Mittwoch früher Nachmittag im Rhein-Main-Gebiet. Schwüle, schweißtreibende Hitze bei über 30°C im Schatten und die drückend hohe Luftfeuchtigkeit läßt nur ahnen, was da heute Abend in der Ballsporthalle für ein heißes Match auf uns zu kommt. Spiel 2 der 2010er Playoffserie steht an.
Ein Heimspiel für Frankfurt, den erklärten Underdog der Best-of-Five-Serie, der allerdings überraschend 1:0 nach Siegen in Front liegt. Den Bamberger Machern steht also nicht nur aufgrund der fast unerträglichen Hitze der Schweiß auf der Stirn, sondern sicherlich auch wegen des unerwarteten Ausgangs des Auftaktspiels letzten Sonntag in der heimischen Jako-Arena. Eine Niederlage heute in der Ballsporthalle können sie sich eigentlich nicht leisten, die Bamberger.
Doch zunächst zurück zu Spiel1: Vor dem Spiel war Bamberg von allen erklärter und haushoher Favorit. Es hätte schon eine Warnung sein müßen, dass sich Medien, Management und Fans zwar tagelang und mit allem freakigen Herzblut mit der Kollission zwischen einer Hochzeit und Spiel 3 beschäftigten, nicht jedoch mit dem ersten Spiel der Finalserie. Die, die sich noch mit dem sportlichen Teil beschäftigten, sahen höchstens noch die Deutlichkeit des Bamberger Durchmarschs als diskussionswürdig an. Sweep oder nicht Sweep, das war hier die Frage angesichts der fränkischen Dominanz in den ersten beiden Playoffrunden. Auch alle Experten sahen Bamberg vorne. Buschi lieferte auf der BBL-Homepage die „6 Gründe warum Bamberg Meister wird“ und auch Presse und Fans errechneten die Bamberger Meisterschaft aus dem bisherigen Verlauf der BBL-Playoffs.
Das Phrasenschwein grunzt vor Glück, den erstens kommt es anders und zweitens sind 5 Euro fällig, Hochmut kommt vor dem Sprungball, 1 + 1 ist nicht immer 2 und irgendwas hat auch immer seine eigenen Gesetze. Gerade in solchen Serien sind die Matchups (im Großen per Team und im Kleinen per Spieler) unglaublich wichtig. Es spielt schließlich keine Mannschaft und kein Spieler alleine, sondern das ganze ist eine Interaktion mit verschiedensten Teilchen. Atomkerne kann ich hier jetzt nicht spalten, aber so ein bißchen fraktioniertes Destillieren muß schon sein, denn nach dem Spiel (1) ist vor dem Spiel (2). Grunz.
Bremerhavens Doug Spradley griff im Vorfeld zu Spiel 4 und 5 ganz tief unten rein in den Grabbeltisch der Taktiken und zerrte eine – von mir despektierlich „Altherrenzone“ genannte – weit vorgezogene 2-1-2 (respektive 3-2)- Zone ans Tageslicht, wie sie in der Bundesliga nur selten ausgepackt wird. Diese aus der Not der Erschöpfung geborene Verteidigungsvariante erschreckte vor allem die Frankfurter US-Amerikaner Reese, Robertson und Jenkins bis ins Mark, die teilweise großäugig wie kleine Kinder an Halloween wurden. Wahrscheinlich kannten sie so etwas nur aus Erzählungen am Lagerfeuer. Die Skyliners sahen gegen diese Zone unglaublich schlecht aus und quälten sich mühsam durch die Spiele. Tolle, sinnvolle Taktik von Spradley, aber eigentlich auch ganz klar, dass Frankfurt gegen „normale“ Mannverteidigung nicht noch einmal so pomadig spielen und so schlecht aussehen würde. Frankfurt hatte in der Serie gegen die Eisbären ja nicht plötzlich alles verloren, was sie gegen Berlin ausgezeichnet hat – Nein, Bremerhaven hat sie dazu gezwungen so zu spielen. Und genau das hat Bamberg zum Beispiel nicht getan in Spiel 1.
Brose überrollte Frankfurt im ersten Viertel mit grandiosem, schnellem Offensivbasketball, überraschte aber in der Verteidigung kaum. Deutlich sichtbar schmeckte die konventionelle Defense den Skyliners viel besser als der Küstenblockadeball der vergangenen 5 Playoffspiele, obwohl sie eigentlich ständig einem Rückstand um die 10 Punkte hinterherliefen. Wer es aber gegen Berlin noch nicht gemerkt hat, dem muß es spätestens Sonntag in der Jako-Arena klar geworden sein. Weder verfügt das Frankfurter Team über herausragende Einzelkönner noch spielen sie als Mannschaft über die Maßen fantastisch und besiegen so die Gegner. Es klingt vielleicht seltsam, aber quasi DIE Tugend der Skyliners ist einfach ihre Anpassungsfähigkeit an die Umstände. Sie bleiben immer dran, geraten fast nie in zu hohen Rückstand, lesen die Verteidigung sehr gut und haben dann am Schluß eine Antwort – und die ist fast immer eine andere. Gegen Berlin war es Reese der ein ums andere Mal einen wilden Schuß versenkte, in Spiel 1 am Sonntag plötzlich Pascal Roller, der sein A-Game wiederfand. In Spiel 4 gegen Berlin war Derrick Allen fast nicht zu stoppen, in Bamberg trumpfte Labovic groß auf. Dazu bringen die Frankfurter in den entscheidenden Spielphasen eine Defense aufs Feld, die sich richtig sehen lassen kann. Bamberg spielte nur noch 7-10m weit vom Korb weg in den Schlußminuten vom ersten Finalspiel, der Ball kam noch nicht mal ansatzweise unter den Korb und der Schuß, mit Roberts einen Spieler mit schnellem Antritt und Zug zum Korb bringen zu wollen, ging mächtig nach hinten los. Mit 4 vergebenen Würfen, 2 versemmelten Freiwürfen, einem Turnover und 2 Fouls machte er eine mehr als unglückliche Figur, während Gavel draußen schmorrte. Aber es an Roberts festzumachen wäre zu einfach. Meiner Meinung nach war es die extrem aggressive Verteidigung von Frankfurt auf die Bamberg keine Antwort hatte außer eben Einzelaktionen. Auch die Frankendefense war löchrig, ich tippe heute gibt es zumindest zeitweise so etwas wie Bamberger Anleihen bei Bremerhaven im hohen Norden.
Es wird wirklich spannend, wie Bamberg das Spiel heute gestalten wird. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand – einen 0:2 Rückstand aufholen zu wollen, ist nahezu aussichtlos. Trotz bleierner Hitze über Downtown Frankfurt und völliger Windstille bläst dem fränkischen Meisterschaftsfavoriten der Wind heute bereits heftigst ins Gesicht. Bei einer Niederlage ist der Bart in Bamberg eigentlich ab. Tonos Aberglauben hin oder her.
Eigentlich war Brose gewarnt oder hätte es sein müßen. Erst am 11.4.2010 spielte man in Frankfurt im Pokalfinale ein Spiel, dass in der Schlußphase fast ein Abbild des sonntäglichen Finalauftakts war. 73 Sekunden vor Schluß führte Brose mit 11 Punkten, wenig später waren es nur noch 2, am Ende wurde man Pokalsieger mit 1 Pünktchen Vorsprung, obwohl man das ganze Spiel lang gefühlt dominiert hatte. Wie man dieses Spiel vergessen konnte? Keine Ahnung! Ich hab es mir gestern in ganzer Länge angeschaut, hätten Flemings Jungs vielleicht auch tun sollen, statt Aufgebote zu lesen.
Die Skyliners Frankfurt wirken sozusagen harmlos besiegbar, trügerisch freundlich, sind es aber keineswegs. Sie sind latent gefährlich, weil anpassungsfähig wie ein Chamäleon und im entscheidenden Moment schnell wie eine Klapperschlange und wer das immer noch nicht verstanden hat, wird beim nächsten Mal schon wieder überrascht sein.
Prophetische Kräfte hat die oldschoolballer… Bamberg packt die Zone aus. Nach jeder Auszeit ein einziges Mal. Das scheint zu genügen. Luka, bitte merken.
Gib ihm halt meine Nummer ;-)
Hurra, ein Traum! OSB in Berlin, als Assistenztrainerin von Luka… Dir ist schon klar, dass das 24h Basketballtheorie am Tag bedeutet, nix mit Freiplatz oder so. Und immer an die Systeme denken!
und du meinst das packt er nicht??
Mit der Uhrzeit haben Sie in Frankfurt wohl auch so ihre Probleme!
…und das schon seit Uhrzeiten, sag ich dir, Chine! :-)
Pingback: neulich auf twitter und facebook «
Pingback: Finalyse #2 « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans