Nach Europa: Alles Mist außer Göttingen?

Die Runden der letzten 16 in Europa neigen sich dem Ende zu. Die Ergebnisse der deutschen Clubs stehen fest. Göttingen hat sich für das Viertelfinale des Eurocup, des zweithöchsten europäischen Wettbewerbs, qualifiziert. Das ist ein beeindruckender Erfolg. Seit 2003 ist dies genau zwei deutschen Mannschaften gelungen: ALBA Berlin in der vergangenen Saison und nunmehr den Euroveilchen. Man könnte fast rufen: Hurra! Die Beko Basketball-Bundesliga ist wettbewerbsfähig, sie hat ihren Anspruch eine europäische Topliga zu werden bestätigt. Oder etwa doch nicht? Unter dem Titel „Vor Europa“ knüpfte ich für mich die Messlatte für das Standing der BBL im europäischen Basketball an die sportlichen Resultate. Das (Zwischen-)Ergebnis kann man unterschiedlich interpretieren.

Das erste Argument gegen die Einordnung der Euro-Saison als Erfolg ist, dass alle drei deutschen Teams in den Qualifikationen zu europäischen Wettbewerben scheiterten. ALBA verpasste den Einzug in die Euroleague, Frankfurt in den Eurocup, die Artland Dragons in die EuroChallenge. Letztlich konnten  nur sechs Teams überhaupt an der Vorrunde teilnehmen. Statt zwei Euroleague-Teams, drei Eurocup-Teams und zwei Challenge-Teilnehmern, war es nur 1 x EL, 3 x EC und zweimal Challenge. Die von Göttingen und ALBA in der vergangenen Saison erspielten besseren und zusätzlichen Plätze verpufften.

Fakt ist, dass nur zwei von sieben BBL Teams, die diese Saison in den drei europäischen Wettbewerben angetreten sind, es überhaupt in die Runde der letzten 16 geschafft haben. Die Brose Baskets haben in der Euroleague mit einigen überraschenden Siegen und knappen Niederlagen für Aufsehen gesorgt, eine 4/6 Bilanz ist für ein deutsches Team historisch betrachtet „im Soll“. Sie ließen aber in den entscheidenden Spielen – vor allem früh in der Saison in Rom – letztlich den Biss und das letzte bißchen Qualität vermissen, um als drittes deutsches Team (1x Brose, 1x ALBA) ins Top 16 einzuziehen. Wenn hier kritisiert wird, dann weil die Brose Baskets 2010/11 eines der besten Teams der BBL seit langer Zeit sind. Weil es eine Chance gewesen wäre, ein Ausrufezeichen zu setzen.

Nach Strich und Faden blamierten sich die EWE Baskets im Eurocup. Eine Bilanz von 1:5 in der Vorrunde ist ein Armutszeugnis für einen Club, der ohne weiteres wirtschaftlich mit ALBA und Brose, der Spitzengruppe der Liga, mithalten kann.

Kaum anders sah es bei den Telekom Baskets Bonn aus. 2:4 in der Vorrunde der „drittklassigen“ EuroChallenge. Gegen Prostejov und Novo Mesto sahen sie keinen Stich.

Traurig auch die Leistung der Skyliners. Der Vizemeister scheiterte erst gegen Besiktas (noch ohne Iverson) klar in der Qualifikation zum Eurocup (Besiktas ist im Eurocup dann mit 2:4 rausgeflogen, Göttingen war ihr Sargnagel) und schaffte es dann mit Ach und Krach auf eine 3:3 Bilanz in der Vorrunde der EuroChallenge, die zum Weiterkommen nicht reichte.

ALBA Berlin zitterte sich in die letzte Runde der Euroleague-Qualifikation und musste sich dort Charleroi geschlagen geben (2:4 Bilanz). Naja, immerhin nicht ganz ohne Kampf. Im Eurocup starteten die Berliner mit einer dominanten Vorrunde: 6:0 Siege, nur zwei Teams (das andere war Benetton) legten eine solche Leistung hin. Dann aber kam das Top16 und hier ist die Bilanz mit momentan 1:4 – ich erwarte auch ein 1:5 – äußerst bescheiden. 7:5 am Ende? Das wäre bitter. Klar kann man das irgendwie mit dem Trainerwechsel erklären, aber ALBA hat – auch nach der Rhetorik von Marco Baldi – Europa längst aufgegeben, bevor das Aus besiegelt war. Das ist beschämend.

Warum reite ich auf den Sieg/Niederlagen-Quoten rum? Weil diese in EuroCup und Euroleague für das Länderranking wichtig sind. Weil sich hieraus mittelfristig die Zuordnung von Startplätzen ergeben kann. Weil sich erst mit dem Vergleich im Wettbewerb außerhalb der Käseglocke der nationalen Liga die hohen Ansprüche der Liga messen lassen können. In den beiden höchsten Wettbewerben ist die Zahl der Siege insgesamt leicht von 19 auf 20 angestiegen und kann vor allem dank Göttingen noch etwas wachsen. Das ist gut. Der User websim hat auf schoenen-dunk die bisherige Bilanz zusammengefasst:

  • Euroleague: 4:6 im Vergleich zu 1:9 im Vorjahr.
  • Eurocup: 16:12 im Vergleich zu 18:16 im Vorjahr.
  • EuroChallenge: 5:7 im Vergleich zu 21:7 im Vorjahr.

Letzlich bleibt es doch immer wieder die Leistung einzelner Teams, die europäische Saison für die Liga retten. Letztes Jahr Berlin und Göttingen, diese Saison vor allem Göttingen. Göttingen hat eine Bilanz von 8:3 Siegen und kann dies noch ausbauen. Göttingen hat sich seinen Eurocup- Startplatz als EuroChallenge-Sieger erspielt. Göttingen verbessert seine europäische Leistung kontinuierlich. Vielleicht ist der Preis dafür, dass sie in der Liga straucheln. Wäre dies anders, wenn auch die übrigen Teilnehmer mit mehr Feuer an Europa herangehen würden, länger in der Doppelbelastung stünden? Es ist spekulativ. Jedenfalls wird es erneut die Leistung eines einzelnen Teams sein, die das Gesicht der BBL in Europa wahrt. Eines kleinen, im Ligavergleich „armen“ Teams, das nicht ohne wirtschaftliche Sorgen ist. Man braucht – das zeigt auch Osteuropa erneut – nicht Unsummen, um in Europa – jenseits der Euroleague – wettbewerbsfähig zu sein. Man sollte aber Europa als Kampf annehmen.

Wenn die Beko BBL bis 2020 die Nr. 1 in Europa werden will, muss sie sich am Abschneiden ihrer Europapokalteilnehmer messen lassen. Diese Saison ist hier bei allem Jubel über Einzelleistungen unter Berücksichtigung der EuroChallenge ein Rückschritt oder bestenfalls – dank Göttingen –  Stagnation. Näher gekommen ist die BBL ihrem Anspruch beste Liga in Europa zu werden wohl kaum. Wir haben ein paar Leuchttürme und sollten aufpassen, dass wir uns von deren Licht nicht blenden lassen.

Dieser Text ist die überarbeitete Fassung eines Beitrags auf schoenen-dunk. Gruebler verabschiedet sich hiermit bis Mitte März in den Urlaub. Oldschoolballer hält zusammen mit einigen Gastschreibern hier den Druck oben.

7 Gedanken zu „Nach Europa: Alles Mist außer Göttingen?

  1. Das „Alleinstellungsmerkmal“ Göttingens ist allerdings, dass aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel der Trainer der Meinung ist, nur die Aussicht auf Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb ermögliche ihm die Verpflichtung von Spielern, die sonst nie nach Göttingen kämen.
    Das da etwas dran sein könnte legt das Beispiel Rochestie nahe. Oder Mike Scott, der zuvor unbeachtet in der Türkei und in Ungarn herumwuselte und jetzt einen Blog bei http://www.eurocupbasket.com hat.
    Eine solche Konstellation gibt es z.B. bei Frankfurt, Bonn oder Oldenburg nicht, die definieren ihren Erfolg in der Hauptsache als Erfolg in der Liga. Dass auch die „JP-Philosophie“ nicht einfach aufgehen muss, zeigt das Doppelgesicht der Veilchen in dieser Spielzeit: Europa hui – Liga oft pfui.
    @Gruebler: erholsamen Urlaub, bist zum (möglichen) VF am 30. in der Lokhalle herzlich eingeladen!

  2. Man muss die schwachen Leistungen von Bonn, ALBA und Oldenburg aber auch im Kontext der Teams sehen. Alle diese drei spielen unter dem Niveau, mit dem sie sich im letzten Jahr diese Qualifikationen erarbeitet haben. Da ist es dann mMn kein strukturelles BBL-Problem, sondern ein individuelles dieser drei Mannschaften.

    Göttingen spielt mit zwei Gesichtern und auch Bamberg und Frankfurt hatten irgendwie zwei Gesichter, aber die drei oben genannten spielten ihre letzten Spiele in Europa in etwa so, wie in der Liga.

  3. Noch ein Grund mehr auf deutsche Spieler zu setzen.
    Warum reißen deutsche Teams nichts in Europa? Der Grund liegt an der Spielweise in D. „Up and down“ Basketball wird nur selten in den erfolgreichen europäischen Ligen gespielt. Dies ist aber leider die Spielweise in D. Bedingt durch zu viele athletische US Spieler ist es schwer für deutsche Spieler sich zu entwickeln. Ein junger Spieler kann und sollte auch nicht nur wegen seiner Athletik Spielzeit bekommen. Er muss spielen, um sein Talent in Qualität zu transferieren. Wenn er aber nur Spielzeit bekommt aufgrund guter Athletik und damit vielleicht in der Defensive jemanden stoppen kann, dann fördern wir nicht die guten Basketballer.
    Man sieht es des öfteren in der BBL, dass z. B. die Spieler aus Ex-Jugoslawien sehr gut in Europa zurecht kommen, aber in der BBL schlechtere Leistungen bringen. Auch hier liegt es an der zu schnellen (hektischen) Spielweise in der BBL.
    Also, da wir auf die bestehende Art und Weise in Europa nicht konkurrenzfähig sind, sollte man sich über einen weitreichenderen Strukturwandel Gedanken machen, als er bisher gefördert wird. Mehr deutsche Talente müssen spielen und die Zeit bekommen ihre athletischen Defizite (gegenüber den schneller akzellerierten Spielern aus USA oder Südeuropa) mit den Jahren auszugleichen. Denn wenn sie spielen und die Möglichkeit bekommen haben sich auch athletisch zu entwickeln, können wir sehr gute deutsche Spieler produzieren, hätten eine andere Spielweise in der BBL und wären dann auch in Europa konkurrenzfähig.

    • das stimmt das sind schon tolle themen aber im moment zu sehr alba bzw. europalastig

      das ist der einzige kritikpunkt den ich habe;-)

  4. Pingback: Eine Euroleague-Wildcard für ALBA Berlin? | gruebelei.de

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