Groundhog game

Einmal fremdgegangen kommt man natürlich aus der Nummer nicht mehr so einfach raus – Bloggerprinzipien hin oder her. Und wöchentlich berlibloggt das osb. Es ist Mittwoch Nacht. Es ist sehr sehr spät und obwohl ich es gerade mit eigenen Augen gesehen habe, fällt mir eine Einordnung zu ALBAs Ausscheiden aus den BBL-Playoffs 2010 schwer. Aber dem zum Pauken verdammten gruebler HMV schulde ich meine Sicht des Berliner Scheiterns samt Trompeten. Eine Einordnung der Serie, mindestens mal eine persönliche Meinung zum Spiel 4 sollte ich parat haben. Hmmmm, ich sitze vor dem leeren, weißen Bildschirm und bin ratlos. Je länger ich da sitze, desto mehr fühle ich mich, wie sich ein Berliner Spieler eben gefühlt haben muß. Eigentlich ausgerüstet mit allen notwendigen Werkzeugen, helfende Hände überall, Unterstützung allerorten. Es geht nicht. Kann nicht. Alles da, aber der Output bleibt mangelhaft und der Bildschirm weiß, wie das Albascoreboard in den ersten Spielminuten von Game 4.

Der Anfang war wirklich seltsam. Berlin nicht vorhanden, einfach nicht da, so wie etliche hundert Zuschauer auch. Alba im mentalen Stau auf der A5 oder A66? Keine Ahnung, aber so sah es aus. Es machte wirklich den Eindruck, dass sie ernsthaft überrascht sind von Frankfurts Biß. Murmeltiertag zu Spiel 2. Wie aber kann man mehrfach hintereinander so derartig überrascht von Intensität und Energie des Gegners sein? Es sind schließlich Playoffs! Das worauf alle die ganze Saison lang warten, die allerheißeste Zeit des Jahres – regnerisches Mistwetter hin oder her. Ich verstehe es nicht und hol mir nen Kopfschüttelkrampf im Verlauf von Viertel 1.

Noch nicht einmal die größten Frankfurter Optimisten haben mit so wenig hauptstadtstädischer Gegenwehr gerechnet. Jeder hatte im Hinterkopf: „Da kommt noch was ganz Dickes“ und „das ist schließlich Alba“. Man erwartete den großen Konterhaken, vielleicht das Spiel, das die Serie dreht und ist gespannt ob Frankfurt das matchen kann. Aber nichts davon passiert. Berlin mit dem neuen AirBlei und Frankfurt frisch wie gerade von Fleurop gebracht. Die Skyliners fliegen nur so übers Feld, verteidigen, passen, suchen den besser postierten Kollegen, spielen wie die Zahnrädchen zusammen und sind erfolgreich. Immer einen Tacken wacher, flinker, früher da. Das macht richtig Spaß beim Zusehen. Auch nach den ersten Wechseln kommt bei den Mainballern kein Bruch ins Spiel, DBDM spielt, als hätte er nie was anderes getan und sich nicht seinen Hintern ewig auf dem Ahorn plattgesessen in den letzten Jahren (und damit mein ich nicht sein Studium). Der ein oder andere unkluge Schuß hätte vielleicht nicht sein müßen, aber mit toller Defense und mutigen Dreiern empfiehlt er sich deutlich fürs Nationalteam und sieht plötzlich so aus, wie jemand den man dort richtig gut gebrauchen kann. Auch auf der Gegenseite überzeugt ein deutscher A-Kaderspieler. Philip Zwiener gefällt mir wirklich richtig gut und macht nen klasse Job – vorne wie hinten. Am Ende sehe ich ihn als einen der besten Berliner, der traurigste ist er nach Abpfiff auf jeden Fall. Auch Steffen Hamann macht ein gutes Spiel, probiert vieles, kämpft, sitzt zu viel draußen, kann die Teamkollegen nicht mitreißen, aber gibt alles.

Keine Angst vor großen Namen - den MVP stehengelassen

Zwiener mit ner sehr sauberen Leistung

Die von denen man es erwartet bringen nicht viel. Jenkins sehr schwach, Wright kein Faktor, Dojcin trifft die Dreier nicht, Sekulic indisponiert. iMac abgetaucht. Anders als letzte Woche Donnerstag bin ich aber nicht mehr sauer, denn es ist eher traurig. Alba macht wirklich den Eindruck als ob sie nicht können. Den Schalter einfach nicht umlegen können, der Intensität nichts entgegnen können, den berühmten Kampf nicht annehmen können. Eher hilflos und verzweifelt sieht das aus und als Zuschauer kann man es kaum glauben. Wieso kommt da nichts? Elan und Esprit sind perdu und je länger das Spiel dauert, desto deutlicher werden Frankfurter spielfreudige Überlegenheit und gelähmte gelbblaue Ratlosigkeit.

Ebenso ratlos schauen die Berliner Fans aus der Wäsche – keiner kann sich das so richtig erklären. Ich versuche drüber zu schlafen und komme heute mit folgenden 2 Ansätzen daher, die sogar ein bißchen miteinander vermischt sind.

Erstens – kurz und knapp – Luka Pavicevic ist zu involviert. Er schafft es während des Spiels nicht, einen Schritt zurück zu machen und das Spiel von außen zu betrachten. Der berühmte Wald vor lauter Bäumen. Er steckt viel zu viel drin im aktuellen Sekundengeschehen, als dass er analytische Distanz herstellen könnte. Manchmal sieht er aus, wie ein Spielertrainer, der nicht merkt, dass er sich auch mal auswechseln müßte. In heißem Bemühen, in leidenschaftlicher Betroffenheit kann er nicht coachen, nicht agieren. Sieht geradezu hypnotisiert aus in all der Involviertheit. Wenn ich allerdings sage, Schritt zurückmachen, heißt das nicht, weggehen. Die Aussage redet nicht den simplen Luka-Hatern das Wort, sondern ist bitte differenzierter zu sehen. Danke.

Zweitens: die starren Strukturen lähmen die Mannschaft. Nein, nicht der Systembasketball ist gemeint, den Streit überlasse ich den Albaexperten auf SD, dazu hab ich zu wenig von Berlin live gesehen, sondern ich meine die Mannschaftschemie. Auch hier bewegt sich jeder Spieler nur in der zugedachten Rolle. Die Akteure wagen keinen Schritt links und keinen rechts, es steht so im Skript. Unglücklicherweise führt das aber auch dazu, dass es keine positiven Ausreißer nach oben gibt. Berlin hat keinen „durchgedrehten“ Reese, der sich nicht scheut, die irrsten Würfe zu nehmen. Berlin ist zu brav und damit zu ausrechenbar.

Kleine Anektode zur Verdeutlichung: Ich habe in einer Mannschaft gespielt, die sich lange kannte. Ohne dass man es merkte war alles immer gleich, man hatte sich miteinander arrangiert. Vielleicht passiert das zwangsläufig. Eines Tages mitten in der Saison kam eine neue Spielerin ins Training. Klein, frech, aggressiv ohne Ende, laut, spanisch, lange Fingernägel, geschminkt, Haare aufgebrezelt. Mein Gott, wer ist das denn? Und dann fing sie auch noch an, jedem auf die Finger zu kloppen, den arrivierten Spielerinnen die Bälle zu klauen. Plötzlich mußte man sich wieder richtig anstrengen im Training, sonst war der Ball futsch. Alles bequeme geriet aus den Fugen. Wir haben sie gehaßt, sie hat uns Klassen besser gemacht, es war ne tolle Mannschaft.

Genau so etwas hat Alba gefehlt, Frankfurt hatte es. Spieler neben der Spur, Spieler mit dem Hunger der Nichtarriviertheit. Tez, fast schon auf dem Heimflug vor ein paar Monaten, Jenkins, Allen das „PO-Problemkind“, „Busfahrer“ de Mello, Doliboa, Reese zwischen Genie und Wahnsinn. Dazu ein ruhender Pol auf dem Trainerstuhl. Eine tolle Mischung, die den verdienten Sieg in der Serie für Frankfurt brachte.

Wenn man aber wie Berlin das ganze Jahr daraufhinspielt, dass genau ein Spieler genau die eine einzige Position im Team zu erfüllen hat, dann kann der fast nicht mehr aus seiner Haut – und genauso wirkte das Berliner Konzept. Wie ein viel zu enges Korsett aus dem die Spieler nicht herauskommen. Keiner macht mal etwas Verrücktes, bricht den ewig gleichen Trott. Dojcin macht, was Dojcin immer macht. Wright spielt wie Wright und das Berliner Murmeltier sieht einen laaangen Schatten. Keiner nimmt sich mal einen Kollegen zur Brust, niemand haut mal verbal aufs Parkett, der das normalerweise nicht auch tut. Die Teamleader aber schweigen und die anderen können gar nicht plötzlich Anführer sein. Keiner getraut sich aus der Rolle zu schlüpfen und genau das hat Alba gelähmt.

Just my 2 Cents.

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PS: Fotos und 2 geile Trips nach Ffm. mit freundlicher Unterstützung von „Gi-Fan-PO-Reisen“.

18 Gedanken zu „Groundhog game

  1. Sehr schöner Blog,

    Die Metaphern sind genial, treffend. Aber ob die Frankfurter da nicht mit gerechnet haben. Die „leere“ Halle in diesem Matchgame für FfM. wirkte auf mich so als ob sie denken „Die hauen wir eh weg. Wir gehen im Halbfinale wieder in die Halle.“
    Vom Publikum her hätten wir in die Finals gemusst ;) Aber spielerisch hat Frankfurt das echt verdient am Mittwoch. Freu mich auf weitere PO Spiele.

    lg, Bjoern

  2. @Allendorf/Lda. und
    @Berlin: ich blogge nie wieder Alba, wenn ich dann deshalb nachts um kurz vor 1 und müde bis zur Bewußtlosigkeit, zugegebenermaßen hochinteressante und voll derb korrekte Soziologenchefs und ihr Oevre diskutieren muß.

    Danke für Ihr Verständnis! ;-)

    P.S.: Bücher sind schon bestellt – heißer Typ ;-)
    und war das nicht eh die Semesterarbeit, bei der ich geholfen habe? :D

    • Was hast du denn bestellt? Die feinen Unterschiede?
      Im Übrigen könntest du noch die „Nichtarrivierten“ durch die „Häretiker“ ersetzen ; )

      Du hast mich bei einem Essay zum Thema Kapitalismus und Arbeit unterstützt.
      Die Hausarbeit zu Bourdieu ging übrigens über das Thema: „Das soziale Feld nach Pierre Bourdieu am Beispiel der Basketball Bundesliga“

      P.S.: Bourdieu tritt Luhmann mit der Feldtheorie in den Arsch…

    • Kadda, ich will deine Hausarbeit lesen! Das klingt nach großem Kino.

      PS: Insbesondere will ich die Felder sehen, wer sind die Hedonisten, wer die traditionelle Arbeiterklasse, wer die Kleinbürger der BBL?

    • Boah, Kinners! Ihr versaut den Gießener Ruf noch total!!!
      :-(((

    • Leider sind meine Daten seit dem mein Laptop vor drei Wochen in Reparatur war unwiederbringlich verloren (Ja, ich weiß Datensicherung und so.) : (
      Dementsprechend auch meine Hausarbeit :(

      Allerdings hab ich zu dem Thema auch ein Referat gehalten. Die Präsentation hab ich soweit ich weiß per Email rumgeschickt. Ggf. könnte die noch herhalten. Die war nämlich echt super : D

    • Ich darf die o.g. Herrschaften herzlich zu einem Workshop der Fachschaft einladen:

      Justus-Liebig-Universität Gießen, FB 06 Sport

      Dozent: Hamann, Steffen E.

      Ort: Sporthalle am Kugelberg
      Tag: Sportdies 2010

      Thema: „Zur Häresie in den Playoffs – Block und Abrollen im Wandel der Zeit“
      (Ein Diskurs mit praktischen Übungen. Bitte bequeme Kleidung mitbringen.)

      Ein Gebärdendolmetscher steht ganztägig zur Verfügung!

  3. Wie immer – ein super Blog von dir!
    Ansatz 2 klingt für mich sehr plausibel. So sah es zumindest auf dem und abseits vom Feld aus.
    Wir sehen uns im Halbfinale wieder ;-)
    Liebe Grüße!

    • Ja, nach Nr. 2 sah es aus, vor allem neben dem Feld.

      Freu mich auch auf die HFs mit dir, Prinzessin
      Kreiszahl ;-)
      Eine Frage hätte ich noch: wo is denn die …….?????

  4. 1. Beste Szene in Spiel von DBDM: Er zockt gegen iMac und bricht ihm die Knöchel, trifft nur leider nicht den MD – für die Nationalmannschaft kommt es wohl etwas früh (aber mal schauen, was noch passiert).
    Ich hab ja schon gehofft, dass ihn keiner mehr will und er vielleicht in die ProA kommt, aber das können wir jetzt schon vergessen

    2. Alle, die immer sagen, wie schlecht die Schiedsrichter sehen, sollten sich mal die Fotoshow anschauen – da sind sie immer perfekt in der Lücke ;)

    Passt nich so wirklich zum Thema, aber egal ^^

  5. „Er schafft es während des Spiels nicht, einen Schritt zurück zu machen und das Spiel von außen zu betrachten. Der berühmte Wald vor lauter Bäumen. Er steckt viel zu viel drin im aktuellen Sekundengeschehen, als dass er analytische Distanz herstellen könnte.“

    Ich finde das ist eine interessante These. Anscheinend kann eine Strategie nicht geändert werden, der Raum für Improvisation fehlt. Das Spiel bleibt gleich, die Spieler werden ausgetauscht.

  6. wie gesagt, das ist nur mein unmassgeblicher, völlig subjektiver Einzeleindruck aus weiter weiter Ferne, der gut und gerne auch mal bis zu 100.00% daneben liegen kann ;-)

  7. Sehr schöner Beitrag! Ich war vergangenen Mittwoch auch in Frankfurt und konnte es nicht glauben, dass ALBA wirklich ausgeschieden war. Deine Analyse ist sehr treffend, auch mir fehlt ein Charakter bzw. der Charakter des Teams. Von mir aus kannst du gern weiter über Alba schreiben, du meinst doch selbst, dass Distanz manchmal ganz gut ist ;)

  8. Pingback: Sahne auf dem Kuchen – ALBA vs. Brose « gruebelei.de – Ansichten eines Basketballfans

  9. Pingback: Welcome, Gordi! Thanks for all the fish, Muli! | gruebelei.de

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