Das erste Mal ersthaft über diese Frage nachdenken musste ich, als ich auf Interbasket eine Evaluation der BBL vornahm. Den „Erfolg“ der BBL auf europäischen Parkett bewertete ich nach langem Hin und Her mit einem von zehn Punkten. Ich schrieb sinngemäß: „Ein Korac-Cup Gewinn (ALBA), eine Teilnahme in den EL-Top 16 (Bamberg), ein Ulebcup Achtelfinale (Quakenbrück) und sehr wenige weitere Ausflüge in die Finalrunden. Meist verloren deutsche Clubs international und zeigten schwache oder gar desaströse Leistungen in der Gruppenphase.“
Ich denke nicht, dass es reicht, hier über den Anspruch einzelner deutscher Vertreter in den europäischen Wettbewerben dieser Saison zu diskutieren. Schaut man ein paar Jahre zurück, dann wird eben auch deutlich, dass deutsche Clubs fast traditionell erfolglos sind. Dies ist um so erstaunlicher, als das die deutschen Teams im internationalen Vergleich gar nicht mal so arm oder so unprofessionell sind. Im Gegenteil, gerade wenn man unsere deutschen Euro-Clubs betrachtet, reden wir von einem durchschnittlichen Club-Budget von etwa 4,5 Mio. €. Einer durchschnittlichen Zuschauerzahl in der Liga von über 5000.
Wie schaut es diese Saison aus? ALBA Berlin kam überraschend ins Top16 der Euroleague. Die Artland Dragons wiederholten ihren Ausflug in die Tiefen des EuroCups. Und mit Bonn und Oldenburg überlebten gleich zwei deutsche Clubs die erste Runde der Eurochallenge.
Das zeigt aber auch: So richtig schlecht ist das Abschneiden der BBL dann auch nicht. Europäisch gewinnen nur ganz wenige Teams wirklich am laufenden Band. Spaniens ACB-Clubs und die Griechen sind einfach kein passender Maßstab. Und auch hier ist ja das eine oder andere Team gestrauchelt.
Doch der historische Vergleich der BBL-Teams aus dieser Saison mit den Vorsaisons ist schwierig, da sich die europäischen Wettbewerbe – mal wieder – geändert haben. In der Zeit vor der Aufhebung der Ausländerbegrenzung nahm immer mal wieder ein deutsches Team am drittklassigen europäischen Wettbewerb teil. Danach war es nur noch einmal Rheinenergie Köln, die auch weit kamen, obwohl sie immer wieder einen oder zwei Amerikaner auf der Tribüne lassen mussten. In diesen Jahren gab es regelmäßig nur drei Teams, die europäisch spielten. Einmal Euroleague und zweimal Ulebcup. Der alte FibaEuropeCup war für deutsche Teams voller Amerikaner einfach nicht spielbar, da nur zwei US Spieler eingesetzt werden konnten. Die BBL hatte sich mit ihrer Ausländerregelung selbst aus den FIBA-Wettbewerben ausgeschlossen. Europa war für die meisten Teams einfach keine Option. In diesen Jahren gab es ein UlebCup-Achtelfinale von ALBA unter Rödl und ein EL-Top16 von Bamberg. Der Rest flog raus. Deutsche Topteams hatten eigentlich europäisch keine Chance auf ein Weiterkommen. Die Liga selbst wurde ja auch gehörig durcheinandergewirbelt, Konstanz und über Zeit gebaute starke Teams gab es kaum. Bamberg war vielleicht die rühmliche Ausnahme, die dann auch im Top16 der Euroleague gipfelte.
Eine Änderung trat dann erst letzte Saison durch den auf 48 Teams erweiterten UlebCup ein. Plötzlich spielten wieder mehr Teams europäisch: Bamberg ging in der Euroleague unter, ALBA schied knapp im UlebCup aus, Frankfurt und Ludwigsburg gingen sang- und klanglos, ja geradezu blamabel unter. Köln schaffte es eine Runde (last 32) weiter und nur die Dragons lieferten mit dem Einzug ins Achtelfinale eine sehr überzeugende Vorstellung.
Den meisten Trainern und Mannschaften der BBL fehlt schlicht langjährige europäische Erfahrung. Und – so kurzlebig wie der Sport ist – sowohl bei den Fans als auch im Management existiert kein gewachsenes Selbstverständnis dahingehend, dass der europäische Wettbewerb fester Bestandteil der Saison und des sportlichen Programms ist. Vielleicht ist es auch ein typisch deutsches Phänomen, denn selbst im Fußball finden Spiele in den „unteren“ europäischen Wettbewerben oftmals vor leeren Rängen statt. Eimerchen und Schäufelchen sind nett, aber es scheint den meisten Teams nicht darum zu gehen, ernsthaft europäisch Sandburgen zu bauen. Und das Bemühen, den Fans die Wettbewerbe schmackhaft zu machen, fehlt wohl auch. Leider kennt eben Otto Normalfan FMP, Hemofarm, Union Olimpija, Cajasol, Khimki oder Benetton Treviso nicht, auch nicht aus dem Fußball. Zudem sind die Zeiten, in denen viele deutsche Basketballspieler im Ausland spielten vorbei. Mir fallen nur drei Teams ein, die mindestens einen Deutschen im Kader haben: Joventud, Larissa und Sensley bei Dexia.
Bei ALBA ist nun durch die Euroleague zumindest das Zuschauerinteresse geweckt. Vielleicht ist der Anspruch der Fans oder zumindest deren Erwartungshaltung sogar größer als die des Clubs oder seines realistischen Potentials. Mehr als 50% haben auf morgenpost.de gevoted, dass das Top16 drin ist.
Schaut man sie die Vorrundengruppen aller deutscher Clubs – unabhängig vom Wettbewerb – an, dann ist es m.E. nicht vermessen zu fordern, dass wenigstens drei, besser vier von sechs Teams weiterkommen müssten. Mindestens zwei in der Challenge und eines von drei in EuroCup ind Euroleague. Zur Erinnerung: Letzte Saison waren es schon zwei von sechs. Es sind immer do-or-die games, Auswärtssiege sind die seltene Ausnahme für Durchschnittsteams und mehr sind deutsche Teams sicherlich nie in europäischen Wettbewerben. Aber, do-or-die klappt nur mit der richtigen Einstellung, vom ersten bis zum letzten Gruppenspiel.
Es ist für alle Teams eigentlich noch zu früh eine ernsthafte Aussage darüber zu treffen, ob noch eine echte Chance besteht. Und auch bei ALBA fehlen eben noch drei Heimspiele. Positiv hervorzuheben ist erst einmal, dass sich beide EuroChallenge-Qualifikanten dieses Jahr in die Vorrunde gespielt haben. Sehr lobenswert ist, dass die BBL-Clubs nun überhaupt die Chance europäisch zu spielen wahrnehmen und sich auch nicht zu schade dafür sind, sich durch die Qualifikation zu quälen.
Was man aber schon jetzt an den Randdebatten sieht, ist, dass die BBL es ihren Euro-Teams nicht leicht macht. Die Adrialeague-Teams haben keinen so dichten Spielplan wie die mit 18 Clubs sehr große BBL, sie müssen insbesondere nicht in den schwachen nationalen Wettbewerben ran. Die traditionell kleinen Rotationen der deutschen Clubs sind wohl auch Problem, die Ursache hierfür sehe ich aber in der fehlenden europäischen Erfahrung und der anderen Intensität in der Liga.
Und last but not least hat die BBL noch immer ein Problem hinsichtlich der Mannschaftszusammensetzung. Es ist dank der zumindest vorläufigen Aufhebung der US-Beschränkung nun in der Breite kein Ausschlussgrund mehr europäisch zu spielen, doch noch immer ein struktureller Makel. Will man in der Liga erfolgreich sein, muss man den amerikanischen Stil aufgreifen. Will man sich aber europäisch beweisen, braucht man Spieler, die keine Hemmungen haben, sich im oftmals stark südosteuropäisch geprägten Basketball durchzusetzen. Für einige Spieler dürfte das Umschalten zwischen Europa und BBL ein Problem darstellen, hier schlägt dann die Prioritätensetzung des Trainers oder des Managements durch. Mich wundert es nicht, dass deutsche Teams „Überraschungssiege“ gegen die oftmals ähnlich strukturierten italienischen Teams einfahren. Für eine minor US-Liga ist die BBL nämlich echt nicht schlecht und hat sich eine gewisse Robustheit bewahrt. Aber immer dann, wenn wie bei Turow, FMP, Roter Stern echter europäischer Basketball kommt, sieht der BBL-Style leider oftmals kein Land.
Ein Bekenntnis zu europäischen Basketball wie bei Oldenburg, das man auch daran erkennt, dass man sich US Spieler mit Erfahrung holt und diese langfristig ans Team bindet, findet sich in der BBL zu selten. Ich würde wetten wollen, dass die durchschnittliche Vereinstreue europäischer Spieler in der BBL weitaus höher ist, als die der Amerikaner. Das alles bringt Konstanz, formt ein Team. Und gerade die „ärmeren“ Teilnehmer der europäischen Wettbewerbe haben ein solches, und wenn auch nur deswegen, weil ein Großteil ihrer Mannschaft über Jahre gemeinsam aus dem Jugendprogramm gewachsen ist. Ein solches natives Wachstum kennt die BBL nicht (mehr), Konstanz fürs Teambuildung muss teuer erkauft werden.
Ich glaube nicht, dass strukturelle Probleme und Ernsthaftigkeit des Engagements zu trennen sind. Manch ein Club dürfte gerade wegen der strukturellen Unterschiede in der Zwickmühle sitzen: Nehmen wir Europa ernst, müssen wir ggf. Abstriche in der Liga machen. Machen wir dies nicht, bekommen wir Europa gehörig eines auf die Nase.
Aber eines sollte man nicht vergessen: Es ist auch in den letzten fünf Jahren kein Team Meister geworden, das nicht wenigstens im UlebCup gespielt hat oder im dritten Wettbewerb die Vorrunde überlebt hat. Ich bin – bei allem Respekt vor Göttingen – überzeugt, dass das auch dieses Jahr wieder so sein wird. Und ganz vielleicht schafft es nächste Saison ja mal ein Team bis in die Finals zumindest der unterklassigen europäischen Wettbewerbe.
(Der Text ist eine überarbeitete Version eines Beitrags auf schoenen-dunk)
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