Frau sucht Bauer oder Stell dir vor es ist Derby und keiner geht hin

Hmmm. Das Leben ist ja manchmal schon seltsam, aber Basketball und das, also THE – ihr wisst schon, die Mutter aller und so – Derby auch. Da verschläft man selig und ganz im trendigen Samoastyle den ersten Tag des neuen Jahres, kommt nach draußen und das Auto steht sperrangelweit offen. Also die Fahrertür. Kofferraum und alle andere Türen sind auch unverschlossen. Der Autoschlüssel liegt auf der Motorhaube, als täte er nie was anderes, in friedlicher Eintracht nebeneinander auf dem Fahrersitz liegen die, mein Leben in Kurzform enthaltende, Geldbörse, sowie 2 Handys und die Ersatzhausschlüssel. Ich habe gut geschlafen – bleibt nur die Frage: Was ist in der Nacht davor passiert?

Der geneigte, und mit funkelnagelneuen guten Vorsätzen bezüglich der Liebe hinsichtlich seines Nächsten, ausgestattete Leser wird sich hingegen höflich fragen: „Gut, die Lady is irre, aber was hat das mit `nem Basketballblog zu tun?“ Nun, schauen wir doch gemeinsam etwas genauer hin:

Erstens war ich auf dem Weg in die Osthalle, als meine Sehorgane derart Ungewöhnliches feststellen mussten, das ist schon mal ein guter Grund, finde ich. Dort dann war alles normal, die Spieler trudelten überpünktlich zum Abendtraining ein, wünschten artig ein Frohes Neues Jahr, was auch ich hiermit getan haben möchte – allerdings wie immer nicht artig ;-)

Zweitens tut sich auch in Sachen Derby am morgigen Montagabend (20 Uhr) Ungewöhnliches und Abartiges. Das Derby aller Derbys in der Beko BBL – Gießen gegen Frankfurt – erhitzte früher jahrelang schon Wochen im Vorfeld die jeweiligen Gemüter. Sei es in den Fanforen, auf Schoenen Dunk oder im privaten Kreis – es gab kein anderes Thema, obwohl der Ausgang des Spiels meist vorher feststand. Es wurde beidseitig geätzt, was das Zeug hielt und jede kreative Körperfaser aktiviert, um dem Gegner eins auszuwischen. Legendär und unvergessen die Fanaktion der Gießener, die extra nach Frankfurt fuhren (kostenloses RMV-Semesterticket sei Dank), um sich anschließend im dortigen Fanbus von den Skyliners gebührenfrei nach Gießen fahren zu lassen und bei der Gelegenheit maulwurfmässig eine Spraytapete unter die Frankfurter Fans zu bringen, die diese dann in Gießen auch noch brav ausrollten – samt Deppenapostroph.

46ers gegen Skyliners. Tradition gegen Retorte. Draußenbratwürste bei jedem Wetter und 1l Becher Hopfenkaltschale gegen Popcorn und Nachos aus den Lauwarmhaltevorrichtungen im Umlauf. Archaische Holzsitzbänke gegen leere Plastiksitze. Pöbelvolk gegen Proseccoschlürfer. Basketballherzblut und vermutet mitochondrial vererbter Ledersachverstand gegen vorgebliche Freikartenmentalität und Eventnasen. Seit 12 Jahren (Jaja, so lange ist die unbefleckte Lizenzempfängnis am Main schon her) gibt es eigentlich mehr Explosivmaterial in dem Duell Gießen 46ers gegen Frankfurt Skyliners als in jeder polnischen Lieferung Feuerwerkskörper oder in Muttis hocherhitztem Ölfondue, das Vattern am Heiligen Abend lässig mit `nem Schuß Licher Bier veredelt. Doch dieses Jahr ist irgendwie alles ganz anders.

Zum 26. Mal treffen Gießen und Frankfurt am Montag aufeinander. 24 Ligaspiele und 1 Pokalspiel sind absolviert. 18 Mal hieß der Sieger Frankfurt, nur 7 Mal Gießen. Immerhin, die Pokalweste der Lahnstädter ist noch weiß. 1 Spiel, 1 Sieg – das ist optimal, wird aber aller Voraussicht nach nie wieder passieren, seitdem der neue Cupmodus eingewürgt, pardon eingeführt, wurde. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Gießener anzunehmenderweise noch in 100 Jahren davon erzählen werden, dass es den Frankfurtern niemals gelang, sie im Pokal auch nur ein einziges Mal zu schlagen. Truth be told und Ligaausschuss sei Dank.

Zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten, müsste dieses Duell eigentlich wieder brisant sein, aber nur 20 Stunden vor dem Hochball ist der Spielthread irgendwo auf Seite 3 in SD verschollen und hat ganze 22 Einträge, im Gießener Fanforum gibt es noch nicht mal einen Thread. Dabei ist dieses Jahr das Spiel für beide Teams (überlebens)wichtig. Beide stehen punktgleich und unten in der Tabelle – endlich mal ein Duell auf Augenhöhe, wobei es den Frankfurtern zu verdanken ist, dass sie sich nach Halbfinale 2011 und Finale 2010 auf das Gießener Dauerniveau knapp über dem Abstiegsstrich der Tabelle herabgelassen haben. Brisant eigentlich auch die Tatsache, dass man sich in nur 18 Tagen bereits zum Rückspiel in der Sporthalle Gießen Süd (von einigen wenigen Unverbesserlichen so hartnäckig wie falsch als Ballsporthalle/Fraportarena bezeichnet) wiedertrifft. Auch abseits des Spielfeldes gibt es massig Turbulenzen und Scherwinde. Die Gießener vermeldeten gerade im November zu höchst ungewöhnlichem Zeitpunkt höchst unschöne Massenabgänge der gesamten Führungsriege. Sportdirektor und Marketingmanager werden bereits morgen nicht mehr da sein, Geschäftsführer Syring geht zum Saisonende. Und auch in Höchst ist es ebenso spannend: Kurzzeitverträge, Tryouts, Verletzte und fanseitige Unzufriedenheit mit dem Tauschtrainer Katzurin, den man aus Berlin erhielt. Fühlt sich wohl in der Bankenmetropole so an, als hätte man mit ALBA am Knallbonbon gezogen und nun nur noch einen bunten Schnipsel Krepppapier in der Hand. Während Ex-Trainer Gordon Herbert mit Frankfurts Ex-MVP Wood und Berlin weiterhin ganz oben steht, suchen die Fraportler noch das Rollfeld, um wenigstens mal ein bißchen aus den Niederungen der Beko BBL abheben zu können. Das letzte Frankfurter Heimspiel am 30.12.2011 gegen die Artland Dragons bot immerhin kurios-sehenswertes – ein rekordverdächtiges 44-49 (Und ja, es wurde eine 2. Halbzeit gespielt) bei dem sage und staune 4 Skylinersspieler 40 Minuten absolvierten und nur ein Starter 11 Minuten an den – im wahrsten Sinne des Wortes – 6th man Marius Nolte abgab.

Interessante Voraussetzungen eigentlich für das Derby, doch keinen juckts. Kein einziges Plakat hängt in der Stadt oder an der Halle, der Vorverkauf läuft schleppender als jeder auf DSF gezogene LKW und die einzige Figur, die noch Leben in die Bude brachte, wurde ungewohnt unsouverän, komplett unnötig und gänzlich humorlos auf SD gekillt. Weniger Fingerspitzengefühl gibts wohl nur nach beidseitiger Armamputation. Was wohl die gummibestiefelte Moderatorin von der Konkurrenz in ihrem herzallerliebsten Blümchenkleid dazu sagen würde? Ich gebe es zu, während auf RTL im Fremdschämformat diverse bundesdeutsche Bauern Frauen suchen, fehlt mir nur eins: der Bauer Hoinz.

Er war es, der im matschbeschuhten Alleingang den jahrelang spinnefeinden Fanlagern die Arachnophobie nahm. Waren die Gi-Ffm-Postings auf SD zuvor niveau- und spassfrei, brachte Hoinz die Gemeinsamkeiten (Für die Aussenstehenden eine Schnellsozialisation hier und hier) zum Vorschein, die schon längst die angeblichen und langgepflegten Unterschiede überlagerten. Und ich denke es ist kein Geheimnis, dass auch die Bambipreisverleihungskommission mit dem traurigen Abgang von Uns-Hoinz schwer zu kämpfen hatte. War der Integrationspreis zuvor ohne Gegenkandidaten für Bauer Hoinz vorgesehen, musste man nun in einer zugegebenermassen kopflosen und von leichter Hysterie geprägten Aktion, einen bedeutungslosen Pseudorapper aus der Versenkung zerren und ihm das verwirrte goldene Huftier in die Hand drücken. Tragisch.

Eigentlich wäre es nur fair, wenn die Mods auf SD sich in ihre Lacoste-Polos, Cordbundfaltenhosen und Burlingtonsocken werfen würden und uns den Hoinz wiederholen würden.

Frau sucht Bauer. Es wäre einfach zu schön, wenn er wieder da wäre. Auch seine Kuh Erna fehlt mir sehr und die seit langem leise in mir nagende Frage, ob seine Frau eigentlich auch Erna heisst oder das Rindvieh diese Stelle in Personalunion bekleidet, wird wohl für ewig unbeantwortet bleiben. Aber das Leben ist nun mal kein Bauernhof. Morgen muss es ohne ihn gehen – vielleicht kommt er ja mit seinem Bulldog-Zweitakter vorbei in der Osthalle. Und vielleicht wachen auch noch alle Fans beider Seiten aus ihrem Winterschlaf auf. Das Herz voller Liebe und den Bauch voll Schokolade ist ja super, aber Leute, jetzt mal ehrlich, es ist Derbyzeit!! Aufwachen! Nix mehr mit alle lieb.

Stichel ich einfach noch ein bißchen, vielleicht hilfts. Die Gießener werden wie immer die Klappe weit aufreissen. Fakt ist aber auch, dass es meistens aus Frankfurt was auf dieselbe gab. Der letzte Gießener Sieg datiert nämlich vom 6.4.2007 (siehe oben: mit Rouven-3er-Buzzerbeater zum 62-60) und war bezeichnenderweise auswärts. Der letzte Heimsieg ist, wie es sich für einen Dino gehört, prähistorisch zu nennen und von anno 2002 n. Chr. Immerhin dieses Jahrtausend. Mal sehen, was es morgen so gibt. Derbyfeuerwerk wie im Video oder geht wirklich keiner hin?

P.S.: Weil wir uns einfach nicht mögen?!?

P.P.S.: FREE HOINZ!!!

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Gastbeitrag: Das Trainerkarussell dreht sich. Einsteigen LTi Gießen 46ers!

[limitless schreibt] Ratiopharm Ulm hat es in der Wahrnehmung vieler Basketball-Fans nicht leicht. Mit Dr. Thomas Stoll besitzen die Ulmer einen Manager, der viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, indem er die gesamte Internet-Gemeinde sehr ungefiltert an seinen Gedanken teilhaben lässt. Da Stoll wohl kein Empfehlungsschreiben für den diplomatischen Dienst mehr erhalten wird, sorgt das für viel Gesprächsstoff.

Doch viele Basketball-Fans kennen auch ein anderes ratiopharm Ulm: Das besteht aus einem Amerikaner mit Glatze, der mit stark gefärbtem Deutsch und viel Enthusiasmus das „gute Ulm“ darstellt: In den vergangenen acht Jahren war Mike Taylor als Headcoach für die Geschicke der Ulmer auf dem Parkett verantwortlich. Jetzt wurde er gegangen, ich plädiere für Taylor in Gießen als Nachfolger von Steven Key.

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ALBA vs. Gießen – Es ist, was es ist

[update: Die Dragons sind inzwischen überraschend deutlich geschlagen, nun gilt es vorwärts zu schauen.] Nächster Stopp, Samstag, 20 Uhr, live auf sport1. ALBA Berlin empfängt die LTi Gießen 46ers. Fast wirkt es wie eine Abschiedstournee, die nun in die zweite Verlängerung geht. ALBA vs. Gießen, das ist für dieses Blog etwas ganz besonderes. Die Gießen 46ers sind nicht nur in die DNA der Beko BBL eingepflanzt, sondern auch in die dieses Blogs, nicht ohne Grund klebt hier ein 46ers Aufkleber neben dem Monitor. Warum das so ist und warum dieses Spiel einen seltenen Vorbericht dieses Blogs und eine Liveübertragung auf Sport1 bekommt? Der Versuch einer Erklärung. Weiterlesen

Rauschen im Blätterwald #57 – Gießen, Europa und Red Bull

Heute geht es in Europa weiter. Zeit, mal einen schnellen Blick in die digitale Medienlandschaft zu werfen. Allerdings ist Europa nicht alles, wenngleich es in Berlin manchmal so scheint. Daher auch spannende und bemerkenswerte Entwicklungen in der Liga in Gießen, Trier und rund um das Allstargame. Weiterlesen

The good and the bad [mit Podcast]

Habe ich die Einschläge nicht gehört? Bin ich verblendet? Ich schreibe seit gut 10 Tagen über die Fortschritte des deutschen Basketballs und der größte deutsche Regionalsender stellt fest, dass es total anders ist?  Gestern berichtet der Westdeutsche Rundfunk im Magazin Sport Inside über die Beko BBL: „Willkommen auf dem Bazar“. Es ist ein Negativbeitrag. „Gießen hat Tradition. Gießen hat einen Fanclub. Düsseldorf hat Cheerleader.“ Der WDR zeichnet das Bild einer desolaten Liga. Einer Liga, in der man Lizenzen kaufen kann, in der sich Insolvenzen aneinanderreihen.

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plog #1 – EM-Fieber

Alle fiebern der EM entgegen. Alle? Nein, der Gruebler sitzt am Schreibtisch und fiebert anderen Deadlines entgegen. Trotzdem gibt es auch hier ein Polen-Tagebuch, kurz PL-Log, noch kürzer: plog. Geschrieben wird es von OldSchoolBaller aus Gießen, die von der EM aus Polen berichtet. Höchst subjektiv und mit einem Augenzwinkern, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und gnadenlos aus Sicht eines Fans, garantiert mit Gießener Brille.

Genug der Vorrede, hier der erste Bericht aus Polen.

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Rauschen im Blätterwald #4

Zeitungen

Kurz vor Saisonende rauscht es im Blätterwald. Nachwehen des FinalFour, Abstiegsgespenster und spanisches Säbelrasseln in Richtung der Euroleague. In Deutschland ist es vor allem die unübersichtliche Situation der Lizenzvergabe für BBL und junge Liga und das Trainerkarussel. Weiterlesen

Schöne Tradition, threepeat und Beruhigungs-T

Nein, ich mag heute nicht im Detail über ALBAs Spiel in Frankfurt schreiben. In unserer schnelllebigen Zeit und dieser so unglaublich wechselfreudigen Liga schreibe ich ein wenig über Tradition und Klischee.

Das Hauptklischee der BBL ist, dass die BBL eine Wundertüte und so spannend wie nie ist. Das stimmt, Frankfurt gewinnt traditionell sein Heimspiel gegen ALBA und der Kampf um Platz 1 ist offen. Frankfurt hat seine hervorrange Defense wieder ausgepackt. Triangle-and-Two, Evtimovs clevere Ausbrüche aus dem defensiven System, schnelle Systemwechsel. Damit haben die Skyliners ALBA den Zahn gezogen. Weiterlesen