem 2 ausl. Starter ausfallen, das bei weitem beste Spiel im oldenburger Trikot macht und MvP des Spiels wird.
    Unter Krunic undenkbar.

  7. Klasse Artikel!

    Der Artikel spiegelt exakt das wieder, was mir diese und letzte Saison aufgefalllen ist. Fein, dass man sich für die 6/6 Quote entschieden hat und alle Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben. Auch der Abschnitt der auf die jungen Talente in den Medien eingeht entspricht absolut meinem Empfinden der aktuellen Lage. Hoffentlich bleibt das so :-)

    Wichtig finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass man nicht immer nur auf 1-Jahresverträge setzte. Es ist so enorm wichtig für die einzelnen Vereine keine Söldnertruppen auf’s Parkett zu schicken, um eine Identifikation schaffen zu können.

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